Aus heutiger Sicht klingt es fast schon wie ein herzig rührendes Stück zeitgenössischer Folklore: „Haut die Bullen platt wie Stullen“. Es wird dann noch etwas handfester: „Ich werf einen Stein in den Bullenwagen, bis aus dem nur blutige Köpfe ragen“. Und mit „Haut ihnen ins Gesicht, bis dass der Schädel bricht“ dürften dann nicht nur ausgesprochene Feingeister gewisse Akzeptanz-Probleme haben. Für die feine rhetorische Klinge waren deutsche Punk-Bands nie bekannt. Normahl waren eine jener Bands, die ihre Probleme mit dem System der alten Bundesrepublik gern in drastische Worte kleideten. Es waren die Achtziger: Wackersdorf, Startbahn West, „Revolutionäre 1.-Mai-Demo“ – das Feindbild auf den Stra
aßen war klar und vor allem eins: grün. Eben „Bullenschweine“.Heute ist alles ein bisschen komplizierter, nicht mal die grünen Uniformen sind noch Konsens. Wer sich damals mit der Staatsgewalt prügelte, konnte doch noch Außenminister werden, wer die rhetorische Keule schwang, führt heute vielleicht einen soliden schwäbischen Handwerksbetrieb. So wie Lars Besa, Frontmann von Normahl. Und ein bisschen peinlich war es wohl sogar den Polizisten selbst, die jetzt dessen Wohnung durchsuchen mussten, weil die Staatsanwaltschaft Baden-Württemberg den über dreißig Jahre alten Text plötzlich als „Aufforderung zur Gewalt“ interpretiert.Polizisten sind schon seit Anbeginn von Jugendkultur der quasi-natürliche Feind des Aufbegehrens. In freiheitlicheren Grundordnungen konnte man das denn auch hören, „The pigs in the street go freak out“ sangen die Revoluzzer-Rocker MC5 1968 in ihrem Riot-Klassiker „Motor City Is Burning“. „Pigs“ – also „Bullen“ – sind ein Standardthema der Popkultur, gerade in den USA. Als sich 1992 Rapper Ice-T in Polizeiuniform und mit Schlagstock auf dem Cover des Rolling Stone präsentierte, war das ein Aufregerthema erster Güte. Ein Vierteljahr vorher war das Debütalbum seines Projekts Bodycount erschienen, nahezu zeitgleich schockten die massiven Unruhen rund um den Rodney King-Polizeiskandal die amerikanische Öffentlichkeit. „I'm 'bout to dust some cops off. I'm a cop killer, better you than me“, hieß es im absolut expliziten Schlusssong des Bodycount-Albums. Die folgende Auseinandersetzung um „Cop Killer“ wurde zum Symbolstreit für „Gewalttexte“ und künstlerische Freiheit. Time Warner, die Plattenfirma zog letztendlich den Schwanz ein. Der Song wurde vom Album genommen, Ice-T ersetzte ihn durch „Freedom Of Speech“, ein Duett mit Jello Biafra, als Frontmann der legendären Dead Kennedys auch nicht gerade ein Verfechter deeskalierender Sprache.Auch im Kernland des europäischen Pop – Großbritannien – stand dieser schon sehr früh auf der Abschussliste. Hier kamen gern gleich ganze Gesetze als Kampfmittel ins Spiel. Erstes Opfer waren die „pirate stations“, die Piratenradios der Sechziger, die sich aber auch später partout nicht unterkriegen ließen. In den Neunzigern nahm sich der „Criminal Justice and Public Order Act“ ganz ausdrücklich der Rave-Kultur an. „Fuck their law“ war die – Dance-Genre-gemäß textlich eingeschränkte – Antwort zum Beispiel von The Prodigy darauf. Dazwischen gab es natürlich noch Punk, Postpunk – und jede Menge sozialen Sprengstoff. „When they kick out your front door, how you gonna come? With your hands on your head, or on the trigger of your gun?“, fragten The Clash 1979 in „The Guns Of Brixton“ und nahmen damit die „Brixton Riots“ sogar noch zwei Jahre vorweg.In Deutschland kam es nie soweit. Hier brannten nie ganze Stadtviertel, nicht mal in den Krawall-Hochburgen Hamburg und Berlin. Ein paar angezündete Mülltonnen reichen gemeinhin aus, um sich als „Chaoten“ in den öffentlichen Diskurs zu bringen. Umso befremdlicher wirkt natürlich der bierernste, rückwirkende Hass, mit dem plötzlich wieder Texte seziert werden. Aktuell verdanken die Rostocker Punks Feine Sahne Fischfilet ihren momentanen Bekanntheitsgrad praktisch dem Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern. Erwischt hat es aber letztens auch Slime, die noch deutlich radikaleren Deutschpunks. Ihr „Bullenschweine“ landete 2011 – 31 Jahre nach Erscheinen – auf dem Index der Bundesprüfstelle. Deren Chefin fragte sich, was man angesichts von durchgehenden Textzeilen wie „Dies ist ein Aufruf zur Gewalt, Bomben bau’n, Waffen klau’n, den Bullen auf die Fresse hau’n“ eigentlich nicht überpiepsen solle. „Durch die eindeutige Verächtlichmachung, Diskriminierung, Beschimpfung von Polizeibeamten und die Aufforderung, diese zu töten, ist nach Auffassung der Beisitzer das Tatbestandsmerkmal des § 130 Abs. 1 StGB erfüllt.“ hieß das dann ganz offiziell.Ganz besonders spürbar ist das neue Kalte-Kriegs-Klima in Sachsen. Das erinnert in diesen Tagen tatsächlich an das brutal humorlose Strauß-Bayern der Achtziger. Damals reichte schon ein „Polizisten rauchen ,Milde Sorte‘, weil das Leben ist schon hart genug“ zum Verdacht der „Verunglimpfung von Staatsbeamten“ und zum Verbot von Extrabreits „Polizisten“ im bayerischen Rundfunk. In Sachsen ist es inzwischen sogar schon gefährlich, weil rechtlich relevant, bei einer Demonstration Ton Steine Scherben zu spielen. Das „Landfriedensbruch“-Verfahren gegen den Jenaer Jugendpfarrer Lothar König läuft ungeachtet aller Irritationen weiter, auch hier spielt die (diesmal unterstellte) Verwendung des Begriff „Bullen“ eine entscheidende Rolle. In Leipzig bemüht sich dieser Tage gar der ehemalige Polizeipräsident um das Amt des Oberbürgermeisters. Hervorgetan hat er sich noch im letzten Jahr mit „Komplexkontrollen“ und der rüden, wenn auch versehentlichen, Erstürmung eines Kindergartens mitten im Szenebezirk Connewitz. Jetzt hat es sogar die Schwaben Normahl erwischt. Fast könnte man das lustig finden, allerdings nur, wenn man selbst nicht ins Raster der sächsischen Staatsmacht gerät. Und das kann – der Fall Normahl beweist das – praktisch jedem passieren. Überall. Es waren sächsische Beamte, denen der Punk-Klassiker „Bullenschweine“ auffiel, und die die Kollegen aus Baden-Württemberg in Aktion setzten. Nur wer nicht in Sachsen wohnt, wundert sich darüber, dass das ausgerechnet während einer Untersuchung gegen Nazis passierte.