Umwerfend liebenswerter Giftzwerg

Louis de Funès 100 1978 bekennt sich Louis de Funès, in Tragödien könne er keine tragende Rolle spielen, ich bin klein, das ist die Tragödie. das genüge an Tragik

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Über Dinge, Zeiten, gesellschaftliche Zustände, Lebenslagen lachen, die schmerzlich sind

Louis de Funès, von Kindesbeinen in der Familie, von Freunden «Fufu» gerufen, wurde genau vor Hundert Jahren am 31. Juli 1914 mit einem ernsthaft besessenen Talent bei Paris geboren.

Dem unverwüstlichen Talent des Komödianten, Menschen als grimassierend überzeugter Giftzwerg selbst über die schlimmen Dinge des Alltags, in tragischen Lebenslagen, schmerzlichen Zuständen, zum Lachen zu bringen, so als ob Weinen nur unter dem strengen Regime und dessen unabdinglichen Geboten tränentreibenden Lachens als des Bürgers erste Pflicht zulässig sei.

In einem seiner raren Interviews 1978 bekennt sich Louis de Funès als tragische Figur, in Tragödien könne er keine tragenden Rollen spielen, ich bin klein, das ist die Tragödie. das müsse an Tragik genügen, die ich beitragen kann..
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Louis de Funès gilt lebenslang als Stehaufmännchen, der gerne fiese Charaktere, wie Direktoren, Diktatoren, Despoten, Tyrannen mit unbändig untrügerischem Faible, falsch Zeugnis wider den Kollegen, Vorgesetzten, Nachbarn zu reden, wenn es seinen finsteren Plänen hilft.

Der gerne mit Elan kollaborierend mit den Mächtigen als Denunziant "bester Freunde" auftritt, sich mit kühnem Schwung als Feigling gegenüber Stärkeren in Szene setzt, der diese menschlichen Fehler, Unzulänglichkeiten nicht nur spielt, sondern in sich selber an einem sicheren Ort geborgen, ständig auf dem Sprung, auf der Lauer zu neuen Untaten im Alltag, Beruf, Daheim, beim Betriebs- , Breiten- und Leistungssport, auf der Bühne mit Kollegen, verspürt.

Mit gerade einmal vier Jahren, der Erste Weltkieg dämmert 1918, freud- und friedlos an Mensch und Material erschöpt, seinem Ende entgegen, spielt der kleine Louis, ekstatisch Grimassen schneidend, Theater mit einer Kasperfigur, wobei er seine Geschwister zwangsweise als Publikum verpflichtet, ihm hinter einem Vorhang zuzuhören.

Nach Stunden, wenn er den Vorhang zurückzog, waren seine Geschwister längst über alle Berge, auf und davon

Also verlegt sich erst der kleine, dann große Louis darauf, einem erfundenen Publikum seine schaupielerisch komödiantischen Talente nahe zu bringen. So was verpflichtet, insbesonder bei wachsendem Publikum, das seinen Geschmack mit ihm enthusiastisch teilt.

D. h. Louis de Funès war sich niemals zu schade, auch noch in die Rolle des begeisterten Publikums mit anstössigen Zwischenrufen zu schlüpfen.

Bereits mit sechs Jahren erteilte seine Mutter (1879- 1957) ihm erfolgreich Klavierunterricht. Louis de Funès wurde zu Zeiten des Vichy- Regimes während der deutschen Besatzugszeit Frankreichs, 1940- 1944, widerständiger Untergrund Jazzpianist, weil damals in Frankreich der Jazz, poströmisch dekadent, auch wenn dieser aus New Orleans/USA kam, unsittlich, strafbewehrt, verboten galt.

Erst mit 30 machte sich Louis de Funès auf, Schauspieler zu werden, was er sich ganz einfach vorstellte.

Dekorateur hatte er gelernt, doch wer nach 1945 in Frankreich, einen Schuhpaar im Fenster ausstellte, war das binnen Minuten schon unbesehen los. Tausend Leute stürzten sich auf der Lauer, auf der Mauer schwarzer Märkte auf alles, was da regulär in Schaufenstern erschein.

Die ausgestellten Schuhe gingen weg wie warme Semmel. Was konnte er da als Dekorateur noch umsatztreibend besser ausrichten. Nichts.

