Urteil vs Zschäpe als Vorstellung und Wille

Letzte Ausfahrt Gera R. Leys Film ist eine gewagte Annäherung an die mutmaßliche NSU-Terroristin B. Zschäpe und das während eines "Schwebenden Verfahrens", das seit 2013 gegen sie läuft

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Raymond Leys Film "Letzte Ausfahrt Gera" ist eine gewagte Annäherung an die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe und das während eines "Schwebenden Hauptverfahrens", das seit 2013 gegen Beate Zschäpe läuft


Das gibt mit Blick auf unsere verdassungsrechtlich verankerte Gewaltenteilung zu denken, Geht es hier um nicht legitime Einflussnahme zumindest auf ein zu erwartendes Urteil, wenn niicht gar Richtung eines Gerichtsdeals, wenn ja, in wessen Interesse, durch wessen Betreiben?

Das Betreiben des BKAs oder anderer staatlicher Dienste im Bunde mit Beate Zschäpes und deren Anwälten, dem öffentlich- rechtlichen TV- Sender ZDF als Vertreter der Vierten, der außergerichtlichen Gewalt und Macht hierzulande?

Regisseur Raymond Ley und seine Frau Hannah Ley als Drebuchautorin werden das ins Kalkül gezogen haben als sie sich an dieses brisante Projekt heranmachten.

Beate Zschäpe, die sich seit 2013 vor dem Staatsschutzsenat des Münchener Oberlandesgerichts wegen mutmaßlicher Mittäterschaft im "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) zu verantworten hat, gilt aufgrund ihrer andauernden Präsenz in den Medien als eine undurchsichtige Person, denn seit nahezu drei Jahren schwieg sie bis Dezember 2015 vor den Schranken des Gerichts.

Ihre Motive und Ansichten als mutmaßliche Mittäterin schweben in aufsteigenden Nebeln reiner Mutmaßungen anderer.

Folglich spürt die Öffentlichkeit hierzulande schmerzlich die Abwesenheit psychologisch fundierter Erklärungsmuster über die Person Beate Zschäpe.

Psychologisch- psychiatrischen Gutachtern verweigert sich Beate Zschäpe begründet, weil sie ja nicht auf verminderte Schuld plädieren, sondern am Tag, am 8. November 2011, an dem sie sich den Ermittiungsbehörden in Jena nach telefonischer Vorankündigung "ich komme nicht, um zu schweigen" gestellt hatte, schien sie wild zu umfassenden Aussagen entschlossen.

Spätestens seit Beate Zschäpe von bisweilen fünf Pflichtverteidigern vor den Schranken des Münchners Oberlandesgerichts eingehegt ist, hat sie, auf deren Anraten und Drängen, bisher weitgehend von Aussagen abgesehen.

Wie vermag eine Schauspielerin Beate Zschäpe, deren Stimme die Öffentlichkeit nie selber vernommen hat, auf einer solchen dünnen Wahrnehmungsbasis glaubwürdig als Person verkörpern?

Wenn nicht? und sie es unter kundiger Anleitung des Regisseurs Raymond Ley und seiner Frau Hannah Ley als Drehbuchschautorin doch tut?, mit welchem Ziel?, über eine Fiktionalisierung der Person Beate Zschäpe in der Öffentlichkeit ein Bild zu projezieren, das dazu taugt, auf das kommende Urteil oder einen Gerichtsdeal präjudizierend einzuwirken?

Urteil gegen Beate Zschäpe als Vorstellung und Wille?, wessen, Beate Zschäpe selber, deren Anwälten, der Angehörigen der NSU- Opfer, der Angehörigen Beate Zschäpes, des BKA, der Landesverfassungsschutzämter, der Innenministerien in Bund und Ländern, last but not least der Öffentlichkeit?

Denn das Urteil ist ja noch nicht gesprochen, der Gerichtsdeal, wenn überhaupt, nicht beschlossen

Raymond Ley und seiner Frau Hannah Ley haben sich einen Namen gemacht, der für sensiblen Umgang mit historischen Stoffen spricht.

Das war vor einem Jahr intensiv zu besichtigen, als die beiden in "Meine Tochter Anne Frank" die Geschichte des jüdischen Mädchens in Amsterdam aus der Perspektive des Vater-Tochter-Verhältnisses noch einmal ganz anders auf den Stoff eingehend zu erzählen wussten.

