Es gibt diese eine kleine Szene, die eigentlich alles in Perfektion zusammenfasst, was man zu Bryan Ferry sagen könnte: Kate Moss kniet vor dem – wie immer tadellos gekleideten – Musiker und lässt sich ein Autogramm auf das erste Album von Roxy Music geben. Auf die Vinylversion, versteht sich. (Kate Moss wurde übrigens erst zwei Jahre nach dessen Veröffentlichung geboren.) Es ist das Making Of zum Covershooting des neuen Albums Olympia – immerhin das erste seit gut acht Jahren, wenn man mal ein etwas seltsam anmutendes Bob Dylan-Coveralbum außer acht lässt – und Kate Moss sieht natürlich verdammt gut aus mit ihren blutroten Lippen und dem (man kommt nicht umhin mit der Wortwahl) güldenen, drapierten Haar, auf dem Cover, im Vid
over, im Video und überhaupt.Es zählt zu ihrer Trivia, dass sie mehr als jedes andere Supermodel der Gegenwart in den cooleren Gefilden der vor allem britischen Musikszene zu Hause war und ist. Es gibt etliche Videoclips von sehr bemerkenswerten Bands mit ihr. Aber auf dem Cover eines Bryan Ferry-Albums zu sein, dürfte auch in ihrem Kosmos ein besonders strahlender Stern sein. Denn es gibt wenige Musiker auf der Welt, die in ähnlicher Weise als Ikone gesehen werden.Dass Popmusik, wie wir sie heute kennen, nur noch wenig gemein hat mit dem Unbedingtheitsanspruch eines „I hope I die before I get old“ ist eine Erkenntnis, die sich mit der fortschreitenden Historie und den damit verknüpften Jahrzehnten prinzipiell von selbst erledigt hat. Oder – im Zweifelsfall – mit dem tatsächlich frühen Ableben der Protagonisten. Weder Jugendkult noch Rebellion haben sich jedenfalls als die dominanten Konstanten der Popkultur erwiesen, auch wenn jede neue Generation das eine oder andere davon mit dem Recht der Jüngeren immer wieder heraufbeschwört. Und es spricht im Moment wenig dafür, dass es irgendwann noch einmal anders sein wird, sieht man mal von der im Club-Kontext nötigen jugendlichen Verfassung ab, die es braucht, um Nächte und Wochenenden durchzutanzen.Offensiv fremdschämenErwiesen hat sich allerdings auch, dass es nur wenige Persönlichkeiten gibt, die tatsächlich auch nach Jahren oder Jahrzehnten nicht einfach nur gealtert sind, deren Konzerte ausschließlich als nostalgische „Weißt-du-noch?“-Shows funktionieren, deren sogenannte „neue Alben“ vor allem mit den früheren Hits beworben werden müssen und die man sich kaum anhören kann, ohne mindestens desinteressiert zu wirken, wenn man sich nicht gleich offensiv fremdschämt.Es ist offensichtlich das größte Problem, nicht nur der Musiker, auch der Rezipienten von Popmusik, einer mit zunehmendem Alter mächtigeren Erosion von Stil und Geschmack zu entgehen, die freilich auch andere Kulturgattungen nicht ausspart. Die allerdings sind oft weniger einem ständigen Trend-Anspruch unterworfen, der schon in den Randbereichen der aktuellen Popmusik nicht mehr greift oder sich gar ins Gegenteil verkehrt.Kein Mensch wäre jemals auf die Idee gekommen, einen der zahlreichen legendären Blues- oder Jazz-Helden wegen seines Alters zu hinterfragen. Die wechselnden Hypes einfach zu ignorieren, reicht jedenfalls nicht aus. In einem popmusikalischen Genre verorten lässt sich derlei schon gar nicht. Bedingung ist allerdings schon, eine Art Meilenstein hingelegt zu haben in einer möglichst frühen Phase des eigenen Schaffens. Diesem dann langfristig zu entsprechen oder sich ihm zu entziehen, dürfte das größte Problem der meisten Altstars sein.Zwangsjugend vs. gediegene WampeAber was ist der Unterschied zwischen einem Joe Cocker, unverwüstlich wie eh und je unterwegs aber unübersehbar altbacken, und einem musikalisch bestimmt nicht großartig besseren Keith Richards, der allerdings immer noch eine coole Sau abgibt? Was macht die Faszination eines deutlich ergrauten und mit gediegener Wampe versehenen Morrissey aus, während eine körpergestählte und zwangsjugendliche Erscheinung wie Madonna nach langem Unentschieden jetzt doch eher peinlich berührt. Wieso schneidet ein drastisch weniger erfolgreicher und penetrant schlecht angezogener Dauernörgler wie Mark E. Smith im Vergleich soviel besser ab, als ein sich als Dauer-Paradiesvogel inszenierender John Lydon?Am Ende läuft es selbstverständlich auf eine grundsätzliche Stilfrage hinaus, schwer fassbar und kaum allgemein zu definieren – aber eben doch ein offensichtlicher Grundkonsens, sonst gäbe es sie ja auch nicht: diese Ikonen, denen weder Alter noch Karrierepausen anhaben können und denen man auch mal mittelmäßige Alben verzeiht, weil man weiß, dass das nächste vielleicht wieder ohne Fehl und Tadel sein wird, egal, ob man das im Holzfällerhemd präsentiert wie Neil Young mit seinem aktuellen Le Noise oder im feinen Zwirn wie eben Bryan Ferry. Dessen Olympia wäre auch ohne Kate Moss ganz hervorragend – aber so ist es natürlich schöner. Und gleich noch ein gutes Stück ikonenhafter.