Ein Teil des Ausbaus des Großraumjets A-380 soll nach Beschluß vom 23.Juni 2000 von EADS (*) in Hamburg-Finkenwerder erfolgen. Hamburg erfüllte besser als andere (z. B. Rostock) die Bedingungen des Konzerns. Dazu muß das vorhandene Betriebsgelände der DASA in Hamburg-Finkenwerder erweitert werden, was bedeutet, ein Naturschutzgebiet von europäischem Rang aufzuhöhen und infrastrukturell zu erschließen. Die Planungs- und Vorbereitungskosten durch Hamburg belaufen sich insgesamt auf 1,3 Mrd. DM (Steuermittel). Zusätzlich subventioniert der Bund mit 2 Mrd. DM das Projekt (Spiegel 3/2001).
Der Konflikt
Der Hamburger Senat erteilte die Genehmigung für den vorzeitigen Baubeginn im Mühlenberger Loch. Dagegen legten Bürgerinitiativen Beschwe
en legten Bürgerinitiativen Beschwerde beim Verwaltungsgericht Hamburg ein, dem zur allgemeinen Überraschung stattgegeben wurde. Der Senat legte seinerseits Widerspruch beim Oberverwaltungsgericht ein. Der Fall ist eng mit europäischem Recht verknüpft und auch sonst sehr kompliziert. Trotzdem steht das OVG unter einem ungeheuren öffentlichen Druck, bis zum 15.2.01, also ungewöhnlich schnell seinen Spruch zu fällen.Vorläufiger Höhepunkt der Kampagne der Appell einer Allianz aus Wirtschaft und Gewerkschaften, in der es heißt, zwischen Gewerkschaften und Unternehmensverbänden passe kein Blatt Papier in der Frage um den Bau des Super-Air-Bus A 380 in Hamburg (HA = Hamburger Abendblatt v. 27./28.1.01).Überregional interessant und einer gründlichen Debatte wert ist,- daß mit der EADS- Entscheidung für den Super-Airbus (Post-Jumbo-Klasse) das letzte us-amerikanische Monopol im Militär- und Zivilflugzeugbau gebrochen werden soll.- daß Deutschland auch diesbezüglich endlich als Großmacht anerkannt wird.- daß die norddeutschen Regierungschefs davon träumen, an der Unterelbe eine Technologieregion zu etablieren, die sich mit dem Boeing-Standort Seattle und der Airbus-Zentrale Toulouse den Weltluftfahrzeugmarkt teilt.- daß die "Jahrtausendentscheidung" für eine Teilfertigung des A 380 in Hamburg die "patriotische" Verpflichtung mit sich bringt, kleinkrämerische Bedenken zurückzustellen.- daß eine Arbeitsplatzsegen von 2.000 bis 26.000 Jobs auf dem Spiel steht und eine Bestätigung des Baustopps im Mühlenberger Loch durch das Oberverwaltungsgericht Hamburg zu "erdbebenähnlichen Erschütterungen in ganz Norddeutschland" führen würde, und "hier das Bestehende zusammenbricht" (Handelskammerpräsident Schües im HA v. 27./28.1.01).Alles diese Aussprüche, sind der veröffentlichten Diskussion um die Airbus-Produktion in Hamburg entnommen.Boeing kalkuliert mit einem weltweiten Bedarf von ca. 600 Flugzeugen der Post-Jumbo-Klasse, Airbus mit ca. 1.200 Flugzeugen und hat mitgeteilt, dass zwei Jahre vor Auslieferung des A 380 eine gestreckte Version des Jumbo B 747 ausgeliefert werden könnte. Naiv, wer glaubt, dass sich Boeing kampflos letzte Monopol abnehmen lässt. Einer der härtesten Preis(dumping)-Kämpfe der neueren Industriegeschichte ist zu erwarten.Ist es unter diesen Voraussetzungen ausgeschlossen, dass der Flugzeug-Produktionsstandort Hamburg kein Subventionsfall für die öffentliche Hand wird?Beängstigend ist, wie leicht sich eine patriotische gestimmte (veröffentlichte) Einheitsmeinung bilden lässt, die entgegen aller praktischer Erfahrung einer Fata Morgana (Spiegel 3/2001) hinterläuft und bereit ist.Viele Menschen, auch solche, die sich die Fähigkeit des kritischen Denkens bewahrt haben, fragen angesichts der Arbeitsplatzprobleme in der Region, ob es denn wirklich eine Alternative zur Industrieflächenerweiterung in das Mühlenberger Loch gegeben habe.Erst wenn sie anfangen nachzudenken,- daß einer der reichsten Konzerne der Welt (DaimlerChrysler mit 30% Anteilen am EADS-Konzern) sich aus Steuermitteln subventionieren lässt, ohne dass er selbst vertragliche Verpflichtungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen übernimmt,- über die Arbeitsplatzbilanz in der Region, wenn nämlich das "Alte Land" durch Industrie und Straßen (Autobahn ist im Bau) als Obstanbaugebiet und als Freizeit- und Erholungslandschaft seine Attraktivität verliert - und damit der "Standort" Hamburg eine bedeutende Attraktivität verliert,- warum die Politik ihre Subventionsbereitschaft nicht an die Bedingung geknüpft hat, das wahrlich bedürftige Mecklenburg-Vorpommern an der Produktion des Flugzeugs zu beteiligen,- dass vor dem ökonomischen Erfolg des Super-Airbus erst mal der Preiskampf mit Boeing gewonnen werden muß- welche ökologischen Risiken lokal, regional und global durch den Bau und den Betrieb von immer mehr Flugzeugen verursacht wird,kommt Verständnis für den Spruch des Verwaltungsgerichts Hamburg auf, das den sofortigen Baubeginn zunächst gestoppt hatte - denn so sicher, wie allgemeinhin dargestellt, ist die Airbus-Story wohl