Die Islamische Theologie kommt nach Berlin, an die Humboldt-Universität (HU). Im Herbst 2019 soll es losgehen. Der Wissenschaftsrat der Bundesregierung empfahl 2010 die Gründung von Instituten für Islamische Theologie. Seit dem Wintersemester 2011/12 gibt es in Tübingen, Münster, Osnabrück, Erlangen und in Frankfurt am Main solche Lehrstühle. Im Gegensatz zu den Islamwissenschaften, die in Deutschland schon lange etabliert sind, ist die Islamische Theologie, wie die anderen Theologien auch, eine Bekenntniswissenschaft. Dort wird vom Glauben aus gelehrt. Mit der Islamischen Theologie kann religiöses Personal ausgebildet werden, zum Beispiel für die muslimische Seelsorge und Religionspädagogik, aber auch Imame. Bisher werden Imame häufig
fig im Ausland ausgebildet und finanziert, die meisten in der Türkei.Wer beruft die Professoren?Unabhängige Wissenschaft und Forschung orientieren sich an gesellschaftspolitischen Belangen. Die Einführung der Islamischen Theologie als Fach an deutschen Universitäten ist angesichts der vielen Muslime in Deutschland eine gute Idee. Ob Moscheegemeinden es sich aber überhaupt leisten werden, Imame anzustellen, die an deutschen Universitäten ausgebildet wurden, ist unklar.Der Berliner Senat entschied sich 2015 für einen Lehrstuhl, den sechsten in Deutschland, und finanziert das Projekt mit 13 Millionen Euro bis 2020. Mit der Entscheidung begannen langwierige politische Auseinandersetzungen. Erst war das Wintersemester 2017/18 als Starttermin angepeilt, dann wurde der Start um ein Jahr verschoben, dann um noch eins. Fünf Professoren werden berufen, das steht fest, aber wie und von wem? Wo soll das Institut angesiedelt, wie soll es strukturiert sein? Unterschiedliche Sehnsüchte, Ängste und Forderungen kommen hier zusammen. Ein Ziel ist, Radikalisierung von Gläubigen vorzubeugen, theologische Diskurse besser kontrollieren zu können. Gründungsbeauftragter für das Institut in Berlin ist der Historiker Michael Borgolte. Er leitet die Arbeitsgruppe, die sich damit beschäftigt, wie der Studiengang genau strukturiert sein soll, kein leichter Job in einem so stark polarisierten Feld. Borgolte ist für die Zusammensetzung im theologischen Beirat verantwortlich, der die Islamische Theologie mit aufbauen und die Professoren berufen soll. Der theologische Beirat hat ein Mitspracherecht bei den Professuren. Er kann gegebenenfalls „das Bekenntnis überprüfen“, also ein Veto einlegen, wenn er das religiös begründen kann.Schwierig für die Einrichtung des Instituts ist, dass der Islam nicht so organisiert ist wie die Kirchen mit ihren hierarchischen Strukturen. Wie können also die Muslime repräsentiert werden und so die Gründung des Instituts mitgestalten? Hier wird auf muslimische Verbände zurückgegriffen. Mit dabei sind die türkische Ditib, die Islamische Föderation Berlin, der Verband der Islamischen Kulturzentren, der Zentralrat der Muslime und die Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands. Diese großen muslimischen Verbände sind traditionell konservativ, repräsentieren eben auch die Mehrheit der Muslime. Die Aleviten wiederum sind nicht vertreten, eine Juniorprofessur für Alevitische Studien ist allerdings vorgesehen. Der größte Verband, die Ditib, steht dem türkischen Staat nah. Gerade erst riefen Imame dazu auf, für eine siegreiche Offensive gegen das kurdische Rojava in Syrien zu beten.Viel Kritik wurde daran geübt, dass keine liberalen Verbände im Beirat vertreten sind. Um sich eine Konfrontation mit den konservativen Verbänden zu ersparen? Nushin Atmaca ist Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes (LIB), der vier Gemeinden, darunter eine in Berlin und eine in Köln, betreibt und eine „liberale progressive Sichtweise“ vertritt. Der LIB wäre gern Teil des Beirats geworden. Atmaca dazu: „Wir sind ein Teil des Spektrums. Da kann man nicht nur nach Zahlen gehen.“ Unterstützung kam von der Berliner CDU, die sich dafür starkmachte, liberale Verbände miteinzubeziehen. Auch die Rechtsanwältin Seyran Ateş, die die liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin gegründet hat, sprach sich Ende Januar in einem offenen Brief dafür aus, liberale Verbände einzubinden.Gute und schlechte Muslime„Mit der Ausbildung von islamischen Theologen in Deutschland sollte doch eigentlich erreicht werden, dass auch andere als die traditionell-konservativen Inhalte im Studium vermittelt werden können. Wir wollten uns unabhängig machen von Imamen, die in anderen Ländern ausgebildet wurden und von der Lebensrealität in Deutschland wenig mitbekommen haben“, so Ateş in ihrem offenen Brief. Atmaca vom LIB sieht die Gefahr, dass in gute und schlechte Muslime unterteilt wird. Die Islamische Theologie müsse Raum dafür bekommen, ihre eigenen Diskussionen zu führen. „Also nur weil jetzt Islamische Theologie auch in Deutschland studiert werden kann, heißt das nicht, dass alle Muslime eine liberale Lesart befürworten werden“, sagt sie.Wie die Islamische Theologie in Berlin institutionell angebunden sein kann, wurde lange verhandelt. An der Freien Universität (FU), wo es eine starke Islamwissenschaft gibt und eine kleine Katholische Theologie? An der HU? Oder in einem gemeinsamen Projekt, das den interreligiösen Dialog stark macht? Die Wahl ist auf die Philosophische Fakultät der HU gefallen. Die HU hat eine große Evangelische Theologie mit eigener Fakultät. Es gab auch Stimmen, die dafür plädierten, die Islamische Theologie dort anzusiedeln, antireligiöse Vorurteile in der Philosophischen Fakultät wurden befürchtet. Er sei gegen eine „multireligiöse Mischfakultät, in der bekanntlich alle Katzen grau sind“, so der Dekan der Evangelischen Theologie Christoph Markschies in der Herder Korrespondenz, einer theologischen Monatszeitschrift.Placeholder authorbio-1
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