Tod eines Bankiers

Hans de Witte 1622 Nicht staatliche Schuldner, sondern private Gläubiger der Staaten werden in den hoheitlichen Stand versetzt, ganze Populationen über Sozialabbau, Steuern auszuplündern

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Kapitalismuskritik

Wenn der Schuldner seinem Gläubiger, wie der Dativ dem Genetiv, sein Tod ist

Der flämische Calvinist Hans de Witte, 1583 in Antwerpen geboren, 1630 in Prag zu Tode gekommen, 1627 als Hans de Witte von Lilienthal in den vererbbaren Adelsstand erhoben, wird 1622 vom Deutschen Kaiser Ferdinand II als Privatbankier gemeinsam mit Jacob Bassevi, Karl von Liechtenstein, Albrecht von Wallenstein und Paul Michna von Waitzenhofen zum Pächter des sogenannten Münzregals, ins Münzkonsortium für die Königreiche Böhmen, Mähren, Österreich berufen.

Hans de Witte streckt den größten Teil der vom Kaiser Ferdinand II geforderten Pachtsumme in Höhe von 6 Millionen Gulden für das einjährige Nutzungsrecht des Münzregals vor.

Damit ergeht an de Witte und Co in den Königreichen Böhmen, Mähren, Österreich für ein Jahr das Privileg der Münzausgabe nach seinem Gusto, wenn er dem mittellosen Kaiser Ferdinand II in Wien die Vorauszahlung von 6 Millionen Gulden hinterlegt. Was de Witte tut

Hans de Witte verringert den Edelmetallwert der neu ausgegebenen Münzen in den Königreichen Böhmen, Mähren, Österreich und löst, mit ungeheuerem Gewinn für ihn selber und seine Kompanions, landesweit eine unsägliche Teuerung mit Lebensmittelknappheit, Hunger, Elend, Krankheit, frühen Tod unter der Land- und Stadtbevölkerung aus

Gleichzeitig finanziert der Bankier Hans de Witte im Dreißigjährigen Krieg (1618- 1648) nicht nur Albrecht von Wallensteins Lager, sondern auch dessen Leben, aufwendige Hofhaltung in Saus und Braus da selbst durch großzügige Vergabe von nicht besicherten Krediten, weil der mittellose Deutsche Kaiser Ferdinand II in Wien seinen Feldherrn Wallenstein und dessen Feldzüge nicht mehr zu finanzieren wusste.

Das ging solange gut, solange Wallenstein, Landschaften, Städte in Europas deutschen Landen, plündernd, mordierend zu erobern vermochte, diesen Kontributionen abverlangte, um de Witte wenigsten Teile seiner Schulden, samt Zinseszins, zurückzuzahlen und sei es durch Naturaldividenden, wie vom Halm geraubtes Getreide, Äcker, Wälder, Wiesen, Schlösser, Seen.

Schwierig wurde es, als die Hansestadt Wismar, nach wiederholter Besetzung und Ausplünderung durch Wallensteins Truppen, dermaßen an Zahl ihrer Bürger dezimiert, an Vermögen beraubt war, dass da nichts, aber auch gar nichts mehr, trotz erneuter Erroberung, zu holen war.

1630 entließ Kaiser Ferdinand II im Habsburgischen Wien Wallenstein als Feldherrn.

Albrecht von Wallenstein wurde fuchsteufelswild als ihm der Bankier Hans de Witte von Lilienthal in einem Ergebenheits- Bittbrief, an dessen Schulden erinnernd, wohlformuliert um Verständnis anflehte, er könne ihn nun nicht mehr weiter über die Vergabe von nicht besicherten Krediten finanzieren, da in drei Wochen auf der Messe zu Frankfurt/Main, wie alle Jahre, die Stunde der Wahrheit schlage, seine im Auftrag von Wallenstein begebenen Wechsel zu platzen drohten.

Hans de Witte von Lilienthal stürzte sich noch vor Beginn der Messe zu Frankfurt/Main 1630 in einen seiner Brunnen hinter dem repräsentativen Hauptgebäude auf seinem weitläufigen Prager Domizil und ertrank.

