Ukrainekrise, Zwang zum Nachdenken

Weltwirtschaftsnot Im Hintergrund mag bei Wladimir Putin, angesichts der desolat empfundenen Lage der Weltwirtschaft, ein Streben nach relativer Unabhängigkeit, nach Autarkie sein?

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Ukrainekrise, Blaupause für Feindbilder?

Erzwingt Ukrainekrise energetisches Nachdenken?, wenn ja, in welche Richtung, mit welchen Tendenzen, Bestrebungen?
Ukrainekrise zwingt zur Reflexion
Streben nach energetischer Unabhängigkeit von Russland, der EU, den USA, Chinas, Indiens, Brasiliens, Venezuelas, Deutschlands als Fehlinvestition

Krisen sind seit altersher die Väter energiepolitischer Anstrengungen. So begann in West- und Osteuropa mitten im Kalten Krieg spätestens ab 1973, hüben und drüben, abgestimmt, unabgestimmt, die intensive Beschäftigung mit den Strategien zukünftiger Energieversorgung.

Anfang der 1970er Jahre wurden im Anschluss an die erste Erdölpreiskrise, die die arabischen Staaten während des Jom-Kippur-Kriegs 1973 gegen Israel auslösten, sowohl in Westeuropa, den USA, Kanada, Australien, als auch in Osteuropa, der UdSSR gleichermaßen energiepolitische Großprojekte der Art des Baus von Atomkraftwerken entschieden, ohne deren Umweltschäden und Langzeitbelastungen für die jeweiligen Volkswirtschaften zu erwägen, geschweige denn durch belastbare Wahrscheinlichkeitsrechnungen in die Bilanzen von AKW- Betreibern von Amtswegen einzuführen.

. Derzeit bestimmt die Ukrainekrise und ihre möglichen Auswirkungen auf die Gas- und Ölversorgung, sei es bei Lieferunterbrechungen, Sanktionen, europaweit den energiepolitischen Diskurs. Solcher Art krisengetriebener Debatte um die Versorgungssicherheit führt dabei allzu leicht zu energetischen Grundsatzfragen mit weitreichenden Folgen für die Zukunft und birgt darüberhinaus als "Trojanisches Pferd" das Risiko äußerst ungünstiger Fehlentscheidungen.

Die EU muss Zusammenarbeit mit erdöl- , gasexportierenden Ländern in aller Welt, voran in Eurasien als Partner suchen.

Da will gar nicht hineinpassen, dass der russische Partner eine Politik nationaler Russifizierung seiner Interessen in der Gemeinschaft Unierter Staaten (GUS), einem multiethnischen Staatenbund, zu betreiben sucht.

1914 hat die k. u.K. Donau- Monarchie den ethnisch auseinanderdriftenden Kräften ihres Staatswesens durch einen Großen Vaterländischen Krieg versucht, allen Ethnien einen österreichisch gefärbten Nationalismus dynastisch reinen Habsburger Wassers zu verordnen.

Das Ergbnis des "Großen Vaterländischen Krieges" von 1914- 1918 war, dass die nationalen Ethnien in den Provinzen, Unterkönigtümern der k. u. k. Monarchie, wie Böhmen, Ungarn, Bosnien, Kroatien, Moldawien, Montenegro, Bulgarien, Rumänien, Slowenien, um den Preis des heillosen Zerfalls des Habsburger Reiches, unbändig revolutionär ungestümen Auftrieb bekamen, eigene Nationalstaaten zu gründen

Dem Osmanischen Reich widerführ in jenen Jahren im Wege des Großen Krieges 1914- 1918 als "Vielvölkerstaat" im Vorfeld aufkommenden Nationalismus und danach Gleiches.

Allein das russische Zarenreich blieb, dank der russischen Oktoberrevolution 1917, wider Erwarten, von solcher Art Zerfall in Ethnien, die eigene Nationalstaaten bildeten, unter unermesslichen Opfern eines jahrlangen Bürgerkrieges von unsichtbarer Hand geborgen, über sieben Jahrzehnte bis 1991 verschont.

Es entstand 1917 die UdSSR, ein Staatswesen, das laut Verfassung von 1917 bis zu dessen Auflösung 1991 de jure, de facto aus Autonomen Republiken bestand und sich, dem revolutionären Elan des Zeitgeistes nach dem Ersten Weltkrieg folgend, den proletarischen Internationalismus als Grundpfeiler des Weltfriedens und Zusammnehalts der Völker auf die Fahnen geschrieben hatte.

Der Marxismus- Leninismus gilt historisch, geprägt und geleitet von dem staatlichen Modernisierungsgedanken, dem proletarischen Internationalismus Vorrang vor dem Sebstbestimmungsrecht einzelner Ethnien, Nationalstaaten zu bilden, im eigenen Hoheitsgebiet zu geben, als Scharnier für den Fortbestand des Vielvölkerstaates Russland.

Unterlag nicht selbst die am 9. November 1918 von dem SPD- Riechstagsabgeordneten Gustav Scheidemann ausgerufene neue Deutsche Republik Zentrifugalkräften, sich in ihre deutschen Stämme, Ethnien als selbständige Nationastaaten aufzulösen, wenn da nicht das unheilvolle Diktat der Siegermächte in Versailles 1919 bei den Friedensverhandlungen gewesen wäre, das alle deutschen Stämme, entgegen regionalem Patriotismus, als Notgemeinschaft mit Notverodnungen. Notgeld zusammen zwang?

Wie fragil dieses Staatsgebilde, dass sich seit 1871, dem Sieg über das französische Kaiserreich, Zweiten Deutsches Kaiserreich nannte, ohne die franzüsischen Beute- Mittel gar nicht darstellbar war, erweist sich allein daran schlaglichtartig, das dass Heer durch massive Einrede deutscher Königs- Fürstentümer, nicht deutsch, sondern nur kaiserlich betitelt werden durfte.

