Klar, Engagement ist toll, aber neben dem Job ein bisschen kompliziert? Dann verdient doch einfach Geld mit eurer Idee und gründet ein eigenes Unternehmen“, lautet Regel Nummer drei in der Anleitung zum Aktivistin-Sein des jüngst gelaunchten F-Mags. Das Magazin erscheint in der -Gruppe und soll junge Frauen zu Feministinnen machen. Popfeminismus ist in den etablierten Medien angekommen. Aber was bedeutet es, dass sich feministische Thesen und Logos gut verkaufen lassen?
Das Phänomen Popfeminismus zeigt sich in Musik, Mode, Magazinen, Gimmicks, Filmen und Serien. Feminismus ist leicht konsumierbar geworden. „No more Patriarchy“ auf dem T-Shirt verkauft sich gut – egal, ob der Hintergrund der Slogans immer bekannt ist. Popfeminismus ist die niedrigschwellige Möglichkeit, sich als feministisch zu positionieren.
Die Autorin Jessa Crispin hält in ihrem neuen Buch Why I Am Not a Feminist dagegen. Es könne keinen Feminismus geben, der darauf abzielt, dass ihm alle zustimmen. Wenn es darum gehe, alle Individuen konsumkonform zu empowern, ganz egal mit welchen Inhalten, würde Feminismus banal. Tatsächlich ist die grundsätzliche Frage, ob feministische Kämpfe innerhalb des Systems zu fechten sind, oder es eine gesellschaftliche Revolution braucht, um das Patriarchat zu stürzen, tief in der feministischen Debattenkultur verankert.
Geschlechterkampf & Glitzer
Medienprodukte wie F-Mag, Libertine, Bento, Ze.tt und femtastics.com klammern diese Frage aus. Sie frönen dem Popfeminismus, Frauenkampfthemen werden leicht verdaulich aufgepeppt. Ganz nach dem Motto „Geschlechterfragen und Glitzer, Sozialkritik und Sexyness“. Wird Feminismus dadurch zu einer leeren Floskel? Oder wird er einfach diverser?
Unter dem Stichwort Empowerment werden in den neuen popfeministischen Magazinen unterschiedliche Dinge angepriesen: „ein Schaumbad nehmen“, die ganze Nacht die Frauenknast-Serie Orange Is The New Black gucken, ein aktivistisches Leben führen. Empowerment werden Prozesse genannt, die zu mehr Selbstermächtigung und Entscheidungsfreiheit verhelfen. Popfeminismus ist nicht nur ästhetisch ansprechend und social-media-affin – er ist auch sexpositiv und intersektional. Aus Pink wird cool. Das hat auch seine guten Seiten. Etwa, dass Feminismus nicht mehr als verstaubt gilt und nicht mehr behauptet wird, die Gleichberechtigung wäre längst erreicht. Auch mit der Vorstellung, es handele sich um ein Thema für exklusive Runden, zu denen nur Zugang hat, wer Judith Butler gelesen hat, wird aufgeräumt. Und trans- und intergeschlechtliche Menschen haben die Chance, besser sichtbar zu werden. Wenn Drag-Queens in Frauenmagazinen Schminktipps geben, kann das zeigen: Wir interessieren uns für die gleichen Sachen, wir gehören zusammen. Mit der neuen Popkultur wird Feminismus einer breiten Masse zugänglich.
Zum Women’s March am 21. Januar 2017 gingen in den USA so viele Menschen auf die Straße wie seit den Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg nicht mehr. Und weltweit protestierten Frauen neben Männern gemeinsam gegen Trump, gegen Rechtspopulismus und für eine intersektionale Form von Feminismus.
Als 2008 in Deutschland das Missy Magazine erschien, hatte es bis dato einzig die Emma gegeben. Das aus den USA importierte Phänomen Popfeminismus war völlig neu. Es war Subkultur. Popfeminismus in seinen Anfängen hieß erst einmal nur: Wir sind Frauen und wir können auch E-Gitarre, wir können auch eigene Mode, wir können alles, was wir wollen!
Die Kulturwissenschaft hat einen Begriff entwickelt, um zu zeigen, wie wirkungsmächtig Bilder in unserem Zeitalter sind: der Iconic Turn. Wenn die Gesellschaft also von Bildern und Symbolen überladen ist und sich immer mehr Menschen durch ausdifferenzierte und kodierte Styles definieren, warum sollte dann der Feminismus nicht seine eigene Mode haben? Was ist verwerflich an einer Hose mit der Aufschrift „fmnsm“ oder T-Shirts, auf denen „The Future is Female“ steht?
Historisch gesehen war Kleidung schon immer ein Politikum. Auch die erste Frauenbewegung der Moderne drückte sich mit ihrer Kleidung aus. Die Herausgeberin des feministischen Magazins The Lily, Amelia Bloomer, trug im Jahr 1851 Hosen, damals ein Skandal. Die französische Gesellschaftskritikerin und Schriftstellerin George Sand trug Männerkleidung, um sich im Paris des 19. Jahrhunderts freier bewegen zu können. Heute können Frauen fast alles tragen, ohne dabei komisch angeschaut zu werden. Durch die neuen Hosen, T-Shirts und Pullover werden sie zu wandelnden Texten.
Megafon auf dem Laufsteg
Als Konsumentinnen werden Frauen schon lange ernst genommen. Die Brigitte („Mode, Beauty & Rezepte“) basiert auf der 1886 erstmalig erschienenen Zeitschrift Dies Blatt gehört der Hausfrau!. Es war der Wandel des Frauenbildes von der Hausfrau zur berufstätigen, emanzipierten Frau. Es ist nicht viel, was die neuen popfeministischen Formate von den traditionellen Frauenmagazinen unterscheidet. Zeitschriften wie Glamour oder Cosmopolitan geben Schönheitstipps, sind Beziehungsratgeber für heterosexuelle Partnerschaften und drucken ab und an eine politische Reportage.