Albrecht von Wallenstein kümmerte das wenig, er ließ seinen einstigen Geldgeber und Gläubiger erst durch Zahlungsverzug im Stich und dann fallen.

1631 wurde Wallenstein vom Deutschen Kaiser Ferdinand II, angesichts der Truppen König Adolf von Schweden in der Freien und Hansefestungsstadt Stralsund, erneut zum Feldherrn berufen.

Hans de Witte von Lilienthals Gesinnungsgenossen unter den Kapitalisten rührte dagegen dessen Schicksal sehr, sie sannen auf Abhilfe dieser Risiko- Gefahrenlagen durch säumige Zahler unter den Herrschenden in Europa und griffen auf das Ablassbrief Finanzierungswesen der Fugger, Welser für den Bau des überdimensionierten Projektes, den Bau des Petersdom zu Rom (1495- 1595), zurück, das im Wege der Reformation Martin Luthers nach ihrer Meinung fälschlich in Misskredit geraten war.

Denn anders als im Schuldnerfall Albrecht von Wallenstein, lag die Ausplünderung, Auspressung der Landschaft, der Menschen in Dörfern, Städten, beim Ablassbriefwesen nicht in der Hand der Schuldner, sondern in der Hand der Gläubiger.

Der Papst im Vatikan hatte mit dem "Heiligen Stuhl" als Schuldner den Bau des Petersdom zu Rom über unbesicherte Kredite aus den Bankhäusern Fugger, Welser vorfinanzieren lassen und zur relativen Sicherung der Tilgung und Zinszahlungen seiner Schulden, die Lizenz zum Ausplündern, Auspressen europäischer Landschaften, Dörfer, Städte in Gestalt päpstlich beurkundeter Ablassbriefe an die Fugger, Welser vergeben.

Die Fugger, Welder wussten mit gebrieften Drückerkolonnen, europaweit bis nach Übersee, im gerade entdeckten Amerika, voran mit dem Marktschreier Dämon Tetzel durch die Verbreitung von Angst und Schrecken vor nahendem Tod, dem Weltenende, Schmoren in der Hölle, unter den Gläubigen, bei gleichzeitig vergiftet "gnadenreichem" Angebot, durch Kauf eines Ablassbriefes, dem Fegefeuer zu entgehen, die Schatzsäckle der Fugger, Welser über die Maßen der eigentlichen päpstlichen Tilgungen, Zinszahlungen zu füllen.

Genau diesem Modell des Ablassbriefwesens scheint das aktuell in Diskussion stehende Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen der EU und den USA verschrieben.

Nicht staatliche Schuldner, sondern private Gläubiger der Staaten werden in den hoheitlichen Stand versetzt, nach eigenem Gusto, darunter über Private Public Partnership (PPP) in Fragen der Daseinsvorsorge, Energie, Wasser, Strom, ganze Landschaften, Populationen über Sozialabbau, Steuern, Gebühren, Abgaben auszuplündern, auszupressen.
Schonvermögen zum Restvermögen umzuwidmen, um auch das noch für den Weg zum Arbeitsplatz abzuschmelzen bis nichts, aber auch gar nichts mehr an Rest- Privatvermögen der Vielen für die Daseinsvorsorge zu Gunsten der wenigen Superreichen, Oligarchen zum Lebenszeit verschnarchen, vorhanden ist.
JP

https://www.freitag.de/autoren/joachim-petrick/kapitalismus-im-wach-koma
JOACHIM PETRICK 06.05.2014 | 01:17
Kapitalismus im Wach- Koma?

http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/die-lust-am-umverteilen-1.18256240
Thomas Piketty: Alles zum Kapital
Die Lust am Umverteilen
Mittwoch, 5. März 2014

http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/literatur/der-piketty-hype-1.18296244
Amerikas jüngster Bestseller
Der Piketty-Hype
Andrea Köhler Heute, 6. Mai 2014, 05:30

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Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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