doch keine Erfolgsstory.Da sich nur sehr wenig Menschen - mangels aufklärender öffentlicher Diskussion - solche Gedanken machen, war es ein Schock für die gesamte politische Klasse (einschließlich der Grün-Alternative Liste in Hamburg) als das VG Hamburg den Stop der vorgezogenen Vorbereitungsarbeiten für die Teilzuschüttung des Mühlenberger Lochs verfügte.Es ist ein bekanntes Muster, daß die etablierte Politik sich von großen Projekten bedeutende wirtschaftliche Segnungen für ihre Regionen versprechen. Für die Unterelberegion sei hier nur an die große Industrieansiedlung in Brunsbüttel erinnert, wo in Erwartung eines großindustriellen Aufschwungs pro - wie sich hinterher herausgestellt hat - eingerichtetem Arbeitsplatz ca. 3 Mio DM staatliche Subventionen geflossen waren.Die Diskussion der letzten zwei Wochen um die Airbus-Erweiterung in das Mühlenberger Loch ging vorrangig über die Interpretation dessen, was "gemeinnützig" sei. Es entsteht der Eindruck, als ob die Exekutive nach eigenem Ermessen feststellen kann, ob ein Vorhaben das Gemeinnützigkeitsetikett verdient (siehe die verschiedenen Schreiben der Ministerpräsidenten an den Senat sowie die Zustimmung der EU-Umweltkommissarin zur Beeinträchtigung des nach europäischem Recht gemeldeten Schutzgebietes).Problematisch in diesem Zusammenhang ist, dass eine Behörde als Antragstellerin für ein Vorhaben auftritt, das die Erweiterung eines privaten Industriebetriebs zum Ziel hat. Wenn es aktuell erhebliche Irritationen um die Zukunft des Projektes gibt, dann steht der hamburgische Senat aus sozialdemokratischen und grünen Politiker/-innen buchstäblich im Regen, während EADS/DASA relativ unbeeindruckt zur Kenntnis gibt, daß dann eben der neue Airbus nicht unter Hamburger Beteiligung endgefertigt wird.Gleichgültig, wie der Konflikt in nächster Zeit ausgeht: das politisch-administrative System ist beschädigt. Entweder- der "Staat", der als uneffektiv, voreingenommen und sachlich unzureichend präpariert ins Verfahren gegangen ist- oder die Justiz, die entweder eine regionale Jahrtausendchance zerstört, weil engstirnige Umweltschützer und auf eigene Vorteile bedachte privilegierte Bevölkerungsteile die Naturschutzbestimmungen auf intelligente Weise missbrauchen, oder weil sie, sollte sie in der höheren Instanz dem Senat folgen, sich dem Druck der veröffentlichten Meinung gebeugt und somit ihre Unabhängigkeit verraten habe,- oder der Umwelt- und Naturschutz, der entweder unterliegt oder mit dem Vorwurf lächerlich gemacht wird, dass dann eben über dem Mühlenberger Loch die Löffelente fliegt, während über Toulouse der König der Lüfte sich erhebt (Hamburger Morgenpost).Daß es keinerlei Handlungsalternative gegeben hätte, ist nach bisherigem Kenntnisstand sehr unwahrscheinlich. Warum konnte dieser Kollateralschaden einer alltäglichen Geschichte nicht vermieden werden?Die Rolle des "Experten" bei EntscheidungenNiemand geringeres als der Sachverständigenrat für Umweltfragen äußert sich im Jahresgutachten 1994 zum Expertentum (ebda. S. 160, insbes. Ziff. 383), was sehr gut in den hier skizzierten Zusammenhang passt: "Der Experte gilt für viele eben nicht mehr als der unabhängige Sachverständige, sondern vermittelt bei ihnen eher die Vorstellung des Interessenvertreters, der sich zum Erfüllungsgehilfen bestimmter vorgefaßter gesellschaftlicher, ökonomischer oder politischer Zielsetzungen macht. (...) Dabei ist (...) gleichgültig, ob der jeweilige Experte in seinem Denken selbst ideologisch so befangen ist, daß er gegebene Tatsachen nur noch selektiv wahrzunehmen und einzuordnen vermag, oder ob er sich schlichtweg kaufen läßt und damit sogar gegen besseres Wissen handelt. (...) Der Experte wird dann vom Entscheidungsträger nicht nach Kompetenz, sondern nach vermutetem Konsens ausgesucht".Der Sachverständigenrat, als linksradikale Ökogruppe gänzlich unverdächtig, skizziert in diesem Abschnitt einen allgemein zu beobachtenden Zustand, der insgesamt geändert werden müsse. Ich möchte diesem Diktum nichts weiteres hinzufügen.(*) EADS = European Aeronautic Defense and Space Company - 30% DaimlerChrysler, 30% franz.Staat/Firma, 5,5% spanisches Unternehmen, 30% Streubesitz vgl. HA vom 24./25.6.00 "Der Börsengang"BerichtigungVersuchen wir es mal mit der Umkehrung des bekannten Impressums: "Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht die Meinung der Redaktion wieder." Dann heißt es: Redigierte Beiträge geben nicht die Meinung der Autoren wieder. So geschehen bei diesem Artikel, der in stark überarbeiteter fassung in der Printausgabe unter der Autorenangabe Jochen Hanisch erschien. Er und der eigentliche Autor, Jan Rosenkranz, legen Wert darauf, dies richtig zu stellen. Deshalb hier die Korrektur und mit einem Verweis zur Überarbeitung:
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