Ist das noch Punkrock?

Ton & Text Wettbewerb? Produktvielfalt? Das Ende der künstlichen Verknappung? Auf jeden Fall Kapitalismus ohne jede Transparenz: Spotify und die Telekom
Selbst wenn jegliche Musik allen Interessenten immer zur Verfügung stünde, entscheidend ist, wie weit das Datenvolumen der Mobilfunkanbieter reicht
Selbst wenn jegliche Musik allen Interessenten immer zur Verfügung stünde, entscheidend ist, wie weit das Datenvolumen der Mobilfunkanbieter reicht

Foto: Leo Ramirez/AFP/Getty Images

Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage, so hat man das gelernt, ist das grundlegende Funktionsprinzip des Kapitalismus. Der Markt und der Wettbewerb würden es schon richten. In Aufruhr ist seit Jahren allerdings der Musikmarkt. Bei dem sind Angebot und Nachfrage irgendwie durcheinandergekommen. Und der Wettbewerb – nun ja, der ist, vorsichtig formuliert, etwas undurchschaubar.

Denn nicht nur die Anzahl der Marktteilnehmer, auch ihre Struktur ist im drastischen Wandel begriffen. Das beginnt natürlich damit, dass man nicht mehr genau erkennen kann, was eigentlich das Produkt ist: die Musik oder die Aufmerksamkeit des Hörers? Wer also Anbieter und wer Kunde ist. Nichtsdestotrotz hat sich so etwas Ähnliches wie ein neues Geschäftsmodell (mehr oder weniger zwangs-)herauskristallisiert, das die Zukunft sein soll: Jegliche veröffentlichte Musik steht allen Interessenten immer zur Verfügung. Die sind dann eventuell sogar bereit, eine kleine Gebühr dafür zu zahlen, dass man sie stressfrei und legal hören kann.

Popmusikalisches Vollsortiment

9,99 Euro ist das Maximale, was man derzeit im Monat für Musik an sich ausgeben muss, wenn man nicht an der altmodischen Vorstellung hängt, Musik müsse einem irgendwie gehören, einen Platz im eigenen Regal oder auf der eigenen Festplatte haben. (Und wenn man auf ein paar Künstler verzichten kann, die sich all dem strikt verweigern oder die mit der Zeit einfach durch das Relevanz-Raster des Angebots gefallen sind.) Dafür bekommt man den komfortabelsten Zugang zu einem der inzwischen zahlreich vertretenen Musikstreaming-Dienste, was – mit gewissen Einschränkungen abseits des „Normalverbrauchers“ – ziemlich nahe an ein Vollsortiment des popmusikalischen Weltarchivs heranreicht. Falls – und da scheint der Haken schon hervor – man über eine permanente Internet-Verbindung verfügt. In infrastrukturell erschlossenen Gegenden erstmal kein Problem, außer natürlich, man ist unterwegs und nutzt seinen – sagen wir mal – Spotify-Account per Handy als Walkman. Denn dann nützt einem auch die beste 3G-Anbindung meist nur wenig. Besser gesagt: nur kurz.

Der Pferdefuß beim Streaming von Musik ist neben der verfügbaren Bandbreite und Netzabdeckung vor allem das erlaubte Datenvolumen der Mobilfunkanbieter. Denn was die üblicherweise als „Flat“ verkaufen, wird in der Regel ab ein paar hundert Megabyte Traffic drastisch heruntergedrosselt. Musik online hören lässt sich so nicht mehr. Und für den gängigen Gebrauch reichen die derzeit üblichen Datenvolumen nicht mal bei gemäßigtem Gebrauch. Und wer verballert schon sein ja auch ansonsten dringend benötigtes Volumen für ein paar Songs?

Jetzt hat die Telekom angekündigt, einen speziellen Spotify-Tarif anzubieten. Inbegriffen sind nicht nur der Spotify-Premium-Account (also jene 9,99), sondern vor allem auch das anfallende Datenvolumen, das nun nicht mehr auf das sonstige Kontingent angerechnet wird. Es ist, das muss man prinzipiell anerkennen, ein cleverer Zug. Vor allem natürlich, weil er genau da ansetzt, wo es im Moment tatsächlich eine Nachfrage gibt. Einige Fragen tun sich allerdings schon auf. Das beginnt selbstverständlich bei den exakten Konditionen, die noch nicht mitgeteilt wurden. Was Skeptikern wiederum nahelegt, dass es der reine FriedeFreudeEierkuchen-Tarif auch nicht sein wird. Interessant wäre auch, zu wissen, wie das denn genau funktioniert, wenn plötzlich Premium-Abo und sonst so teuer gehandelte Datenmenge für den Preis von eigentlich einem davon erhältlich ist. Irgendwo müsste dann ja ein Minus entstehen – außer, die Masse an Neukunden reißt es wieder raus. Womit wir wieder bei Betriebswirtschaft sind. Und beim kapitalistischen Wettbewerb.

Komplexe Abwägungen für Verbraucher

Man kann es natürlich auch so sehen: Hier tun sich zwei Marktführer zusammen, um eine Art Monopol durchzusetzen. Spotify ist der größte unter den derzeitigen Musikstreaming-Diensten und nach allgemeiner Vermutung (nix Genaues weiß man nicht) derjenige, der am engsten mit den großen Labels verbandelt ist. Also jenen, die den entscheidenden Backkatalog an Songs überhaupt erst zuliefern. Ein exklusiver Deal mit einem der großen Mobilfunkanbieter könnte geeignet sein, den einen oder anderen Konkurrenten mir nichts dir nichts auszubooten. Einfacher für den Musikhörer wird dadurch natürlich nichts. Andere Anbieter werden nachziehen und zur bunten Warenwelt des Kapitalismus kommen nun noch komplexe Abwägungen hinzu, welchen Musikanbieter man zu welchen Konditionen und bei welchem Provider wählen soll.

Andererseits: Interessant zu wissen wäre schon, ob eine echte Musikflatrate (darum geht es ja hier letztendlich) tatsächlich noch ein massentaugliches Verkaufsargument ist. Zugeben muss man immerhin, dass Musikhören so wieder ein gutes Stück mehr auf den Boden der Legalität zurückgeholt wird. Die alten Argumente, es gäbe keine attraktiven Angebote, sind spätestens jetzt obsolet. Und jeder per Stream abgerufene Song bringt letztendlich Geld in die Kasse. Dass dabei nur ein klitzekleines Stück beim Künstler ankommt, mit dem hier gehandelt wird, ist halt die neue Welt. Besser als nichts.

Dieser Text ist in Zusammenarbeit mit motor.de entstanden.

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