Popfeminismus spricht vor allem junge Menschen an, denen traditionelle Frauenmagazine altbacken und spaßbefreit vorkommen. Auf femtastics.com, dem neuen digitalen Magazin für Girl Power, werden inspirierende Frauen porträtiert. „Von der Anwältin über die Aktivistin bis zur Bloggerin, von Hamburg bis London. In exklusiv produzierten multimedialen Home- und Workstories mit ausführlichen Interviews stellen wir ihre unterschiedlichen Lebensstile vor“, heißt es da. Die neuen Frauen werden immer in Verbindung mit Mode, Kultur, Lifestyle und Beauty gezeigt. Die Redakteurinnen selbst geben sich wie Models, sind auf Instagram und Facebook aktiv – sie werden selbst zu einer Marke.
Dass diese Entwicklung ihre Tücken hat, thematisieren die Popformate gleich mit. Das Vogue-Magazin diskutierte in einem Artikel, ob die Vermarktung des Feminismus in der Mode kontraproduktiv sei. Anlass dafür war die Chanel-Frühlings- und Sommerkollektion 2015, in der Karl Lagerfeld mit seinen Models einen feministischen Aufmarsch auf dem Laufsteg inszenierte, inklusive Megafon und Protestschildern. Auch Andi Zeisler, die Gründerin des größten US-amerikanischen feministischen Magazins Bitch Media und Autorin von We Were Feminists once. From Riot Grrrl to CoverGirl®, the Buying and Selling of a Political Movement ist kritisch. Ähnlich wie Crispin argumentiert sie, dass Popfeminismus keine Vorschläge für gesellschaftliche Umbrüche macht. Doch der Erfolg ihres Magazins ist Teil dieser Entwicklung.
Nur weil das Thema im Mainstream angekommen ist, sollte jedoch nicht vergessen werden, dass viele feministische Themen und Diskussionen weiterhin notwendig sind: Körperwahn, Abtreibung, sexuelle Gewalt oder Liebe, die nicht dem heterosexuellen Ideal entspricht. Doch große neue Bewegungen wie der Women’s March tun sich schwer, das so klar zu formulieren. Dort hieß es zwar: Frauenrechte sind Menschenrechte. Konkreter wurde es in der offiziellen Kommunikation der Organisationsteams jedoch nicht. Es soll eben für alle passen. Auch die neuen popfeministischen Formate finden darauf keine Antwort, sondern bleiben oftmals in einer kapitalistischen Selbstverbesserungslogik verhaftet: Wie schminke ich mich? Welches Label ist hip? Diese individualistischen Ratgeber werden unter dem Deckmantel des Empowerments verkauft. Die Feministin und SPON-Kolumnistin Margarete Stokowski schrieb jüngst, es könne kaum feministisch sein, ein T-Shirt mit dem Slogan „Girl Power“ bei H&M zu kaufen, das für einen Stundenlohn von 17 Cent genäht wurde. Sie hat Recht. Feminismus kann kein individuelles Privileg sein.
Das ist der wohl größte Unterschied des Popfeminismus zum älteren Feminismus: Die bestehenden Verhältnisse werden nicht mehr radikal in Frage gestellt, wie in den 1970er Jahren. Popfeminismus vermeidet Konfrontation. Das persönliche Leben in einen größeren politischen Kontext einzuordnen und zum Beispiel wieder mehr über Patriarchat und Kapitalismus zu diskutieren, scheint immer noch unsexy zu sein. Denn das, was die Logik der Verkaufbarkeit kritisiert, lässt sich nicht so leicht verkaufen. Wohl auch deshalb plädiert Jessa Crispin in ihrem Buch dafür, an den Feminismus der zweiten Welle viel stärker anzuknüpfen. Sie wünscht sich mehr Systemkritik.
Werden die Ideale des Feminismus also beim Schlussverkauf verscherbelt? Die Omnipräsenz von feministischen Emblemen und Symbolen durch feministische Magazine, Musik und Mode kann dazu führen, dass viele das Gefühl haben, Feminismus sei politisch bereits umgesetzt, die Ziele erreicht. Für eine Sache, die gesamtgesellschaftlich anerkannt ist, lohnt es sich nicht mehr zu kämpfen, ließe sich vermuten. Diesem Irrtum unterlag auch Ronja von Rönne, als sie darüber schrieb, dass sie den Feminismus nicht mehr brauche. Aus einer weißen, akademischen und privilegierten Position zu sprechen, wird allgemein als Elitenfeminismus bezeichnet und zeugt von wenig Weitsicht. Doch auch Feminismus ist ein Lernprozess, jede Generation muss eine eigene Haltung dazu entwickeln. Von Rönne hat sich längst von ihren Aussagen distanziert.
Plausibler scheint die These, es handle sich beim Popfeminismus um einen Hype, der jene erwischt, die sich vorher nicht für frauenpolitische Rechte interessierten. Wie jeder andere Trend wird auch dieser vorbeigehen. Einige neue Anhängerinnen und Anhänger werden dabei bleiben, andere werden das Thema wieder von ihrer Tagesordnung nehmen. Das kann bedeuten, dass sich der Feminismus neu aufstellen und definieren muss. Das ist auch eine Chance. Es könnte zu einer neuen Welle kommen, einem Fourth-Wave-Feminismus als politisierter Version des Popfeminismus. Der Grundstein ist gelegt.
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