Warten in Budapest auf strafbewehrten Rüffel aus Brüssel.

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Warten in Budapest auf strafbewehrten Rüffel aus Brüssel.


Nicht Warten auf Godot?


Die rechtskonservative ungarische Regierung riskiert krawall gebürstet in Europa medinepolitisch unerhörten Skandal: Ausgerechnet kurz vor Beginn des EU-Ratsvorsitzes hat das EU- Land Ungarn wie ein Elefant im Porzellan Laden eine Verschärfung des Medienrechts mehrheitlich im Parlament durchregiert..
Die Kritik aus dem EU- Parlament klingt verhalten respektabel deutlich, wird die Kritik aber auch strafbewehrt sein?:
"Wir werden Ungarn sehr genau an den europäischen Standards zur Pressefreiheit messen", sagte der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, Martin Schulz, der "Frankfurter Rundschau". Sollten diese nicht erfüllt werden, werde Budapest "große Probleme bekommen".

Der Außenminister Luxemburgs, Jean Asselborn, drängt die Europäische Kommission, sofort gegen die neu geschaffene Mediengesetzeslage der ungarischen Regierung vorzugehen.
"Die Pläne verstoßen klar gegen den Geist und die Worte der EU-Verträge", sagte Asselborn. Halte Ungarn an den Plänen fest, stelle sich die Frage, ob das Land "würdig" sei, am 1. Januar die halbjährliche EU-Ratspräsidentschaft zu übernehmen."

Das skandalöse wie umstrittenen Mediengesetz, das in der Nacht zum Dienstag vom Parlament in Budapest mehrheitlich verabschiedet wurde, schreibt in der Verfassung weitreichende Befugnisse für die Medienbehörde NMHH vor. Demnach darf der Präsident der NMHH, ohne parlamentarische Kontrolle, eigenmächtig Verordnungen und Vorschriften erlassen.

Davon abgesehen ist die Einrichtung eines sogenannten Medienrats vorgesehen, dem fünf Mitglieder der rechtskonservativen Regierungspartei Fidesz angehören sollen. Das Gremium wird Rundfunkbetriebe, Zeitungen und Zeitschriften überwachen und mit hohen Geldbußen belegen dürfen. Journalisten müssen dem Gesetz zufolge ihre Quellen offenlegen, wenn es um Fragen der nationalen Sicherheit geht.

Asselborn forderte einen sofortigen Stopp des Gesetzes. "Dies ist eine direkte Gefahr für die Demokratie. Hier wird die Meinungsbildung unter die Kontrolle des Staates gestellt." Etwas Schlimmeres könne es in einer Demokratie nicht geben.

Der rechtspopulistische Bund Junger Demokraten, Fidesz, regiert das EU-Land Ungarn seit den Wahlen im April 2010 mit einer Zweidrittelmehrheit. Mit dieser Mehrheit kann scheinlegal die Verfassung geändert werden. Der Parteichef, Ministerpräsident Viktor Orbán, leitet unabdinglich eine Wende nach ganz rechts ein.
Ein neues "System der nationalen Zusammenarbeit" soll die vermeintlich chaotische Nachwende-Demokratie aauf den Müll der geschichte katapultieren.

Die Kontrollbefugnis des Verfassungsgerichts wurde bereits eingeschränkt. Über neue Gesetze und Verfassungsänderungen nahm die Regierung jetzt die Medien an eine sehr rigide kurze Leine. Im nächsten Jahr will die Fidesz-Partei zudem eine neue Verfassung durch das Parlament pauken, die auf die Machtansprüche dieser Partei zugeschnitten sein wird.

Zeitungen und Onlinedienste müssen im Falle eines Schuldspruchs bis zu 90.000 Euro hinblättern, private Fernsehsender sogar 750.000 Euro. Eine solche Summe würden kleinere Zeitungsredaktionen nie aufbringen können, aber auch größere dürften mit solchen Urteilen in die betriebliche Insolvenz gezwungen werden.

Die ungarische Medienmitarbeiter wirken jetzt schon eingeschüchtert. In den Redaktionen geht die Angst um, gefeuert zu werden, wenn man eine Geldstrafe verschuldet.
Was darf man sich eigentlich noch erlauben? Die Vorschriften dazu sind so klar wie Kloßbrühe formuliert, dass nur die Mitglieder der Medienbehörde wissen, was ab dem 1. Januar 2011 in Ungarn noch geschrieben, gesagt, gefilmt und gezeigt werden darf.

Die Mitglieder der neuen Kontrollinstanz NMHH sind durchgehend alle von der Regierungspartei Fidesz nominiert worden, die wenigsten verfügen über Berufserfahrung in und mit den Medien. Die Vorsitzende der NMHH, Annamária Szalai, wurde von Ministerpräsident Viktor Orbán persönlich ausgewählt. Sie soll neun Jahre, nahezu zweieinhalb Legislaturperioden, im Amt bleiben. Vorgestern entschied das ungarische Parlament außerdem, dass Szalai selber, außerhalb jederr rechtstaatlichen Kontrolle, willkürlich wie eigenmächtig Verordnungen und Vorschriften erlassen kann.

Wo bitte schön, bleibt der strafbewehrte Rüffel aus Brüssel als Dringlichkeits- Depesche auf dem Weg nach Budapest?.

JP

siehe:

Ein Maulkorb für Ungarns Medien - taz.de
www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=a2&dig=2010%2F12%2F22%2Fa0039&cHash=a20774dig
22.12.2010

Ein Maulkorb für Ungarns Medien
PRESSEFREIHEIT Ungarns Parlament verabschiedet restriktives Mediengesetz. Eine neue Behörde wacht über Inhalte

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Joachim Petrick

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