Theologie vs Ideologie?

Dialektik Gibt es einen dialektischen Gegensatz zwischen beiden Begriffen?, wenn ja, weil Theologie gesicherter Vergangenheit, Ideologie einer unsicheren Zukunft zugewandt ist?

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Theologia ist als Begriff in der griechischen Antike gebräuchlich. Theologie gilt den Griechen als die „Rede von Gott“, das Singen und Erzählen (gr. „mythein“) von Göttergeschichten.

Der älteste Beleg für dieses mythische Verständnis von Theologie findet sich in Platons Staat (379a). Platon verweilt nicht beim Erzählen der Mythen, sondern legt an die Göttermythen der von ihm kritisierten Theologie den kritischen Maßstab der Frage nach der Wahrheit als dem Einen, dem Guten und Unveränderlichen an.

Mit Aristoteles vollzieht sich eine Umprägung des Theologiebegriffs:

Weg vom Mythenerzählen hin zur Theologie als die oberste der theoretischen Wissenschaften , die sich auf das Göttliche als dem ersten und eigentlichen Prinzip (Metaphysik (Aristoteles) 1064a/b) richtet. Die Theologie vollzieht damit ihren Wandel von der Mythologie hin zur Metaphysik.

Theologie und Christentum

Im zweiten Jahrhundert nach Chjristus wird der Begriff von christlichen Autoren, den sogenannten Apologeten, aufgegriffen, die ihn ausschließlich im Kontrast zur Mythologia (Erzählen von Göttergeschichten) der polytheistischen heidnischen Autoren verwenden.

Für Eusebius bedeutet der Begriff Theologie so etwas wie „das christliche Verständnis von Gott“.

Bei Christlichen Autoren, die sich vor allem der Erinnerungskultur an die Kirchenväter (Patristlk) verpflichtet gaben, bezog sich der Begriff Theologie jedoch nicht auf die Lehre des Christentums im Allgemeinen, sondern allein auf die Aspekte der Lehre, die einen unmittelbaren Bezug zu Gott herzustellen suchte.

Die Folge war, dass als einziger frühchristlicher Autor, der Autor des Johannesevangeliums Gregor von Nazianz Rang und Namen als „Theologe“ erlangte, denn Gott allein stand bei ihrer Lehre im Mittelpunkt.

Fragen nach dem Heilshandeln und der Heilsordnung Gottes für den Christen- Menschen wurden von nun an zunehmend unter dem Begriff der Ökonomie (gr. „oikonomia“) behandelt.

In der Alten Kirche waren häufig Bischöfe ausgewiesene Theologen. Im Mittelalter ereichten in der Regel ausschließlich Mönche durch ihr Studium den Rang von Theologen.

Im Verlauf der Entstehung von Universitäten als Ordenshochschulen im Mittelalter bildete die Theologie unangefochten die erste Fakultät.

Im Hochmittelalter bekam der Begriff Theologie bei Peter Abaelard (Frühscholastik) und Bonaventura (Hochscholastik) erstmals die eine generalisierte Bedeutung

„Das Gebiet des heiligen Wissens“,

das die gesamte christliche Lehre jener Zeit umfasste. Zum feststehenden Begriff in diesem Sinn wurde Theologie dann insbesondere aufgrund der

"Summa theologica"

von Thomas von Aquin, der Theologie in erster Linie als spekulative, theoretische Wissenschaft verstand.

Die Theologen der Reformation hoben den praktischen Aspekt der Theologie wieder stärker hervor.

Martin Luther stellte sich in die Tradition der monastischen Verankerung der Theologie, wie sie im Mittelalter z. B. durch Anselm von Canterbury und Bernhard von Clairvaux gelehrt wurde.

Praktische Wissenschaft war die Theologie in dem Verständnis, dass sie ganz auf die Zueignung des Heils durch die Gnade Gottes, also den praktischen Vollzug wahrhaftigen Glaubenslebens bezogen war.

In diesem Sinne bestimmten auch zahlreiche Vertreter der lutherischen Orthodoxie die Theologie als eine

"scientia practica",

die in ihrer Durchführung Anleihen bei der theoretischen Wissenschaft nicht scheute.

Damit gewannen theologische Systeme der lutherischen Orthodoxie durchweg äußerlich einen ähnliche Sturktur und Dichte wie die alten scholastischen Summen, gleichwohl waren diese inhaltlich aber anders angelegt und auch in ihrem systematischen Aufbau (der sich an den analytischen ordo des Aristoteles anlehnte) stärker der wirklichen Glaubenspraxis zugewandt.

Gleichzeitig verschaffte sich auch wieder ein stärker und rein theoretisches Verständnis der Theologie Rang und Namen.