Louis de Funès war nicht nur mit der Begabung geschlagen, Leute zum Lachen zu bringen, um auf schauspilerische Betriebstemperatur zu geraten, er war zwanghaft auf deren Lachen angewiesen, um sich selber bei hoher Herzschlagfrequenz zu spüren.

Mit über 40 erlebte sich Louis de Funès erstmals in der Lage, angemesssen von seinem Beruf als Schauspieler zu leben.

Louis de Funès bekennt sich, ja ich bin ekelhaft, gar nicht wirklich komisch, ich bin ein ernstzunehmender Charakter.

Das klingt wie eine Drohung in die "Allgemeine Verunsicherung" und Unbill jener Jahre des Kalten Krieges dessen bizarrem Sicherheitsstreben nach einem System des atomar hochgrüsteten Gleichgewichts des Schreckens durch gegenseitige Abschreckung.

Er sei ein Angsthase, berichtet Louis de Funès, gehe mit einem geladenen Revolver im Garten als Blumenfreund spazieren, man kann in diesen Zeiten ja nie wissen. Vorm Schlafengehen schaue er zwanghaft unters Bett, ob da nicht der Feind in Gestalt des Nachbarn lauere.

Seine ersten Rollen seien nicht tragend, aber von öffnend bzw. dichtmachender Natur gewesen. So habe er auf offener Szene in wahrer Vollendung, zuerst, wortlos kleine, später große Türen in Palästen für Hauptdarsteller geöffnet, darauf noch wortloser wieder geschlossen

Gegen Louis de Funès Talent nimmt sich die christlich- sozial beinhart schwarz meschugge Ekel- Alfred Tetzlaff Figur, gespielt von Heinz Schubert, mit Hildegard Krekel als gegeißelte Gattin, Diether Krebs als sozialdemokratisch gestrickter Juso- Schwiegersohn in der ARD- Fernsehserie "Ein Herz und eine Seele" von Wolfgang Menge in der Helmut Schmidt Kanzler- Ära (1974- 1982 ) aus, wie der reinste "Knigge Benimm Dich" Reigen als Öffentlich- Rechtliche Spassbremse mit Bildungauftrag in den Dritten Programmen.

Louis de Funès, diese quirlige Ausnahmeerscheinung als Komödiant, startet endlich im Jahr 1954. der Indochinakrieg in Südostasien geht aus französischer in amrikanische Verantwortung, seine wahre Bestimmung.

Vor hundert Jahren wurde Frankreichs berühmtester Choleriker am 31. Juli, einen Tag vor Beginn des Ersten Weltkrieges am 1. August 1914 geboren.

Louis de Funès, der eigentlich Louis Germain David de Funès de Galarza hiess, war von spanischer Abstammung. Seine Eltern übersiedelten 1904 von Spanien nach Frankreich, Da Louis Vater, Jahrgang 1871, in Frankreich nicht als Rechtsanwalt tätig sein konnte, versuchte er sich erfolglos als Diamantenhändler in Venezuela und verstarb 1934 zurückgekehrt bei Paris an Tuberkulose.

Als Jugendlicher in den 1970er und 1980er Jahren ging kein Weg ins Kino an Filmen mit Louis de Funès vorbei, gerade, weil damit im Familenkreis, in der Schule absehbar heftige Missfallensbekundungen konsternierter Erwachsener. empörter Eltern, Lehrer heraufbeschworen waren.

Das galt den Erwachsenen, trotz und wg.des gelungen deutsch- franzüsischen Versöhnungswerkes Konrad Adenauers und Charles de Gaulles 1963 denn doch als grässlich übertrieben und rief darüber hinaus, wie konnte es anders sein, eigene bundesdeutsche Blödelbarden mit sinnig hinterfotzigem Tiefgang, Grostesk- Orchester, "Schlapplachhalden" "Klamauk in Serie bis der Arzt kommt", Marke Karl Dall, Insterburg & Co, Mike Krüger, Jürgen von der Lippe "Für jede Pointe riskiere ich meiner Freunde kesse Lippe" , Filme wie "Zur Sache Schätzchen" auf den Plan, .

Louis de Funès cholerisch-überkanditelte Darstellungskunst trug dem französischen Komiker, bereits zu Lebzeiten das kaum schmeichelhafte Image eines «Grimassenschneiders» und «Zappelphilipps» mit Alleinstellungsmerkmal ein.

