Die Angst vor Rot-Rot-Grün

Bundestagswahl 2017 Ein Jahr vor der Bundestagswahl formiert sich bei SPD und Grünen Widerstand gegen eine rot-rot-grüne Koalition. Die Argumente sind alles andere als originell

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Es ist seit über 10 Jahren dasselbe Spiel. Je näher Bundestagswahlen rücken, umso stärker wird über ein Bündnis zwischen Grünen, SPD und Linken spekuliert. Besonders lautstark treten dabei die Kritiker_innen dieser Machtoption auf.

Die Schimäre der "Wagenknecht-Linken"

Den Startschuss für die Torpedierung von Rot-Rot-Grün gab in dieser Woche Hamburgs zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank von den Grünen. Im obligatorischen Sommerinterview mit dem Hamburg Journal sprach sie sich mit einiger Vehemenz gegen ein Bündnis von Grünen und SPD mit den Linken aus und favorisierte für die Bundestagswahl eine stabile Zweierkonstellation. Wo die außerhalb einer Neuauflage der Großen Koalition derzeit liegen soll, verriet die Hamburger Grüne leider nicht. Schwarz-Grün scheint, glaubt man aktuellen Meinungsumfragen, bislang jedenfalls schwierig – ebenso wie Rot-Rot-Grün.

Hauptargument gegen letzteres Bündnis sah Fegebank in der "Wagenknecht-Linken", die mit "populistischen linken Parolen am rechten Rand" fische. Damit befand sie sich auf einer Linie mit SPD-Vize Ralf Stegner, der bereits im Juni Sahra Wagenknecht als eines der Haupthindernisse auf dem Weg zu möglichen Koalitionen mit der Linken bezeichnete.

Doch wieviel ist wirklich dran an der Angst vor Wagenknecht?

Ohne Zweifel – einige der Einlassungen der Fraktionsvorsitzenden der Linken im Bundestag, insbesondere bzgl. des Themas Geflüchtetenpolitik, konnten als Anbiederung an den rechten Rand (miss-?)verstanden werden.

Doch in diesen Situationen zeigte sich wiederholt, dass Wagenknecht eben doch nur eine Strömung innerhalb der Partei die Linke vertritt, die jedoch bei genauerem Hinsehen keinesfalls für die Partei als Ganzes stehen kann.

Nach ihren umstrittenen Äußerungen ergoss sich jedes Mal eine Welle der Empörung aus der eigenen Partei über die promovierte Volkswirtin. Gar ein Rücktritt wurde vom außenpolitischen Sprecher der Linksfraktion im Bundestag Jan van Aken ins Gespräch gebracht. Die beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger rügten Wagenknecht zumindest implizit. Und siehe da: Die so deutlich Angezählte ruderte immer, mal mehr, mal weniger deutlich, zurück.

Nicht weniger beliebt bei allen Kritiker_innen einer rot-rot-grünen Regierungsoption sind Verweise auf Wagenknechts "Expertisen" zur Außenpolitik. Der ehemalige Wehrbeauftragte des Bundestages, der SPD-Politiker Reinhold Robbe, gab erst kürzlich in der "Welt" zu Protokoll, ihre Äußerungen zu Bundeswehr, Nato usw. seien mit den Positionen der SPD unvereinbar. So weit, so gut. Doch auch hier gilt: Die Linke ist nicht nur oder auch nur überwiegend identisch mit den Positionierungen einer einzigen Abgeordneten inklusive einiger ihrer Mitstreiter_innen. Dass es im Falle möglicher Verhandlungen um Rot-Rot-Grün sicherlich auch ergebnisoffene und konstruktive Gespräche über die künftige deutsche Außenpolitik (Auslandseinsätze, Waffenhandel etc.) mit den Linken geben kann, signalisieren regelmäßig Parteigranden wie Gregor Gysi und Dietmar Bartsch.

Vom heißen Kochen und kalten Essen

Die aktuelle Debatte um die Regierungsfähigkeit der Linkspartei und ihre Fokussierung auf die Person Sahra Wagenknecht zeigt insbesondere eines: Die Hemmungen auf Seiten von SPD und Grünen zur wirklich zielorientierten Sondierung einer möglichen rot-rot-grünen Regierungsoption scheinen um ein Vielfaches größer zu sein, als umgekehrt die Bereitschaft der Linken zu ergebnisoffenen Gesprächen. Doch das vielfach neu aufgewärmte Argument "Wagenknecht" kann bei genauerer Betrachtung kaum stechen.

Sicherlich sind einige Initiativen aus der "Wagenknecht-Fraktion" wie diejenige nach der Auflösung der Nato Maximalforderungen und erscheinen bisweilen kaum realisierbar. Jedem politischen Menschen müsste jedoch klar sein, dass Wahlkämpfe eben in der Regel mit derartigen Maximalforderungen geführt werden, die allerdings, wenn es ans Eingemachte geht, durchaus auch zu Verhandlungsmasse werden. Hier gilt wie in vielen anderen Zusammenhängen auch: "Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird." Man kann zumindest leise optimistisch sein, dass das bis 2017 auch noch einige aus den Reihen von Grünen und SPD verinnerlichen werden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Johannes Häfner

Historiker, Büroleiter Bodo Ramelow in der Thüringer Staatskanzlei

Johannes Häfner

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