Besser scheitern

Sportplatz Kolumne

Schon Ende Januar ließ mein Mitbewohner - ein übler, verbal immer unter die Gürtellinie zielender Hooligan und so genannter Fan eines Fußballclubs aus der niedersächsischen Einöde namens Braunschweig - alle Hoffnungen fahren. Sein Verein stand abgeschlagen auf dem letzten Platz der zweiten Liga. Seither weigerte er sich nicht nur, die hauseigene kicker-Stecktabelle zu aktualisieren, er wollte nicht einmal mehr wissen, wie seine Eintracht gespielt hatte. "Sie legen am Ende noch eine Siegesserie hin, und schaffen es trotzdem nicht. Sie steigen ab", sagte er resigniert.

Nach dieser Prophezeiung hat sich tatsächlich nicht viel geändert: Die Braunschweiger, im Jahr 1967 glorreicher deutscher Meister, sind noch immer Tabellenletzter der zweiten Liga, abgeschlagen wie vordem. Allerdings haben sie mittlerweile den nun fünften Trainer innerhalb einer einzigen Saison. Komisch genug, aber man fragt sich natürlich, ob dort in der niedersächsischen Einöde nicht etwas ganz anderes angestrebt wird: Warum nicht so weiter machen und immer weiter Letzter bleiben? Der sechste oder gar siebte Trainer lässt sich problemlos auch noch engagieren und damit gleichzeitig ein neuer Rekord aufstellen. Vorreiter künftiger Entwicklungen im deutschen Fußball war Eintracht Braunschweig ja schon mal: Der Verein lief 1973 als erster überhaupt in Deutschland mit Trikotwerbung auf - für den Schnapsbrenner "Jägermeister". Nun also, statt der Spielerrotation die fortwährende, von Spieltag zu Spieltag wirkende Trainerrotation. Auf zu neuen Rekorden!

Für den ersten Rekord sorgten die Braunschweiger, als sie in der Winterpause elf (!) neue Spieler holten, darunter mit Alexandru Golban einen Profi, der beim medizinischen Test eigentlich schon durchgefallen war. Zuletzt kündigte einer der treuesten Sponsoren der vergangenen Jahre seine Dienste auf. Die Dummheiten sind nicht zu zählen, die die Eintracht in dieser Saison aneinanderreihte. Dabei redeten alle beständig davon, dass der Verein jetzt einen Neuanfang mache. "Wenn ich jetzt dazu etwas sagen würde, würde das nach Ausreden klingen", sagte noch vor wenigen Tagen der Eintracht-Trainer, der heute kein Trainer mehr ist. Mein Mitbewohner bemerkte dazu nur: "Was heißt Ausreden: Die sind doch schon abgestiegen." Aber er weiß ja auch nichts von der noch geheimgehaltenen Verpflichtung des siebten beziehungsweise achten Trainers - mindestens einer, zwei oder drei davon mit einem klangvollen Zweitnamen: "Wundertäter" oder noch besser "Zauberer", jedenfalls keiner, der "Dietmar" oder "Demuth" heißt.

Eintracht Braunschweig liefert seit nun über 20 Jahren eine einzige Geschichte des Scheiterns. In den achtziger Jahren sollte der Club in SV Jägermeister umbenannt werden, der DFB verbot eine derart lustige Mutation. In Österreich gibt´s nun das, was damals keiner wollte: Red Bull Salzburg, benannt nach der ekligen "Energy"-Limonade eines österreichischen Milliardärs. Salzburg wird in diesem Jahr wohl österreichischer Meister, Braunschweig steigt - jetzt im April wag ich´s auch zu sagen - aus der zweiten Liga ab und muss in der Regionalliga fürderhin wohl wieder gegen die zweiten Mannschaften von Werder Bremen und Hamburger SV und gegen das unübertreffliche Wunderteam von Kickers Emden spielen. Darauf einen "Jägermeister".

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