Hier geht es aber nicht um einen historischen Stoff, außer das Ziel dieses Doku- Films ist es, den Fall Beate Zschäße zu historisieren noch bevor der überhaupt in München zuende verhandelt ist.

Diesmal verweilt Ley & Leys Sichtachse, anders als im Doku- Film "Meine Tochter Anne Frank" in undurchdringlichen Neblen und muss es aus genannten Gründen in diesen versinken.

Deren Verdienst bleibt auf jeden Fall, die Öffentlichkeit mit ihrem Doku- Film über diese seltsame Dienstfahrt zweier BKA- Beamte nach Gera mit der Angeklagten Beate Zschäpe bildhat ins "Benehmen" zu versetzen.

Beate Zschäpe war in Köln-Ossendorf inhaftiert, als sie am 25. Juni 2012, in Begleitung zweier BKA-Beamten eine Hin- und Rückfahrt im Auto nach Gera in Thüringen zu ihrer kranken Großmutter machte, um sie zu besuchen.

Wie diese Fahrt, behördlich genehmigt, möglich war, bleibt im Unklaren. Welches Interesse hatte das BKA wirklich an dieser aufwendigen Fahrt mit zwei hochkarätigen Beamten, einem Verhörspezialisten, einer Profilerin?

Beate Zschäpe war gerade sechs Monate in Haft. War sie, unabhängig von ihren Anwälten, immer noch zu umfassenden Aussagen bereit, wenn ja, wollten die BKA Beamten ihre Aussagebereitschaft fördern, wie es der Film suggeriert, wenn Susanne Albrecht im Film als Beispiel eines kooperierenden RAF- Mitgliedes herangezogen wird, das umfassend aussagt und mildernde Umstände erwirkt, nach sechs Jahren gelockerten Freigang erhält, nach weiteren drei Jahren aus der Haft entlassen wird, während RAF- Mitglied Christian Klar, der beharrlich schweigt, nach vergeblichem Gnadengesuchen, zuletzt beim Bundespräsidenten Horst Köhler, 29 Jahre in Einzelhaft einsaß?

Um das zu unterstreichen, wird Beate Zschäpe auf der Autofahrt nach Gera, mit dem Hinweis auf 1800 Asservate in ihrer zerstörten Zwickauer Wohnung konfrontiert, die ja wohl erdrückend seien.

- Es hätte nur noch gefehlt, dass Beate Zschäpe, Jahrgang 1974, gefragt hätte, RAF kenne ich nicht, wer ist Susanne Albrecht, wer Christian Klar? -

Oder umgekehrt, wollten die BKA- Beamten Beate Zschäpe dringend von Aussagen abraten, weil sie fürchteten, durch ihre Aussagen könnten Netzwerke, Kontakte zu unterschiedlichsten Diensten im Bund, Ländern, In.- und Ausland offengelegt werden?

Davon erzählt der Film nichts, außer, dass ein kurzer Fragesatz fällt, was ist, wenn die Zschäpe Verbindungsfrau der rechtsextremen Szene in Thüringen und andernorts zu einem Landesverfassungsamt ist?

Hin und zurück acht Stunden auf der Autobahn nach Gera und zurück unterwegs. Zschäpes Anwälte hatten scih schriftlich ausbedungen, dass in dieser Zeit kein Verhör stattfinden dürfe.

Also zugestimmt haben Zschäpes Anwälte der "Dienst- Sause" schon.

Klingt das nicht nach Rückversicherung fürs Protokoll in den Akten?, wenn ja, ist die Fahrt nach Gera bereits Teil eines auf lange Sicht angebahnten Deals?

Warum ist denn keiner von Zschäpes Anwälten als Begleitung mit unterwegs nach Gera und zurück dabei gewesen?, weil es diesen besonders darum ging mit Hilfe des BKA Beate Zschäpe auf ihre Verteidigungslinie strickter "Aussageverweigerung" zu bringen?

Wie konnte es anders sein, die Fahrt nach Gera bot dem BKA- Verhörspezialisten, der Porfilerin günstige Gelegenheit niedrigschwellig im Plauderton, peu a peu, Hintergründe auszuleuchten über die Mordserie des NSU, über das Zusammenleben Beate Zschäpes mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt.

