Blut ist im Schuh

Alltag Sportplatz

Das Wort "Schuhstreit" ist dieser Tage in aller Munde. Es scheint, als hätte dieses Unwort den Sprung von der internationalen Bühne in die deutschen Wohnzimmer und Fußballumkleidekabinen geschafft. Nicht nur die EU und China streiten sich offenbar um die Leisetreter, nein jetzt auch die gerade erst lorbeerblattsilbrig geschmückten WM-Helden und der DFB.

Die Sache ist klar. Der Miro und der Metze, beide bei adidas-Erzfeind Nike unter Vertrag, haben keine Lust mehr, gleichzeitig mit dem Nationalmannschaftstrikot auch die dazugehörigen Latschen des DFB-Ausstatters adidas überzustreifen. Von "größeren gesundheitlichen Risiken" spricht da der Mannschaftsrat der Elf von Klinsmann-Nachfolger Löw und auch deren Häuptling Ballack stimmt aus dem fernen London in den Kanon ein. Obwohl der ja bekanntlich von den drei großen Streifen gesponsort wird. Elfmeterkiller "Zettel"-Lehmann verweist gar darauf, dass ihm sein Klub Arsenal London geraten habe, aus der Nationalmannschaft zurückzutreten, aufgrund der körperlichen Probleme, die der erzwungene Materialwechsel ihm bereitet. Ein Spieler kann nicht in den Schuhen seines Ausstatters trainieren und spielen, um dann bei Länderspielen einen anderen Schuh zu tragen. Das ist der Standpunkt der Profis. Selbst ein Spielerboykott - ein Novum in der fast einhundertjährigen DFB-Geschichte -, der zum Ausfall des kürzlich so grandios gewonnenen Freundschaftsspiels gegen Schweden geführt hätte, stand im Raum. "Der Schuh ist das wichtigste Werkzeug des Fußballers und da muss er selbst entscheiden können", fühlt sich Nike-Deutschland-Chef Hubertus Hoyt auf den Plan gerufen. "Man stelle sich vor, Roger Federer würde vorgeschrieben bekommen, mit welchem Tennisschläger und welcher Bespannung er zu spielen hätte."

Da die Spieler der deutschen Nationalmannschaft neben den österreichischen Nationalspielern weltweit noch die einzigen sind, die laut Vertrag dazu gezwungen werden, mit den Schuhen des DFB-Ausrüsters und -Sponsors, der kürzlich mit dem Verband bis 2010 verlängert hat, aufzulaufen, ist deren Klage doch mehr als verständlich. Auch wenn DFB-Präsident Mayer-Vorfelder zornig darauf pocht, dass deutsche Nationalmannschaften "traditionell in einheitlicher Kleidung und einheitlichen Schuhen" spielen, muss die Führungsetage des Verbands jetzt wohl oder Übel zur Kenntnis nehmen, dass ihnen ihre WM-Helden nun die Pistole auf die Brust setzen. Denn diese Woche beginnt die Qualifikation für die Endrunde der Europameisterschaft 2008 und niemand der Herren wird ernsthaft einen Spielerboykott riskieren wollen.

Schon zur WM im eigenen Land gab es Unmut der Spieler über das Schuhmonopol. Torschützenkönig Miro Klose berichtet sogar davon, dass er wegen der "unpassenden" Schuhe ständig gespritzt werden musste, um die Schmerzen zu ertragen. Was hört man da? Klose? Fitgespritzt? Aufgrund bösartiger Schuhdiktate? Da kann man schon förmlich den Aufschrei in der Bevölkerung hören. Seinerzeit noch war der sich anbahnende Schuhstreit in den Wogen der nationalen Euphorie untergegangen. Eben diese WM-Euphorie, die man gern in den EM-Quali-Alltag hinüberretten würde, sieht DFB-Boss Dr. Theo Zwanziger nun gefährdet und predigt mit zum Himmel erhobenen Fäusten: "Wir dürfen uns von diesem Thema nicht die WM-Stimmung kaputt machen lassen." Zwanziger ist es dann auch, der jetzt in der Pflicht steht, denn die Spieler haben sein Wort, dass so schnell wie möglich eine Lösung gefunden wird.

Ob sich jetzt aber die Schuhdiktatoren aus Herzogenaurach dazu bewegen lassen, dem Wunsch, oder besser der Forderung, ihrer Spieler und Werbeträger nachzukommen, ist zu bezweifeln. Jedenfalls nicht, ohne dabei einen finanziellen Abschlag beim DFB geltend zu machen. Und so ist und bleibt dieser Zwist inmitten aller WM-Partystimmung mit den Worten von Teammanager Oliver Bierhoff "eine schwierige Situation." Wohl wahr!

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