Kein Abbild

„Wonder Woman“ Hollywood will Kohle machen – und das geht auch mit Heldinnen
Ausgabe 24/2017

Sich im Sessel zurücklehnen und einer Frau dabei zusehen, wie sie die Welt rettet? Ja, will ich! Die Begeisterung über die Verfilmung eines Superheldin-Comics hallt durchs Netz. Kritikerinnen weinen gerührt, während sie Wonder Woman beim Kämpfen zuschauen. Und mit Patty Jenkins hat der Film auch eine Frau als Regisseurin.

Diskussionen um das feministische Potenzial von Blockbustern sind nichts Neues. Im vergangenen Jahr brachte Sony Pictures Ghostbusters mit weiblichen Rollen raus. Wütende Männer fühlten sich um ihre Kindheit betrogen. 2015 witterten bei Mad Max: Fury Road Männerrechtler gar das Ende des Actionfilms. Und jetzt bei Wonder Woman wird wieder die Frage gestellt: Wie feministisch ist dieser Film?

Anders als zum Beispiel Batwoman ist Wonder Woman kein Abbild eines männlichen Helden in weiblich. Wonder Woman ist im DC-Comic-Kosmos Teil des Volks der Amazonen. Die sind Kämpferinnen, die in einem Paradies leben, in dem es keine Männer und keine Heteronormativität gibt. Anfang der 1940er Jahre erfand der Psychologe William Moulton Marston die Figur, wohl in Zusammenarbeit mit seiner Ehefrau Elizabeth Holloway Marston und inspiriert von seiner Geliebten Olive Byrne. Die drei wohnten zusammen. Polyamorie gab es damals auch schon. Marston war der Überzeugung, dass Comics pädagogisches Potenzial besitzen, und dass Mädchen weibliche Vorbilder brauchen, die Macht und Stärke verkörpern.

Kinofilme werden aber nicht von Natur aus immer feministischer. 2016 waren nur sieben Prozent der Top-250-Filme in den USA von Regisseurinnen, weniger als im Vorjahr. Wenn Frauen Geschichten erzählen, haben die weiblichen Charaktere oft dunkle Seiten, Widersprüche. Die meisten Filme bestehen nicht mal den Bechdel-Test: Es gibt in ihnen also nicht zwei Frauen, die sich über etwas anderes als einen Mann unterhalten. Ich brauche nicht das Vorbild, ich will viele tiefgründige Charaktere auf der Leinwand sehen.

Der Erfolg des Films bedeutet für Hollywood: Es kann die Idee begraben vom weißen Hetero-Mann als einzigem Charakter, mit dem sich alle identifizieren können, – und wenn die Hauptfigur diesem nicht entspreche, gehe nur ein Nischenpublikum ins Kino. Wonder Woman zeigt, dass das Quatsch ist. Hollywood will Kohle machen und das geht auch mit Heldinnen. Wer kommt mit ins Kino?

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