Die Beamten fertigten danach angeblich ein Gedächtnisprotokoll des Gesprächs an, das nun die Grundlage des Films liefert.

Wie kann das sein, das BKA liefert dem Film- Team, auf rechtlich mehr als ungesicherter Basis, ein Gedächtnsprotokoll zu einem "Schwebenden Verfahren" gegen Beate Zschäpe aus, das in fiktiv konstruierten Gerichtszenen des Films in Teilen zur Sprache kommt?

Im Mittelpunkt des Film- Skripts steht eine offene Situation. Joachim Król in der Rolle des BKA-Vernehmers bemüht sich mit robust väterich jovialem Charme, um möglichst harmlos angebahnte Smalltalk-Atmosphäre.

Zusammen mit seiner Kollegin (Christina Große) verwickelt er Beate Zschäpe (Lisa Wagner) in Gespräche über die Ostsee, Rostock, wo es anno mehr Sonne gibt als in München, das Wetter auf Fehmarn, wo Tschäpe lt. Akten wiederholt auf Campingplätzen mit den Uwes weilte, das Essen im Gefängnis, das Fernsehprogramm, das Rauchen, wie es der Großmutter geht?

Warum fragen Sie, Sie waren doch mit?, erhält der BKA- Verhörexperte von Zschäpe aufgeweckt als Antwort. Ich bin jemand, der nicht zu seinen Taten steht.

Beate Zschäpe erklärt in einer Szene auf Nachfrage, sie glaube nicht, dass sie durch Aussagen ihr Strafmaß verringern würde.

Der jüngere Bruder Uwe Böhnhardts sei noch zu DDR- Zeiten eines Tages, kein Knochen im ganzen Leib mehr ganz, tot vor der Haustür gelegen. Die Polizei habe sich nicht gekümmert, erzählt Beate Zschäpe leidenschatslos lakonisch. Die Frage des BKA- Beamten, ob das ein Auto- Unfall war, bleibt unbeantwortet

- Zwischendurch wird die SPIEGEL- Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen mit Statements eingeblendet -

Beate Zschäpes Oma wird in einer Szene in Anwesenheit der BKA- Beamten der für ihre Enkelin verhängnisvolle Satz in den Mund gelegt:

"Wenn Mundlos, Böhnhardt losgezogen sind, warst Du dabei?"

Seine Spannung bezieht der Film aus dem von Beate Zschäpe öffentlichen "Erwartungsbild", dass es ja immer nur ein winziges Detail braucht, was man so daherredet, um unvermttelt aus Versehen etwas auszuplappern, was man, was Zschäpe doch angeblich unbedingt verschweigen will.

Lisa Wagner gelingt frappierend, sich auf geradezu beängstigende Weise in die Beate Zschäpe als Frau der kurzen Dialoge, der langen Haare, zu verwandeln, die der Zuschauer zu kennen vermeint und im Doku- Film dazu mit sparsamen Gesten, unvermittelt empörten Blicken, lässiger Mimik, schleichend und behutsam genau das Gegenteil zu vermitteln, dass es womöglich gar kein Geheimnis um die Zschäpe geben könnte.

. Bei all meiner Kritik halte ich das "Spiel" der Lisa Wagner in der Rolle der Beate Zschäpe für eine wirklich gelungen schauspielerische Leistung.

In den Rückblenden, die von Zschäpes Zusammenleben mit Böhnhardt und Mundlos erzählen feiert die Fiktion gewagte Urständ.

Da werden Szenen mit Sätzen kommentiert, sinngemäß wie, anders als die RAF neigt der NSU nicht zu Bekennerschreiben, sondern schießt mitten ins Gesicht eines Opfers und verschwindet. Verfassungsschützer vor Ort raushalten, Kollegen latenten Rassismus überführen, wollen wir das?

Beate Zschäpe in einer Szene erstaunt, was, über meinen Fall wurde ein Buch geschrieben?

Der BKA- Beamte hat es sogleich zur Hand und übergibt es Beate Zschäpe auf der Rückfahrt im Auto, wir waren in Gera Shopping, haben es dort gekauft:

"Die schützende Hand", Denglers achter Fall, Wolfgang Schorlau?

