Man könnte ja sagen: Super, Feindbild passt! Zumindest, wenn man schon immer der Meinung war, dass Mieze Katz, die Frontfrau der Berliner Band Mia., nicht eben zu den hellsten Sternen am Firmament des deutschen Popkosmos zählt. Aber so einfach ist es dann natürlich auch wieder nicht. Denn irgendwie ist Pop ja auch zur Massenwirksamkeit verpflichtet, der breite Erfolg ist sozusagen systemimmanent. Und Erfolg kann man Deutschland sucht den Superstar nun auch beim schlechtesten Willen nicht wirklich absprechen. Sogar auf dem nun schon seit Jahren absteigenden Quotenast erreicht ein Dieter Bohlen immer noch mit jeder Sendung locker ein Vielfaches an Publikum, als man das heutzutage mit den klassischen Kanälen der Musikveröffentlichung gemeinhin schaffen könnte. DSDS, da kann man mit den Zähnen knirschen wie man will, ist „relevant“.
Mieze ist also in der neuen Staffel Co-Jurorin von Dieter Bohlen. Ob das der Sendung gut tut, wenn die öffentlich immer deutlich verpeilt wirkende Sängerin um das gesprochene Wort gebeten wird – nun ja, irgendjemand mit Programmverantwortung muss das wohl glauben. (Und hat wahrscheinlich nicht den doch ernüchternden Kurzauftritt beim Konkurrenzformat X-Factor vor Jahresfrist gesehen.) Viel interessanter ist natürlich die Frage, ob es Mieze und ihrer Band gut tut. Falls man das überhaupt noch in einen Topf werfen kann, schließlich sind die besten Mia.-Zeiten auch schon eine Weile her. Und auch, wenn sie in ernsthafter musikalisch interessierten Kreisen immer einen leichten Aggro-Reiz hervorriefen, lässt sich ein gewisser Hit-Appeal ihrer Vergangenheit nicht wegdiskutieren. Das ist alles lange vorbei, Popmusik agiert nunmal vorwiegend zyklisch und mehr als ein paar gute Jahre kann ihr niemand abverlangen, schon gar nicht in den neuen, immer hochtourigeren Zeiten. Sich mal nach etwas anderem umzusehen, lässt sich kaum jemand vorwerfen, oder?
Für Max-Herre-Hasser – und es gibt auch unter vernünftigen Menschen eine Menge davon – ist sein neuestes Engagement ein gefundenes Fressen. Der professionelle Wuschelkopf sitzt demnächst in der Jury von The Voice Of Germany. Wir erinnern uns, das ProSieben/Sat1-Format war der Nachrücker im Castingshow-Reigen und punktete mit dem Alleinstellungsmerkmal, dass es hier auch wirklich, wirklich, wirklich nur um Musik ginge – das sei unschwer schon daran festzustellen, dass die „Coaches“ eingangs die Kandidaten gar nicht sehen könnten. Zwei Staffeln später weiß man, dass auch hier die Kandidaten nichts, die dick aufgetragenen Kabbeleien zwischen den Stars auf den roten Entscheider-Drehsesseln dagegen alles zählen. Showbusiness as usual also.
Mit Musik im engeren Sinne hat das nicht viel zu tun, außer natürlich, dass The Voice von Anbeginn ganz explizit auf „Kompetenz“ getrimmt wurde. Mit einer Allstar-Nena an der Spitze und den beiden Boss Hoss als schnodderiges „Rocker“-Gegenbild. Dazu kamen dann immer noch „Sänger“, Rea Garvey und Xavier Naidoo waren das bisher. Und jetzt eben Max Herre. Der galt bis dato gern als Rolemodel für „authentisch“, sein Frühwerk hat auch tatsächlich so bemerkenswerte Songs wie „Leg dein Ohr auf die Schiene der Geschichte“ zu bieten. Erfolgreich war aber schon damals das eher simpel gestrickte „A.N.N.A.“, seitdem gilt Herre als erstklassiger Kronzeuge in Sachen Befindlichkeits-Liedermaching, als Urbild des heutzutage enorm beliebten gefühligen deutschen Jammerlappen-Pops à la Clueso oder Tim Bendzko.
Trotzdem: Sowohl Mia. als auch Herre galten trotz Bauchschmerzen der Hardcore-Kritikaster immer noch als einigermaßen ernstzunehmende Musiker mit klassischem Album-Tour-Geschäftsmodell, basierend auf künstlerischem Mitteilungswillen. Den – beziehungsweise dessen offensichtlich immer noch taugliches Image – zu inkorporieren, kann man einer sich irgendwie um Musik drehenden Show sicher nicht vorwerfen. So, wie man auch einem Dschungelcamp nicht vorwerfen kann, möglichst attraktives Personal zur öffentlichen Demütigung einzuladen. Die Parallele: Allein die Teilnahme ist Komplett-Diskreditierung. Man könnte einfach sagen: „Das tut man nicht!“ und hätte zweifelsfrei Recht. Man kann aber auch ein bisschen ausholen: Das Prinzip Casting-Show ist per se ein gnadenlos ausbeuterisches – menschlich sowieso, aber auch künstlerisch. Nirgendwo sonst im Popbusiness – und das muss man auch erstmal schaffen – wird zynischer das Versprechen auf Erfolg gegeben und konsequenter nicht eingelöst – sogar im Fall des sowieso absolut unwahrscheinlichen Sieges.
Dass man sich dem auch einfach verweigern kann, ist dem Kanonenfutter der Vorausscheide vielleicht sogar wirklich gleichgültig. Einem wie auch immer etablierten, erwachsenen Musiker darf es das eigentlich nicht sein. Egal, was man sonst noch so von seiner eigenen künstlerischen Karriere erwartet. Willkommen Boulevard, tschüss Musik.
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