An den Kinokassen im In- und Ausland erfolgreich, adaptierte und nährte Louis de Funès in seinen Filmen die Legende, als sei das wahre Leben nur als Comic zu ertragen.

Durchaus unterhaltsam, leicht zu konsumieren, künstlerisch eher von instabil fragilem Wert? Das schien lange keine Frage. Dieser Wert erweist sich möglicherweise erst heute in der Rückbetrachtung als nachhaltig tragend.

Der Vergleich Louis de Funès in seinern komödiantischen Rollen mit der Comicfigur des Disneys Zeichentrick-Erpel Donald Duck ist kein Hinkebein, sondern drängt sich auf, agiert de Funès doch durcgehend pausenlos manisch von – aufbrausend, gesimmelt, Himmel hochjauchzend, triumphierend, zerknirscht, zu Tode betrübt, irreversible misanthropisch und auf seine verquere Weise dennoch, geradezu lebensnah, nicht wirklich unsympathisch.

So wie Donald Duck als «Ente wie du und ich» gilt, so basiert auch die Komik des Brausewinds de Funès auf den menschlichen Schwächen und charakterlichen Abgründe seiner Zeitgenossen.

Die Rolle des ebenso pedantischen wie ungeschickten Ordnungshüters verkörperte Louis de Funès erstmals 1964 in «Le Gendarme de Saint-Tropez».

Quatschkomödie, grosteker Spott wider die Autoritäten, bringt die Verhältnisse druch krachende Lacher, Homortests allerorten, zum Tanzen

Es ist wohl kein Zufall, dass die Filmkarriere des einen Tag vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Courbevoie bei Paris geborenen Louis de Funès ausgerechnet Anfang der 1960er Jahre an Schwung gewinnt.

Die vom autoritären Gaullismus geprägte französische Nachkriegsgesellschaft und der industrielle Aufschwung der Fünften Republik bildeten den spiegelbidlichen Hintergrund für jene Charaktere, die de Funès so abgründig pointiert darzustellen suchte.

Was in Frankreich seine anschwellend heillose Wirkung entfaltete, galt umso mehr im Westdeutschland Adenauerscher Prägung des Rhein- Kapitalimus Richtung "Formierte Gesellschaft" des Wirtschaftswunderministers Professor Ludwig Ehrhard, dann Volkskanzlers, gleichnamiger Titel eines Buches von Johannes Gross. Über den Interzonenhandel eine Westdeutschland assoziierte Arbeiter- und Bauernrepublik DDR als Werktätigen- Sonderwirtschaftszone, verlängerte Werkbank mit dem umstritten eingezäunten Zonen- Geschmäckle eines "Apartheid- Homelands".

Von grenzenloser Profitgier getriebene Unternehmer in

«Pouic Pouic» (1963) oder «Oscar» (1967),

launische Vorgesetzte und aktionistische Technokraten wie den Kommissar Juve in der

«Fantômas»-Filmtrilogie (1964–67)

So sehr diese unternehmerischen Tyrannen, die Neckermanns, Grundigs, Borgwards, Schleicher- Schiffswerften, Rheinmetall ihre Angestellten auch herumscheuchen, umgruppieren und drangsalieren, so sicher ist ihnen der kaum nioch hinter vorgehaltener Hand geäusserte Hohn und Spott ihrer Untergebenen.

Mit ihrem manisch wachstumsbesessenen Unternehmungsgeist, den die von de Funès gespielten Figuren an den Tag legen, überrollen sie Freund wie Feind, machen aus Freunden Feinde, aus Feinden "Hire and Fire" Kompanions, Genossen, Komplizen dunkler Machenschaften und wirken wie Vorboten einer auf "Time is Money" und Effizienz geeichten Leistungsgesellschaft ins Irgendwo vor dem Nirgnndwo

"Halt den Film an, ich will raus" "Alles Scheiße" Deine Emma!" .

Ein weiterer Typus, dessen Darstellung de Funès meisterhaft beherrschte, ist der des gerissenen Kleinbürgers. Menschen dieses Schlages hatte de Funès, Sohn eines vergeblichen spanischen Rechtsanwalts bei Paris, in den frühen Jahren seines Lebens ausgiebig zu studieren vermocht.

