Schlimmer als der Kommunismus!1!11

Frauenrechte Die Türkei und Polen wollen aus dem Abkommen zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen austreten. Die Gründe dafür sind so durchsichtig wie hanebüchen
Ausgabe 34/2020
Polens Präsident Duda nannte LGBT-Rechte eine „Ideologie“, die gefährlicher sei als der Kommunismus
Polens Präsident Duda nannte LGBT-Rechte eine „Ideologie“, die gefährlicher sei als der Kommunismus

Foto: Eastnews/Imago Images

Während einer globalen Pandemie sollen Menschen möglichst zu Hause bleiben. Aber nicht für alle ist das ein sicherer Ort. Weltweit passiert die allermeiste Gewalt gegen Frauen in ihrem eigenen Zuhause. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt also für Staaten, ihre Verpflichtung gegenüber dem Schutz von Frauenrechten über Bord zu werfen. 2011 unterschrieben alle Mitgliedsstaaten des Europarates bis auf Russland und Aserbaidschan die sogenannte Istanbul-Konvention. Mit ihr verpflichten die Staaten sich, Frauenrechte gesetzlich zu schützen und präventive Maßnahmen zu ergreifen, um geschlechterbasierte Gewalt im öffentlichen und im privaten Raum zu vermeiden, und zwar völkerrechtlich bindend. Ratifiziert, also rechtskräftig umgesetzt, haben sie über 30 von 47 Staaten.

Bisher haben Feminist*innen darum gerungen, dass mehr Staaten die Konvention ratifizieren. In Deutschland ist das erst im Oktober 2017 geschehen. In Großbritannien etwa ist sie weiterhin nicht ratifiziert. Zwei Staaten wollen nun wieder austreten. Die Türkei war der erste Staat, der die Istanbul-Konvention ratifizierte, was nicht bedeutet, dass alle Maßnahmen umgesetzt wurden. Während die Zahl der Frauenmorde in der Türkei seit Jahren rasant steigt, will die AKP aus dem Abkommen austreten. Seit Wochen gehen Frauen deswegen auf die Straße. Sibel Schick, selbst in der Türkei geboren, schrieb im neuen deutschland, es gehe der AKP darum, die zivilgesellschaftliche Opposition im Land zu schwächen.

Auch Polen will austreten. So sagte Justizminister Ziobro, die Istanbul-Konvention sei gefährlich, da sie die Forderung beinhalte, Kindern in der Schule „Gender“ beizubringen. Und der gerade wiedergewählte Präsident Duda nannte LGBT-Rechte eine „Ideologie“, die gefährlicher sei als der Kommunismus. In Bulgarien und in Ungarn wird in ähnlicher Weise gegen das Abkommen gewettert. Immerhin: Bisher ist weder in Polen noch in der Türkei etwas endgültig entschieden. Laut Istanbul-Konvention soll die „Bewusstseinsbildung“ zu Themen wie „Gleichstellung von Männern und Frauen“ oder „gewaltfreier Konfliktlösung in zwischenmenschlichen Beziehungen“ in die Lehrpläne aufgenommen werden. Von Gender steht da nichts. Das bestätigte auch die Vorsitzende des Ausschusses für Frauenrechte und Gleichstellung im Europaparlament, Evelyn Regner, in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung noch einmal explizit. Doch die Angst reicht, um mit ihr Politik zu machen. Eine Politik, die tödlich sein kann.

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