Einen Monat gibt es jetzt das zweite Album von Wanda, man kann sich ruhig mal ein bisschen Zeit nehmen bei dem Thema, das rennt einem schließlich nicht weg. Eher im Gegenteil. Seit gerade mal einem guten Jahr sind die Österreicher überhaupt erst im öffentlichen Bewusstsein gelandet. Besser: eingeschlagen. Wenige Bands fallen einem ein, die so schnell in aller Munde waren, deren Albumtitel „Amore“ als eine Art Eingeweihten-Parole funktionierte, bei der erstaunlich viele die Augen entzückt verdrehten. Jetzt, mit „Bussi“, ist das Quintett immerhin schon in Major-Sphären aufgerückt, mit so etwas wie einem richtigen Etat, richtiger Promotion und Artikeln, die nicht mehr nur in Blogs stattfinden, sondern in dem, was man früher mal Musikpresse nannte.
Aus Sicht des Musikkritikers ist die Sache klar. „Da sind die Sterne, ein Licht brennt in der Kaserne.“ Das sind Texte, bei denen sich einem die Fußnägel hochrollen, auf einem grauenhaften Schunkelrock. Wanda sind ästhetisches NoGo-Area. Und man kommt bei näherer Beschäftigung gar nicht umhin, festzustellen, dass ihr zweites Schnellschuss-Album ganz augenscheinlich sogar nur noch eine thematische und songwriterische Resterampe ist. Nur: Künstlerische Substanz an sich war noch nie eine hinreichende Bewertungsgrundlage der Popkultur. Schon gar kein Erfolgskriterium. Und der Erfolg von Wanda steht außer Frage – nicht in einem streng kommerziellen, massenpopkulturellen Sinn, soweit sind sie denn doch noch nicht. Aber bei relevanten Teilen von „Indiepublikum“, das in Wanda etwas zu erkennen scheint, das es derzeit anderswo in der deutschsprachigen Popmusik nicht zu finden vermag.
Man kann die permanent kommunizierte Außenwirkung von Wanda schnöde zusammenfassen: harte Bühnenarbeit, hartes Trinken, weiches Herz, weicher Dialekt. Und Schweiß. Schweiß ist wichtig für Wanda. Schweiß ist wieder im Aufwind, steht für das „ehrliche“, „authentische“ Kumpelding. Wer bei der Arbeit schwitzt, kann kein schlechter Mensch sein, schon gar nicht im Rock’n’Roll – das zumindest rufen einem Wanda im Subkontext bei jeder Gelegenheit zu. Wer mit Popmusik sozialisiert ist, kennt Schweiß, er gehört dazu, gerade im voll gepackten Club, in dem man seit dem Rauchverbot nicht viel anderes hat, das einem beweist, wie gut es gewesen sein muss, wenn man am nächsten Tag die Klamotten begutachtet, die man getragen hat. Schweiß ist der Mythos, der nach sex & drugs noch übrigbleibt. Der letzte Rest an gesellschaftlicher und ästhetischer Dissidenz, der noch nicht entgratet wurde, seit man Drogen nicht mehr zur Bewusstseinserweiterung nimmt oder zum gesellschaftlichen Ausstieg, sondern für den Aufstieg, als Effizienzverstärker, zur Optimierung von Glücksempfinden und Leistungsfähigkeit. Als Durchhalte-Panzerschokolade in der Uni. (Man muss wissen, dass Wanda gern bei Studentenfestivals gebucht werden, man findet dort offensichtlich so etwas wie eine Kernzielgruppe.) Für Exzess ist kein Platz im Bologna-Unileben. Aber dafür gibt es ja Wanda. Die saufen, spielen sich den Arsch ab, sind kein bisschen distanziert, geben immer alles, so scheint es. Wanda sind die Exzess-Stellvertreter, ein textlich ausreichend diffuses und musikalisch leicht zugängliches Überdruckventil der Anpassungsgesellschaft, das obendrein punktgenau den Zeitgeist eines „Das wird man ja wohl sagen dürfen!“ trifft.
In der Wanda-Welt können Jungmänner unfassbar schlecht aussehende Klamotten tragen, sie dürfen nach Schweiß stinken, dämliche Sachen über Frauen sagen und quasi aus Versehen die neue Vorzeige-(weil vorzeigbare)-Antifeministin Ronja von Rönne im Video platzieren. Es ist dieselbe Kulturgrundierung, die man sonst bei den Martensteins, Matusseks und Nuhrs findet, als Feuilleton getarntes Ressentiment, ein Aufstand alter Männer und alten Denkens. Wanda machen diesen Ungeist in die Popkultur hinein anschlussfähig, gerade auch bei Leuten, die sich selbst keineswegs als konservativ und reaktionär empfinden. (Amazon weiß, „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch: AnnenMayKantereit, The Libertines, Beirut, Tocotronic, Naked Lunch, Julia Holter.“) Und man weiß gar nicht so Recht, ob die Tatsache, dass bei Wanda (anders als zum Beispiel bei den eiskalt berechneten Provokationen von Frau Rönne) dahinter kein reines Kalkül zu stecken scheint, die Sache noch ekliger macht, als sie ohnehin schon ist. Wanda passen perfekt in einen Popmusik-Kontext, der ästhetischen nahtlos mit ideologischem Rollback verbindet. Allerdings und das gibt wenigstens in diesem konkreten Fall ein wenig Hoffnung: Lange dürften Wanda es als Band in dieser Intensität ohnehin nicht mehr machen. Die Luft ist schon mit dem zweiten Album sogar für Fans erkennbar raus, das unablässige Touren hält auch der strammste Mittzwanziger nicht ewig aus. Oder anders formuliert: Ihr hattet euer Jahr. Jetzt verpisst euch wieder.
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