Nach einer abgebrochenen Ausbildung zum Kürschner betätigte er sich zunächst als Zeichner, Dekorateur und Barpianist. Es folgte mit 30 eine Schauspielausbildung

Seine Studie des hypernervösen Metzgers Jambier in «La Traversée de Paris» (1956), der sich im von deutschen Truppen besetzten Paris mit zwei von Jean Gabin und Bourvil dargestellten Schiebern einlässt, machte de Funès endlich auch einem grösseren Publikum zum Inbegriff des Komödianten.

Zu seiner Paraderolle par excellence geriet der pedantische Polizist Cruchot, den es in «Le Gendarme de Saint-Tropez» (1964), unvorhergesehen in höherem Auftrag aus der muffig dunkelsten Provinz in das angesagte Jetset-Mekka an der Côte d'Azur verschlägt.

Das Saint-Tropez des Louis de Funès ist der Gegenentwurf zur glamourösen Partywelt eines Gunter Sachs und Brigitte Bardot.

Ein um Sitte, Moral, üffentliche Ordnung umtriebig, einfallsreich besorgt subalterner Unterkommissar sieht sich mit dem Hedonismus der oberen Zehntausend konfrontiert. Im Gendarmen Cruchot vereinen sich viele Eigenschaften einer typischen Louis de-Funès-Figur.Ansatzlos Harsch im Umgang mit Kollegen und servil ergeben gegenüber seinem Chef, erweist er sich nach Dienstschluss als heillos überforderter Vater einer lebenslustig postadoleszent aufmüpfigen Tochter im heiratsfähigen Alter."Eine Braut, die sich jedem anvertraut, nur dem Herrn Papa nicht, schon gar nicht von Morgens bis Mittags in die Nacht"

Seinen unübersehbaren Erfolg feierte de Funès mit Gérard Ourys Komödie «La Grande Vadrouille» (1966), die über 17 Millionen Zuschauer in die Kinos lockte und als meistbesuchte französische Filmproduktion aller Zeiten erst 2008 von Dany Boons «Bienvenue chez les Ch'tis» abgelöst wurde.

Erzählt wird die abenteuerliche Flucht eines ungleichen Paares:

De Funès als Stardirigent der Pariser Oper und Bourvil als einfacher Malermeister müssen sich während des Zweiten Weltkriegs vor den deutschen Besatzern in die freie Zone Frankreichs retten. Vor allem jene Szene zu Beginn des Films, in der er als gestrenger Maestro eine Orchesterprobe leitet, unterstreicht die immense Bedeutung musikalischer Begleitung für die mimische und gestische Wirkungskraft von de Funès.

Besonders das Spätwerk des kleinwüchsig zierlichen Komödianten Louis de Funès überrascht durch seine visionäre Gesellschaftskritik, die bis heute nichts an Aktualität eingebüßt hat. So macht de Funès in «Les Aventures de Rabbi Jacob» (1973) eine wundersame Wandlung vom xenophoben Reaktionär zum Philosemiten durch.

Als Gourmetkritiker in «L'Aile ou la Cuisse» (1976) verteidigt er französische Kochkunst gegen die um sich greifende Fast-Food-Unkultur. Und in «La Zizanie» (1978) spielt er einen, wild gestikulierend, quirligen Kommunalpolitiker, der industrielles Wachstum fordert und fördert, wo er kann, und dabei wenig Verständnis für die Belange des Umweltschutzes aufbringt.

Auch Louis de Funès ist ganz anders, in seinen Rollen kommt er nur nicht dazu.

Denn privatim galt Louis de Funès, konservativ eingefärbt, als passionierter Rosenzüchter und Naturschützer.

Am 27. Januar 1983 ist «Fufu», Louis de Funès, 68-jährig in Nantes gestorben.

https://www.youtube.com/watch?v=LVflvODVDSg

Louis de Funès Interview 1978
Hochgeladen am 05.06.2008

http://www.andreasmaurer.ch/in..

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Geschrieben von

Joachim Petrick

Aktuelles: Meine sichere Route- Refugee-Airlift - Petition "Luftbrücke für Flüchtlinge in Not" an die MdBs des Bundestages erhofft Debatte

Joachim Petrick

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