Von Gyros bis Moussaka: Die griechische Küche erfindet sich neu

Der Koch Und nach dem Einkauf „zum Griechen“: In der alten Bundesrepublik war das Gyros, was später der Döner wurde. Auf der Suche nach der Kleine-Leute-Küche aus Hellas
Ausgabe 21/2023
Griechisches Soulfood: Souvlaki auf den Straßen Athens
Griechisches Soulfood: Souvlaki auf den Straßen Athens

Foto: Imago/Pacific Press Agency

Im Dorf meiner Kindheit gab es Mitte der 1980er Jahre neben den beiden gutbürgerlichen Gaststätten irgendwann auch ein griechisches Restaurant. Das befand sich neben dem Rathaus und hieß passenderweise „Akropolis“. Ich erinnere mich an gefüllte Bifteki, an Souvlaki-Spieße und natürlich an Gyros – mit Pommes frites, rohen Zwiebeln und einer ordentlichen Portion Zaziki. Die Karte war überaus fleischlastig, die meisten Gerichte beherzt überwürzt und dazu gab es geharzten Retsina.

Aber die Akropolis war ein Ort, an den meine Eltern uns Kinder – wenn auch sehr selten – auch mal ganz ohne Anlass ausführten. Die deutschen Restaurants blieben runden Geburtstagen und anderen Familienfeiern vorbehalten, was im Falle meiner Eltern vor allem an den gutbürgerlichen Preisen gelegen haben wird. Zudem gab es da eine gewisse kulinarische Neugierde, die mit Käse aus Schafsmilch und einer gehörigen Prise Oregano zielgerichtet bedient wurde. Und so wurden die Einkaufsexkursionen in die nahe Kreisstadt gerne mit einem Pita Gyros im Grillimbiss abgeschlossen. Der lag neben dem Eingang zum Rotlichtviertel und trug ebenso passend den Namen „Aphrodite“.

All das ist inzwischen lange her und viele der griechischen Restaurants und Imbissbuden gibt es nicht mehr. Nicht selten zog es die Köche und Inhaberinnen im Alter zurück in die Heimat – und darüber hinaus hat „der Döner“ aus unterschiedlichen Gründen „das Gyros“ als bundesdeutsche Schnellmahlzeit abgelöst.

Seit einiger Zeit ist aber auch hierzulande gelegentlich die Rede von der „neuen griechischen Küche“. Kochbücher werben mit „mehr als Gyros und Zaziki“. Und 2022 erklärte der Kölner Stadtanzeiger das „Phaedra“ in der Südstadt zum Restaurant des Jahres – mit Gerichten wie hausgemachter Pita mit Fleur de Sel, weißem Tarama mit Schnittlauchöl und geschmorter Schulter vom Salzwiesenlamm mit Aubergine, Cumin und Koriander.

Neulich in Athen aber machte ich mich, fernab des mediterranen Fine Dinings und aus rein nostalgischen Gründen, auf die Suche nach dem Geschmack von früher, nach einer verlorenen Zeit, in der Essen nicht immer und unbedingt leicht, vital und gesund sein musste.

Würze, Fleisch und Durst

Wo kam all das eigentlich her, fragte ich eine griechische Kollegin. Die ganze Würze, all das Fleisch und der Durst danach? War das der Geschmack einer bestimmten Region? So wie etwa die hiesige Vorstellung von türkischer Küche nach wie vor in großen Teilen auf anatolischen Traditionen beruht? Kamen die Griechen und Griechinnen jener Jahre allesamt aus demselben Landstrich?

Die Kollegin schüttelte den Kopf. Eine regionale griechische Küche habe es damals nicht gegeben. „Was du suchst“, erklärte sie mir, „ist die einfache Küche vom Land, die Gerichte, die man in der Taverna bekommt, das Essen, das die Eltern ihren Kindern in die Stadt schicken.“

Erst nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch, mit dem zeitweisen Rückzug aufs Land und der Suche nach einer neuen Identität entdeckten auch die urbanen Restaurants die eigenen kulinarischen Wurzeln. Seitdem gibt es nicht nur in den Tavernen auf dem Dorf, sondern überall Mezedes und in Städten wie Athen, Thessaloniki oder Patras kaum ein Restaurant, dass Moussaka, Pastitsio und Stifado nicht ständig aufs Neue dekonstruiert und wieder zusammensetzt.

Man habe nach wie vor aber ein ambivalentes Verhältnis zum Dorf. Einerseits liebt man das Hinterland, andererseits schämt man sich auch ein bisschen für eine vermeintliche Rückständigkeit. „Wenn wir früher gut essen gehen wollten“, so die Kollegin, „dann gingen wir zum Italiener.“

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