Jubel und Katerstimmung

Präsidentenwahl in Polen Erstes inoffizielles Wahlergebnis: Andrzej Duda gewinnt knapp vor Rafal Trzaskowski. Die noch fehlenden Stimmen ändern nichts mehr am Wahlergebnis

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Rafał Trzaskowski
Rafał Trzaskowski

Foto: Omar Marques/Getty Images

Die am Ende der Stichwahl, am Abend des 12. Juli veröffentlichte Prognose auf Basis von Umfragewerten (Exit Poll) mit 50,4 % für Duda zu 49,6 % für Trzaskowski hätte nicht knapper sein können. Zu diesem Zeitpunkt waren noch keine Stimmen ausgezählt, allen Zahlen lagen lediglich Wählerumfragen zugrunde. Dennoch feierte der öffentliche Sender TVP Info den Amtsinhaber Andrzej Duda bereits gestern Abend als Wahlsieger.

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Die Wahlbeteiligung lag bei rund 68 %. Dieser Rekordwert zeugt davon, dass die Polen diese Wahl als eine Schicksalswahl wahrgenommen haben. Die letzten Wochen des Wahlkampfs machten deutlich, wie sehr die polnische Gesellschaft zerrissen ist. Die politische Trennlinie verläuft interessanterweise zwischen Ost und West. Während die östlichen Gebiete des Landes mehrheitlich für Andrzej Duda stimmen, positioniert sich der Westen für dessen Gegner Rafal Trzaskowski.

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Die Trennung in zwei gegnerische politische Lager war schon während des gesamten Wahlkampfs stark spürbar und wurde durch eine aufgeheizte Kampagne von beiden Seiten verstärkt. Die Geister scheiden sich entlang unterschiedlicher thematischer Punkte aber auch entlang ihrer Altersgruppe. Trzaskowski führt eindeutig bei den jüngeren Wählern bis 49 Jahre, Duda bei den älteren jenseits der 50.

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Während die Befürworter von Duda eine Fortführung der großzügigen Sozialpolitik der PiS herbeisehnen und die mit Nationalstolz und Patriotismus aufgeladenen Töne von Duda und PiS gutheißen, hofften die Wähler von Trzaskowski auf einen liberalen Präsidenten, mit einer europafreundlichen Linie, der die Eingriffe in die Verfassung im Rahmen der geplanten „Justizreform“ verhindert und auch andere demokratiegefährdende Projekte der PiS Regierung, wie z.B. die angekündigte „Repolonisierung“ der Medien abwendet.

Dass die Medien eine entscheidende Rolle im Wahlkampf spielten ist unbestritten. Schwere Verstöße gegen das Pluralismus-Prinzip und Unparteilichkeit in den öffentlich-rechtlichen Medien TVP und Polskie Radio, spalteten die Gesellschaft noch weiter. Die Hochglanzkampagne für den Wunschkandidaten Andrzej Duda, dem ein Großteil der Sendezeit und kritiklose Berichterstattung geschenkt wurde, überraschte niemanden. Währenddessen wurde der Gegenkandidat mit teilweise völlig aus der Luft gegriffenen Vorwürfen konfrontiert und stets im schlechten Licht dargestellt, ohne die Möglichkeit selbst zu den Aussagen Stellung zu nehmen.

Auf diese Mißstände in den öffentlich-rechtlichen Medien, kurz vor der zweiten Stichwahl angesprochen, hat Duda keine klare Antwort. Er gibt zwar zu, dass die Situation nicht gut ist, aber sofort schiebt er die Schuld den politischen Vorgängern zu, die „in dieser Sache nichts unternommen haben“. So, als wäre die PiS nicht schon seit 5 Jahren die regierende Partei im Land und er selbst auch nicht bereits seit Jahren im Amt. Duda bedauere es zudem sehr, dass die „politischen Parteien keine Lösung des Problems ausarbeiten und vorlegen“. Als der Interviewpartner Karol Paciorek darauf hinweist, dass nicht Politiker sondern unabhängige Medienexperten und Journalisten ein Reformprojekt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausarbeiten und vorlegen sollten, reagiert Andrzej Duda mit dem Ausruf „Chapeau!“ (ab Min. 40)

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Einen ähnlich nachlässigen oder vielleicht besser gesagt, gefährlichen Zugang, präsentiert Duda in seiner Auslegung des Umgangs mit Minderheiten in einer Demokratie (ab Min. 59). Seinem Verständnis nach entscheidet in jedem Fall die Mehrheit über die Minderheit, und diese muss damit vorlieb nehmen, denn es ist in seiner Auffassung nicht in Ordnung, wenn eine Minderheit versucht „auf offensive Weise Akzeptanz für ihr Verhalten zu bekommen, das aus der privaten in die öffentliche Sphäre übergeht“. Damit sind die Forderungen der LGBT Gemeinschaft nach einer Gleichstellung in der Gesellschaft, z.B. in Form einer gleichwertigen Anerkennung ihrer Partnerschaften oder der Berücksichtigung im Rahmen von Sexualubildung an Schulen. Dieses sensible Thema war eines der Hauptangriffslinien, in der aggressiven Wahlkampagne der PiS. „Du kannst bestimmen, wenn du die Wahlen gewinnst. Wenn du gewinnst, kannst du die Gesetze ändern, nur musst du zuerst gewinnen, denn es regiert die Mehrheit, nicht die Minderheit“, so Präsident Duda im Interview. Donald Trump könnte sein Verständnis von Demokratie nicht besser in Worte kleiden.

Bereits angekündigte Schritte der Regierung wo nun auch die Zustimmung des amtierenden Präsidenten erwartet werden kann, sind die umstrittene „Justizreform“ und „Repolonisierung der Medien“ also ein Versuch, ausländische Investoren aus dem polnischen Medienmarkt zu verdrängen. Ein weiteres Ziel ist die Reform der kommunalen Selbstverwaltung der Städte, die grundlegend die Hochburgen der Opposition in Polen darstellen.

Eine Demoralisierung und Katerstimmung bei der Hälfte der Wähler des Landes ist heute bittere Realität. Umsonst war ihre große Mobilisierungsbewegung. Nicht nur die Emotionalisierung und fehlende Sachlichkeit, aber auch eine fehlende Spitzenkandidaten-Debatte, war ein Sinnbild für den Zustand der Gesellschaft. Statt sachlicher Information, Inhalten und Dialog, hat man den Bürgern Schmutzkübeln und mediale Manipulation aufgetischt. Für wen das ein Sieg und für wen eine Niederlage war, wird sich erst erweisen.

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