Es war nicht der Wille deutscher Dynastien, Königs- und Fürstentümer, der das Deutsche Reich in Ausgestaltung der Weimarer Republik nach 1918, unter Gebietsverlusten, gemäß Versailler Vertrag 1919 mit den Siegemächten, zusammenhielt, war es nicht gar erst die Schuldenhaftungsgemeinschaft aller deutschen Länder als Ach unter dem Dach der Weimarer Republik, die das, dank des unseligen Diktats der Siegermächte USA. England, Frankreich, Italien zustande brachte.

Dass nun der russische Präsident Wladimir Putin in Deutung der historischen Gegebenheiten nach seinem Belieben, die Auflösung der UdSSR, nicht als Entwicklungschance, sondern als die georstrategische Urkakatastrophe des Zwanzigsten Jahrhundert definiert, der GUS den Weg zur reinen russischen Nation weist, ohne, wie einst die UdSSR, eingedenk der Multiethnien ihres Hoheitsgebietes, den Internationalismus als Verpflichtung, als Garant des Zusammnehalts auf die Fahne zu schreiben, lässt ahnen, dass auf diesem Unternehmen Wladimir Putins kein wahrer Segen liegt.

Denn auf die Zwangslage einer Schuldenhaftungsgemeinschaft, wie das besiegte Deutsche Reich 1918, kann Russland bisher nicht zurückgreifen. Der russische Staat ist, wie kein zweiter in der Welt, dank florierendem Gas- und Ölexporte, schuldenfrei, das Staatssäckle prall mit Goldreserven, Devisenbeständen gefüllt.

Außer Russland stürzt sich jetzt, wie der US- Präsident George W. Bush im Fall des irakkrieges 2003, in das militärische Abenteuer, schuldentreibender Kriege an seiner Peripherie, um genau diesen Zwang des Zusammenhalts durch eine Schuldenhaftungsgemeinschaft, allen gegensätzlich wirkenden Zentrifugalkräften im Inneren zum Trotz, herszustellen?

US- Präsident George W. Bush ist es im Wege des irakkrieges 2003 binnen zwei Legislaturperioden gelungen, einen mehr als ausgeglichenen US- Staatshaushalt aus der US- Präsidenten Ära Bill Clintons in die Zwangslage einer übrbordenden US- Staatshaustsverschuldung zu wandeln, um die auseinanderdriftenden Zentrifugalkräfte im Inneren der USA unter Kuratel zu halten

Bleibt die Frage, ob US- Präsident George W. Bush im Wege des schuldentreibenden irakkrieges 2003 nach Nine Eleven 2001 die absehbare Zwangsjacke der gerade gegründeten Eurozone von 15 europäischen Staaten als Schuldenhaftungsgemeinschaft im Stil der monetär neuen Zeit für die USA vorweggenommen hat?

Warum sollte das dem russischen Präsidenten Wladimir Putin mit der GUS nicht ebenso gelingen?

Nicht die Annexion der Krim als solche war am 16. März 2014 da ein prekäres Signal Richtung Zentrifugalkräfte im Inneren Russlands. Es war die patriotisch historisch gefärbte Begründung, die die Geschichte so eindeutig nicht einmal hergibt, Russische Menschen nach Russland zurückzuholen, weil 28 Millinen Russen nach der Implosion der UdSSR 1991 von einem tag auf den anderen als Innenbewohner als Ausländer im Ausland aufgewacht sind.

In einem Vielvölkerstaat wie Russland, das Osmanische Reich, die k. u. k. Donaumonarchie, selbst das Deutsche Reich von 1871, auf eine einzige Volksgruppe gemünzt, das Nationale patriotische hervorzuheben bewirkt einen Auftrieb für die auseinanderstrebenden Zentrifuglakräfte im Inneren eines solchen Staatswesens, wie die Geschcihte erweist

Im Gegenteil, die Zentrifugalkräfte drohen innerhalb der GUS, wie einst in der k.u.k. Monarchie, im Osmanischen Reich, unbändig unkontrolliert Nahrung und Auftrieb zu erhalten (s. Herfried Münkler "Der Große Krieg" 1914- 1918, Seite 763).

Im Hintergrund mag bei Wladimir Putin, angesichts der desolat empfundenen Lage der Weltwirtschaft, ein Streben nach relativer Unabhängigkeit, nach Autarkie im Rahmen einer Eurasischen Zollunion gegenüber transtatlantischen Bündnissen der EU, den USA liegen.

Doch vergessen wir nicht!

Gilt nicht der Erste Weltkrieg 1914- 1918 als klassisches Streben europäischer, asiatischer Großmächte "Allerseligen" nach Autarkie, trotz entwickelten Welthandels, Wandels, Verkehrs untereinander, wie nie zuvor, mit seinem Ergebnis unergründlich fremdfinanziert überdimensionierter Fehlinvestitionen als unseliges Beispiel, das mehr Konfliktpotenziale, Probleme angehäuft, denn bearbeitet, geschweige denn zum Wohlgefallen der Völker aufgelöst hat?
JP

http://www.taz.de/Meinungsforscher-ueber-russische-Feindbilder/!143025/
Meinungsforscher über russische Feindbilder
Politik / Europa
25. 07. 2014
DAS INTERVIEW FÜHRTE
KLAUS-HELGE DONATH

http://www.nzz.ch/meinung/kommentare/ein-schimmer-hoffnung-1.18329376?extcid=Newsletter_25062014_Top-News_am_Morgen
Feuerpause in der Ukraine
Ein Schimmer Hoffnung
Cyrill Stieger Heute, 25. Juni 2014, 09:03

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Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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