Then one fine morning she turns on a New York station; She doesn’t believe what she hears at all; She started dancing to that fine fine music; You know her life is saved by rock’n’roll.
Knapp 45 Jahre ist es her, als Lou Reed „Rock’n’Roll“ schrieb, für seine damalige Band Velvet Underground. Bis heute ist es einer der beliebtesten Songs der Avantgarde-Rocker, taucht immer mal wieder auf in Coming-of-age- oder sonst irgendwie mit halbwegs korrekter Musik vollgestopften Filmen.
Radio ist immer noch wichtig, gerade für die popmusikalische Grundbildung Heranwachsender. Gut 75 Prozent aller deutschen Jugendlichen hören zum Beispiel immer noch täglich Radio. Klassisches „Airwaves“-Radio, aus dem Radioempfänger, wohlgemerkt. Das ist immer noch ein äußerst wirkmächtiges Medium, in Sachen Reichweite und auch inhaltlich: als prinzipiell abwechslungsreich kuratiertes Wort-Musik-Mixprogramm mit hohem Hörerbindungspotenzial und – da sind wir beim Ausgangspunkt – einem zumindest öffentlich-rechtlichen Kultur- und Bildungsauftrag. Und wer sich schon immer gefragt hat, warum nahezu überall anders in Europa bessere Popmusik gemacht wird, als in Deutschland – der sollte sich einfach mal die „Jugendwellen“ der ARD anhören.
Ungefähr einmal im Jahr, Anfang Dezember, kann man sich das Elend des deutschen Jugendradios auch im Fernsehen anschauen. Dann wird die 1Live Krone verliehen. WDR 1Live ist in so ziemlich allen Dingen der Platzhirsch der öffentlich-rechtlichen Jugendwellen: am größten, am besten ausgestattet, am erfolgreichsten. Hier wird gern mal geklotzt, die Krone ist dafür beste Gelegenheit. Es gibt dann den roten Teppich mit all den Boulevardreportern davor und den chic hergemachten Stars darauf, es gibt die große Bühne, die Laudatoren, die Lebenswerk-Preise und die ganz speziellen Show-Nummern mit gewollt sensationellen Kooperationen von Musikern. Es ist also, um es zusammenzufassen, so etwas wie ein WDR-Echo – nur halt noch peinlicher, da braucht es noch nicht mal die multiplen Einblendungen von Campino, ohne die keine 1Live Krone auskommt.
„Wie soll der WDR-Hörfunk in der ganzen Bandbreite seiner Qualitäts-Programme authentisch von einer Persönlichkeit geführt werden, die Ihre unbestrittenen Quoten-Erfolge im Radio ausschließlich in Programmen mit einem Mix aus seichtem Pop, reißerischer Eigenwerbung, Regionalpatriotismus, ständigen Gewinnspielen und Comedybeiträgen erzielt hat – kurz: reinem Formatradio?“ So steht es in einem aktuellen Protestschreiben von vielen WDR-Redakteuren an den ziemlich neuen Intendanten des WDR, Tom Buhrow. Der hatte sich als neue Hörfunkdirektorin ausgerechnet Valerie Weber ausgeguckt, die sich ihre Meriten vor allem beim mit vollem Recht verrufenen Gaga-Sender Antenne Bayern verdient hat. Geholfen hat es nichts, gewählt wurde sie kürzlich mit überraschend deutlicher Mehrheit.
Moment mal: „seichter Pop, reißerische Eigenwerbung, Regionalpatriotismus, ständige Gewinnspiele und Comedybeiträge“? Man fragt sich wirklich, ob die Unterzeichner des Appells eigentlich überhaupt mal ihre eigene Welle, eben 1Live, gehört haben. Denn treffender lässt sich das Tagesprogramm des Senders nicht beschreiben. Dass Tom Buhrow bei der diesjährigen Krone demonstrativ anwesend war und obendrein den wahrscheinlich uneloquentesten Auftritt seiner Karriere hingelegt hat, passt dann irgendwie ins Bild. Besser wird es in der nächsten Zeit mit 1Live wohl nicht werden.
Schlechtes Radio ist allerdings bei weitem keine Domäne des Westens. Dafür, wie man sich den Ruf systematisch ruiniert, ist beispielsweise der MDR bundesweit sowieso bekannt. Das im Dreiländersendegebiet angebotene Jump-Radio ist seit seinem Start vor 13 Jahren denn auch der Inbegriff alles Schlechten und ein Musterbeispiel dafür, wie öffentlich-rechtliches Radio nicht sein soll: dummdreist und auf den niedersten kulturellen Bildungsgrad zielend. Erstaunlicherweise hatte man das vor ein paar Jahren sogar im MDR selbst erkannt und mit der (auf Grund ihrer DT64-Vorgeschichte) unabschaffbaren Miniwelle Sputnik den Versuch gestartet, intelligentes multimediales Radio auch für jüngere Generationen hinzubekommen. Erklärtes Vorbild war das österreichische Kultur-Jugendradio FM4 – eine für MDR-Verhältnisse geradezu revolutionäre Referenz.
Empfangbar ist Sputnik über Antenne allerdings nur in Sachsen-Anhalt und den anliegenden sächsischen Randgebieten. Quote war dort natürlich nicht zu machen. Trotzdem schaffte es der Sender, sich in kurzer Zeit einen guten Ruf zu erarbeiten, auch – oder gerade weil – nicht alles glückte. Geschätzt wurde das allerdings nur in den studentisch geprägten Regional-Metropolen Leipzig, Halle und Magdeburg. 2010 kam der MDR dann auf den ganz offensichtlich hirnverbrannten Einfall, ausgerechnet die Interessen der Dorfjugend des sachsen-anhaltinischen Dunkeldeutschlands sollten durch Sputnik besser berücksichtigt werden. Der beliebte Senderchef musste gehen, das Programm wurde entinhaltet, die Musikübereinstimmung mit der Großkonkurrenz Jump – die hausinternen Flurkriege sind legendär – von zehn auf 30 Prozent hochgefahren. Das Ende eines Experiments.
Mehr als „Experimente“ leistet man sich bei der ARD in Sachen Jugendradio ohnehin nicht. Jüngstes Beispiel ist der Bayerische Rundfunk. Dort ist seit diesem Mai Puls der für progressive Jugendarbeit zuständige Sender. Auch das kann man allerdings sehr unglücklich ausdrücken: „Die Musik bei Puls haut gleichermaßen voll drauf wie daneben, glüht vor und randaliert, rummst und gstanzlt.“ Da fühlt man sich als junger Hörer doch gleich so richtig ernst genommen. Trotzdem ist zumindest die Musikauswahl wenigstens nicht komplett an den Gegebenheiten zeitgenössischer Popmusik vorbeigeplant – alles andere als eine Selbstverständlichkeit im Reigen der öffentlich-rechtlichen Jugendwellen, die meist wenig mehr als zuverlässige Abspielstationen für die Majorindustrie sind. Empfangbar ist das allerdings nicht über Antenne, sondern vorzugsweise als Internet-Radio. Wenn man aber Internetradio nutzt und sich für Musik interessiert, wäre es doch ziemlich dämlich, sich nicht gleich FM4 oder die BBC reinzuholen, wo man sich anhören kann, wie Radiomachen richtig geht. Und jetzt sollte man vielleicht nochmal über Rundfunkgebühren reden.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.