Nordstream-Sabotage: Das fossile Zeitalter ist endgültig vorbei

Energiekrise Unabhängig davon, wer sie gesprengt hat – die Gaspipeline Nordstream ist Geschichte. Wie eine sichere Energieversorgung in Zukunft aussehen könnte

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Im Untergang der fossilen Energie machen sich die Erneuerbaren bereit zu übernehmen
Im Untergang der fossilen Energie machen sich die Erneuerbaren bereit zu übernehmen

Foto: Khaled Desouki/AFP via Getty Images

Mit der Pipeline ist auch die deutsche fossile Energiepolitik endgültig explodiert. Nach der Politik der letzten Jahrzehnte, die Deutschland zu 70 Prozent von fossilem Gas aus Russland abhängig gemacht hat, ist die Wirtschaft nun auf kaltem Entzug. Scholz und Habeck versuchen zwar, mit Shoppingtouren in Katar, Kanada und Saudi-Arabien die Zeit des billigen Stoffs zu verlängern – nur noch eine Tankladung, nur noch ein Terminal, nur noch ein paar Jahre. Doch das Zeitalter der globalisierten, fossilen Energieversorgung ist, das wird inzwischen auch den Letzten klar, zu Ende. Doch damit stellt sich die Frage: Wie sieht in Zukunft eine sichere Energieversorgung aus?

Ich denke, die Antwort muss lauten: Lokal, erneuerbar, vergesellschaftet.

Für eine sichere Energieversorgung müssen wir erstens die Energiequellen Europas nutzen, statt uns von unsicheren und zerstörerischen Lieferanten abhängig zu machen. Wind, Solar und Wasserkraft funktionieren dezentral und sind somit geschützt vor Krisen und Kriegen. Lokale, sichere Quellen schützen uns vor globalen Abhängigkeiten.

Zweitens muss eine sichere Energieversorgung schnell von fossil auf erneuerbar umgestellt werden, denn die Klimakatastrophe hat bereits begonnen. Je schneller wir diese Umstellung schaffen, desto mehr der destabilisierenden Auswirkungen können wir noch verhindern.

Drittens müssen wir uns vom Prinzip der Profitmaximierung in der Energieversorgung verabschieden. Statt dass Wenige auf Kosten der Vielen verdienen, müssen wir die lokale, erneuerbare Energieversorgung in gemeinsamen Besitz bringen – eine lokal verankerte, vergesellschaftete Energieversorgung, von der Anwohner:innen und Kommunen direkt profitieren.

Eine sichere Energieversorgung aufbauen

Für eine lokale, erneuerbare und vergesellschaftete Energieversorgung brauchen wir weitreichende politische Maßnahmen. Die Abkehr vom Marktprinzip in der Energieversorgung ist eine erste gute Maßnahme, aber bei weitem nicht ausreichend. Was fehlt ist eine entschlossene Industriepolitik der Bundesregierung, die sich traut, nicht nur den Rahmen zu setzen, sondern gestaltend einzugreifen, um eine sichere deutsche und europäische Energieversorgung aufzubauen.

Drei Vorschläge, wie das gelingen kann:

1. Sofortprogramm für Windwirtschaft

Windenergie ist Deutschlands wichtigste Energiequelle. Um den Ausbau und Betrieb dauerhaft zu sichern, braucht es eine lokale Produktion von allen Teilen der Anlagen. Nachdem die letzte Produktion von Windrotoren in Deutschland geschlossen hat, muss der Wiederaufbau der Produktion durch die Bundesregierung gefördert und in gesellschaftlichem Besitz gebracht werden, um gegen die internationale Konkurrenz bestehen zu können. Diese Produktion sollte für alle Teile der Anlagen, die nicht mehr hier produziert werden, entstehen und kann an den zuletzt geschlossenen Küsten-Standorten in Bremen und Rostock wieder aufgebaut werden.

2. Aufbau eines neuen Solar Valley in Sachsen-Anhalt

Sonnenenergie ist unsere zweitwichtigste Energiequelle mit massivem Potenzial. Einst gab es das Solar Valley bei Bitterfeld in Sachsen-Anhalt. An der Sonnenallee firmierten verschiedene Firmen und es gab eine Photovoltaik-Produktion Made in Germany. Durch das Versagen der letzten Bundesregierungen mussten diese Firmen schließen. Heute kommen über 90 Prozent aller Photovoltaikmodule aus Asien. Um diese Abhängigkeit zu überwinden, muss die Regierung den Wiederaufbau des Solar Valleys in Sachsen-Anhalt mit einem großangelegten Förderprogramm vorantreiben. Dafür muss, unter Berücksichtigung von Qualitätsstandards, die Abnahme eines Teils der gefertigten Produkte garantiert werden. In Kombination mit einer Photovoltaikpflicht für alle Hausdächer und massiver staatlicher Förderung kann schnell Investitionssicherheit hergestellt werden.

3. 15.000 Euro Ausbildungsprämie für systemrelevante Handwerksberufe

Der Umbau unseres Energiesystems ist heute die wichtigste Aufgabe, denn alle anderen Wirtschaftsbereiche hängen von einer sicheren Energieversorgung ab. Dieser Aufbau erfordert viel Arbeitskraft und technisches Know-How. Deshalb brauchen wir einen größeren Anreiz für mehr Ausbildung. Um der Ausbildung einen Push zu geben, brauchen wir eine 15.000 Euro Ausbildungsprämie für alle Handwerksberufe im Bereich sichere, erneuerbare Energieversorgung. Ausgezahlt werden könnte die Ausbildungsprämie in zwei Tranchen – 5.000 Euro bei bestandener Zwischenprüfung, weitere 10.000 Euro bei bestandener Gesellenprüfung.

Das fossile Zeitalter ist endgültig vorbei. Eine neue, sichere Energieversorgung muss aus den alten Fehlern lernen. Nicht mehr global, sondern lokal. Nicht mehr fossil, sondern erneuerbar. Nicht mehr kapitalistisch, sondern vergesellschaftet. Packen wir sie an, die Energieversorgung für eine neue Zeit!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Johannes Fehr

Mitglied im Vorstand der deutschen Partei MERA25, Teil der europäischen Bewegung DiEM25, erreichbar unter johannes.fehr@mera25.de

Johannes Fehr ist kurz nach der Gründung von DiEM25 im Jahr 2016 zu DiEM25 gestoßen und unterstützt die Bewegung seitdem, zunächst als Koordinator der lokalen Gruppe in Berlin, bei Veranstaltungen und Protesten. Seine ersten Erfahrungen als Aktivist sammelte Johannes in der Anti-Atomkraft-Bewegung in Deutschland, bevor die Finanzkrise 2008 ausbrach. Jetzt arbeitet er für DiEM25 auf europäischer Ebene. Er ist Mitglied des Koordinationskollektivs von DiEM25 und stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der politischen Partei von DiEM25 in Deutschland: MERA25. Mit beiden Organisationen setzt er sich für eine transnationale Organisierung ein, die den Wandel herbeiführt, den wir auf der ganzen Welt so dringend brauchen.

Johannes Fehr

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