1990: Das Unwort des Jahres

Zeitgeschichte Als der Tag der Wiedervereinigung immer näher rückt, gilt der Begriff vom „Anschluss“ als verbale Tretmine. Besonders Kanzler Helmut Kohl fühlt sich dadurch brüskiert
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 39/2015
Kanzleramtsminister Rudolf Seiters war ein enger Vertrauter Kohls
Kanzleramtsminister Rudolf Seiters war ein enger Vertrauter Kohls

Foto: Sepp Spiegl/Imago

Am 23. September 1990 ratifizierte Bundespräsident Richard von Weizsäcker den Einigungsvertrag, der den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik regelte und der am 3. Oktober wirksam werden sollte. Mit den juristischen Schritten hin zur Einheit wurde zuletzt das Tempo forciert. Keinen Monat zuvor waren die Verhandlungen zum Einigungsvertrag noch in vollem Gange gewesen. Innerhalb der Bonner Regierung hatte man Mitte August überlegt, ob die Vereinigung – das heißt, die Übernahme von Bundesrecht durch den Osten – besser per Überleitungsgesetz geregelt werden sollte, anstatt sich auf ein komplexes Vertragswerk einzulassen. Es gab seinerzeit durchaus Argumente für den einen oder anderen Weg.

Im Auftrage von Kanzler Kohl war Rudolf Seiters als Chef des K