Er glaube nicht, dass das noch irgendjemand interessiere, meinte Buback-Labelchef Thorsten Seif, als er F.S.K. im letzten Jahr gemeinsam mit Kolossale Jugend-Altheld Kristof Schreuf und den Ewig-Widerborsten Goldenen Zitronen auf Labeltour schickte. Es ging um den vor Jahren verstorbenen Radio-DJ John Peel und dessen Vorliebe für die deutsche Band F.S.K., um die Relevanz derlei Musiknerd-Backgrounds für das aktuelle Tagesgeschäft eines Labels, das zu den ganz wenigen im Lande gehört, die nach mehr als 15 Jahren immer noch wichtig sind, weil sie früher als andere die Zeichen der Zeit erkannten und gleich alles selbst in die Hand nahmen: Künstler entdecken, betreuen, Platten verkaufen und Touren organisieren.
Das Plus für Buback fahren heutzutage Deichkind und Jan Delay ein, aller Jubeljahre rettet vermutlich ein neues Tocotronic-Album die Bilanz. Mit F.S.K. jedenfalls ist ganz sicher kein Label zu finanzieren, nicht mal die Band selbst, deren Stammmitglieder längst in mehr oder weniger sicheren Kulturbetriebsjobs sind. Trotzdem gibt es ein neues F.S.K.-Album auf Buback und in solchen Momenten weiß man, warum es denn doch noch Labels braucht, die von Menschen betrieben werden, die auch mit einer Mischkalkulation leben können. Weil es Platten gibt, die die Welt braucht – selbst wenn den größten Teil dieser Welt das gar nicht wirklich interessiert – und weil sich irgendjemand mit Herz und Verstand um all das kümmert, was mit der großartigen Musik erstmal nichts zu tun hat, das ganze verdammte Marketing, das Herumschlagen mit den Bookern da draußen, die Buchhaltung der paar Verkäufe.
Akt, eine Treppe hinabsteigend heißt das neue Album der F.S.K., es ist ein wahrer Irrgarten in der Referenzhölle: Marcel Duchamp, Klarsfeld und Kiesinger, Paris und Düsseldorf, Josephine Baker und Lady Chatterley. Es ist natürlich auch ein makelloses Album voller unglaublich schöner Tracks, deren Eleganz und Lässigkeit sich jenseits aller modernistischen Anbiederung entfaltet. Man erwartet indes nichts anderes von dieser seit Jahr und Tag unbekanntesten weltberühmten deutschen Band, die ein gutes Stück in John Peels Plattenregal füllen dürfte – was man vielleicht sogar überprüfen kann, wenn am 5. Juni der Buchstabe F dran ist bei der Enthüllung seines Archivs. (Wobei zu befürchten steht, dass die alphabetische Zuordnung der veröffentlichten jeweils ersten hundert Alben pro Buchstabe nicht ganz bis zu FSK oder Freiwillige Selbstkontrolle reicht.)
30 Jahre nach dem Fluch-und-Segen-Überhit
Was man von Kevin Rowland erwarten konnte, wusste bis heute niemand. Volle 27 Jahre sind seit dem letzten Album der Dexys Midnight Runners vergangen, es ist eine irre lange Zeit, in der die Popmusik gleich mehrere Revival-Zyklen erlebt hat, in der sich das Prinzip, Musik herzustellen und zu verbreiten, auch sie zu gebrauchen, auf so grundlegende Weise gewandelt hat, dass man eigentlich nicht zu glauben wagte, dass One Day I’m Going To Soar zu etwas anderem taugen könnte, als der endgültigen Selbstdemontage. Rowland selbst ist dafür schon mächtig in Vorleistung gegangen, als er 1999 beim Reading-Festival in Kleid und High Heels einen der legendärsten komplett verkorksten Bühnenauftritte aller Zeiten hingelegt hat. „Damals war ich verrückt“, sagt er heute einfach und es ist eines dieser gar nicht so alltäglichen kleinen Wunder der Popgeschichte, dass die Dexys (wie sie sich jetzt nennen) 30 Jahre nach dem Fluch-und-Segen-Überhit „Come On Eileen“ tatsächlich Musik aufgenommen haben, die nicht peinlich, belanglos oder einfach nur egal ist.
Kevin Rowland trägt jetzt keine Frauenkleider mehr, sondern seltsam zeitlos ausgebeult wirkende 40er-Jahre-Anzüge mit Hosenträgern und breitkragigem Hemd, eine Art Rücktransformation der Working-Class-Kluft der vormaligen Dexys in eine noch allgemeingültigere äußere Form, was auf die Musik selbst sowieso zutrifft. Eine gewisse abgehangen-schmuddelige Eleganz zeichnet die Songs aus, in denen es um die Traumata von Liebe, Selbstmitleid und Selbstfindung geht, eine unaufgeregte Abgeklärtheit, die man angesichts der nicht eben wenig komplexbehafteten Geschichte dieser Band eigentlich nicht erwarten durfte.
Natürlich gibt es keine höhere Macht, die diese beiden Alben auf Buback in einen Monat presst, diese Fort- und Neuschreibungen von Bands und deren Musik, die mit dem immer schneller drehenden Zirkus des normalen Musikbusiness eigentlich nur noch wenig zu tun haben. Aber es ist dann eben doch eine Gelegenheit, die einem wieder einmal vor Augen führt, dass Popmusik bei aller Revival-Hysterie und hektischem Ausgeblutetwerden, bei aller aussichtslosen Lage und angesichts noch einige Zeit dauernder verzweifelter Rückzugsgefechte gegen Alter und Relevanzverlust immer noch mögenswert ist. Besser verstehen kann das wiederum, wen zum Beispiel immer noch interessiert, was John Peel dachte.
F.S.K.Akt, eine Treppe hinabsteigend ist schon erschienen, DexysOne Day Im Going To Soarerscheint am 8. Juni bei Buback.
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