Die Unterscheidung der Theologie als Wissenschaft von der Glaubenspraxis und der unmittelbaren Erkenntnis des Glaubens wurde zur Zeit der lutherischen Orthodoxie durch den Theologen Georg Calixt angebahnt. In Ansätzen ist sie auch bei Abraham Calov und Johann Andreas Quenstedt zu finden.

Während diese allerdings die Theologie dem Glauben vorordnen, gestaltet sich das Verhältnis von beiden im Wege des Zeitalters der Aufklärung umgekehrt:

Nunmehr gilt die Theologie als Reflexionsform gegenüber dem Glauben bzw. der Religion nachrangig. Diese Neubestimmung der Theologie tritt erstmals bei Johann Salomo Semler auf.

Daniel Ernst Schleiermacher begriff die Theologie darauf als eine positive Wissenschaft, die auf Organisationsmodelle der Kirchenleitung bezogen ist.

Die Unterscheidung von Theologie und Glaube gilt bis heute für den theologischen Diskurs als bestimmend, während die Ausrichtung der Theologie auf Organisationsmodelle der Kirchenleitung mehr und mehr umstritten bleibt.

Ideologie

Ideologie nimmt als Format dogmatischer Kampagnen Anleihen bei Militär- Strategien und sucht , angesichts der Einschätzung einer bestimmten gesellschaftspolitischen Lage, nationalen, kontinentalen, globalen Konstellation durch eine selbstermächtige Avantgarde, Gremien Offensivkraft zu gewinnen und zu halten.

Wenn die Gruppe "Walter Ulbricht" 1945 aus dem Exil in Moskau in die zerstörten deutschen Lande heimkehrend, im Inneren Zirkel die Ideologie verkündet:

"Es muss in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands wie Demokratie aussehen, ohne Demokratie zu sein"

kann das als grundsätzlich ideologische Absage gegenüber Demokratie verstanden werden, andererseits, einer neu entstehenden Lage und Konstellation im nachfaschistischen Deutschland geschuldet sein, die geschmeidig Optionen auf demokratische Entwicklungen offen hält?

Nach der Implosion der Blöcke in Ost und West durch das Ende des Kalten Krieges ist eine Abkehr, weg von gesellschaftspolitischen Ideologien, hin zu militärpolitischer Doktrin, als vermeintlicher Garant von Sicherheit, Wohlstand , Entwicklung , Schutz vor den Gefahrenlagen international vagabundierenden Terrors zu verzeichnen

Versatzstücke von Theologie adaptierend, ist da

„Ideologie“,

ein in sich prekär anwendbarer Begriff, der zu Widerspruch herausfordert?

Es braucht des Aufwands aller Kunst der Philosophie, ideologisches Handeln als solches, eindeutig von Theologie abgegrenzt, zu identifizieren.

Ideologie (griechisch ἰδεολογία ), Lehre von der Idee bzw. Vorstellung:

"Von griechisch ἰδέα (idea, „Erscheinung“) und λόγος (logos, „Lehre“) ist im philosophischen Sinn eine Weltanschauung, die einen ehern hohen Anspruch auf Verkündigung der Wahrheit erhebt und auf Biegen und Brechen der Klarheit darüber, was Wahrheit ist, verteidigt. Der Ideologie fehlt von Anfang an für abweichende Lehrmeinungen das gesellschaftliche Organ.

Im gesellschaftlichen Diskurs werden aus solchen „dogmatischen "Lehrmeinungen“ ideologische Normen gewonnen, von denen die Mehrzahl der "Eingeweihten", der Beteiligten aus tiefstem Sinnen und Trachten im Glauben an die Normative Kraft es Faktischen, das sie selber geschaffen, überzeugt sind.

Die Grundannahmen oder Auswirkungen einer Ideologie auf das praktische Leben einzelner und der Gesamtgesellschaft werden programmatisch marginanlisiert, vom Ansatz her in Abrede gestellt, geschweige denn hinterfragt.

Oftmals wird eine Ideologie erst dann als solche erkannt, wenn sich innerhalb einer Ideologie, aufgrund neuer Erkenntnisse, andersgeartet gesellschaftlicher Aufgabenstellungen, Herausforderungen, Paradigmenwechsel vollziehen, Tendenzen zu Fraktionen bilden.

Besteht zwischen Theologie und Ideologie ein Gegensatz?, wenn ja, ist dieser darin zu suchen, dass die Theologie sich, der Vergangenheit zugewandt, als Hüter "Heiligen Wissens" aus der Geschichte des Glaubens deutet, während die Ideologie sich, der Zukunft zugewandt, als Hüter bruchstückhaften Wissens über den wahren Weg ins Elysium, ins Gelobte Land, in dessen vollmundigen Ankündigungen eingenistet, zu überwintern sucht.
JP

https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/notfalls-ohne-glauben
KERSTEN KNIPP AUSGABE 415 | 27.01.2015 | 06:00 1
Notfalls ohne Glauben

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Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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