Das Spekulative rückt in den Vordergrunf, wenn mit viel tätowiert blanker Haut die erotische Bindung des Trio- Infernals "belichtet" wird, der bierernste Lärm, der triefende Suff aus den Tagen des Untergrunds den Raum okkupiert.

Oder indem der Film Beate Zschäpe eine scheinbar dominante Rolle zuweist, wenn sie ihre zwei Uwes ziemlich humorfrei barsch kommandiert, in der Wohnung, auch nach irgendwelchen Mordkommandos, von denen sie angeblich erst später erfuhr, gefälligst ihre Springerstiefel auszuziehen und vor die Tür zu stellen.

Die Frau des KZ- Kommandanten Höss in Auschwitz soll auch in solchen Schuh- Angelegenheit durchaus humorfrei barsch geworden sein.

Da es den juristischen Begriff der "Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereingung" nach 1945 noch nicht gab, wurde die Gattin des KZ- Kommandanten Höss nie wg. Mittäterschaft am Holocaust belangt, während Höss in Warschau nach langem Verfahren und Urteil 1951 durch Erhängen hingerichtet wurde.

Anflüge irritierender Gangsterromantik nach Art von "Bonny & Cllyde" fließen auch in die Film- Erzählung ein. die im bizarren Kontrast zu den nüchtern nachgestellten Gerichtsszenen stehen, in denen Axel Milberg als Vorsitzender Richter mit altbackender Bedachtheit routiniert residiert.

Der Mut einiger Angehörigen der Opfer, die sich für diesen Film mit mehr als Statements vor der Kamera geäußert haben, ringt dem Zuschauer ergreifend hohen Respekt ab.

Die Schreckensbilanz des NSU und die seelischen Verwüstungen, die die neonazistische Organisation NSU hinterließ. die in den Worten, Gesten, der Mimik der Angehörigen der Opfer im Film anklingt, bleibt im Gedächtnis haften und fordert bleibendes Gedenken der Opfer ein.
Ulrike Baurethel fordert im Freitag "Knack die Zschäpe".

Was sollte an und in Beate Zschäpe geknackt werden können, wenn doch, nehmen wir einfach einmal ungeschützt an, Beate Zschäpe am 8. November 2011 nach dem Tod der beiden Uwes am 4.11.2011 in Eisenach mit ihrem ungestümen Willen zur telefonischen Selbstanzeige bei Thrüringer Ermittlungsbehörden in Jena,

"ich bin nicht gekommen, zu schweigen!",

von staatlichen Stellen gelinkt, um ihre Vorstellung und Willen, in die Kronzeugenregelung zu gelangen, bis heute, zu dunklem Zwecke, gebracht wurde und weiter wird?

Ist doch von Anfang an des Zschäpe Prozesses 2013 klar, wer hier geknackt gehört, ist nicht Beate Zschäpe zu Lasten des öffentlichen Interesses, der Nebenkläger, sondern sind bundesdeutsche Dienste, voran zumindest der MAD, der Verfassungsschutz, die Polizei in Thüringen, Hessen, Baden- Württemberg, Bayern, das BKA, der Generalbundesanwalt?
JP

"Letzte Ausfahrt Gera - Acht Stunden mit Beate Zschäpe". Di 26.1., 20.15 Uhr, ZDF

Phttp://www.rp-online.de/panorama/fernsehen/beate-zschaepe-zdf-film-letzte-ausfahrt-gera-mit-lisa-wagner-aid-1.5718202

ZDF-Film "Letzte Ausfahrt Gera"
26. Januar 2016 | 15.29 Uhr
Auf Zschäpes Spuren

http://www.abendblatt.de/kultur-live/article206965439/Im-Auto-mit-Beate-Zschaepe.html
26.01.16
Im Auto mit Beate Zschäpe
Von Felix Müller

https://www.freitag.de/autoren/ulrike-baureithel/knack-die-zschaepe
ULRIKE BAUREITHEL AUSGABE 0316 | 25.01.2016 | 06:00 8
Knack die Zschäpe

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Geschrieben von

Joachim Petrick

Aktuelles: Meine sichere Route- Refugee-Airlift - Petition "Luftbrücke für Flüchtlinge in Not" an die MdBs des Bundestages erhofft Debatte

Joachim Petrick

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