Direkte Demokratie? Nicht in Sachsen

Dresdner Koalition CDU und SPD haben am Mittwoch den Gesetzentwurf von Grünen und Linken zur Verbesserung der Bürger_innenbeteiligung im Gesetzgebungsprozess abgewiesen. Ein Kommentar

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Revolutionär waren weder der Titel noch der Gesetzentwurf selbst, den Bündnis 90 und DIE LINKE am 12. März 2015 im Sächsischen Landtag in erster Lesung vorstellten. Unter der Überschrift "Gesetz zur Stärkung der direkten Demokratie im Freistaat Sachsen" sollte kein völlig neues juristisches Instrument geschaffen werden, um ein Sachsen à la Schweiz vorzubereiten. Es ging der Opposition im Dresdner Landtag lediglich um die Reformierung dreier, schon seit 1992 in der sächsischen Verfassung verankerten, Gesetzesartikel. Ihrem Inhalt nach regeln sie bis heute die Möglichkeiten der sächsischen Bevölkerung, sich über Volksanträge bzw. Volksbegehren in den Gesetzgebungsprozess im Freistaat einzuschalten. Demokratische Partizipation par excellence möchte man meinen. Einzig die bislang irrwitzig hohen Hürden, die zur erfolgreichen Ingangsetzung eines Volksantrages bzw. Volksbegehrens überwunden werden mussten, sollten durch den Oppositionsantrag abgesenkt werden. Anstelle von 40.000 benötigten Unterschriften sollten dem Willen des Entwurfes nach schon 35.000 Signaturen ausreichen, um einen Volksantrag in Gang zu setzen. Etwas weiter ging das Papier bei Volksbegehren, welche jetzt nur noch 175.000 Unterstützer_innen (anstelle der bisher nötigen 450.000 Unterschriften) brauchen, um eingereicht werden zu können. Einzig die Neufassung eines Absatzes, der es den Parlamentarier_innen erlauben sollte, vom Landtag beschlossene Gesetze den Wähler_innen zur Abstimmung vorzulegen, ging wirklich ein gutes Stück über die derzeit bestehenden Regelungen hinaus.

Trotz allem wurde der Antrag am Mittwoch vom Verfassungs- und Rechtsausschuss des sächsischen Landtages mit den Stimmen der Regierungskoalition (SPD und CDU) sowie der AfD abgelehnt. Ein schlechtes Vorzeichen also für die Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf, die am 31. August stattfinden soll.

Pikant auch, dass sich eine CDU-geführte Landesregierung gegen mehr Elemente direkter Demokratie stellt. Hat sich doch gerade ihr Thüringer Pedant unter Führung von Mike Mohring mit einem ganz ähnlich gelagerten Vorschlag, der fakultative Referenden ermöglichen soll, im Erfurter Landtag zu Wort gemeldet.

Eine verschenkte Chance

Doch nicht nur die eigene Glaubwürdigkeit leidet unter solchen parteipolitisch motivierten Blockaden. Von einer Ausweitung direkt-demokratischer Elemente in Sachsen hätten wichtige Signale nach Innen gesendet werden können. Ein Bundesland, das seit geraumer Zeit mit Phänomenen wie Pegida und rechtsradikaler Gewalt zu kämpfen hat, hätte den Anstifter_innen solcher menschenfeindlicher Aktionen den Wind aus den Segeln nehmen können, zählt doch auch die Kritik an der mangelnder Beteiligung der Bürger_innen zu den wirksamsten Waffen im Repertoire rechter Agitator_innen.

Warum dann die Ablehnung? Eine Stellungnahme der sächsischen Staatsregierung liegt bislang nicht vor. Neben parteipolitischen Erwägungen dürften einige Angstszenarien, die regelmäßig von Kritiker_innen direktdemokratischer Partizipation vorgetragen werden, eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt haben. Angst vor der Infragestellung von Grundrechten könnte aufkommen, immer wieder geistert das Gespenst der Weimarer Republik durch die Debatten. Eine derartige Zuspitzung wäre in Sachsen auch nach einer positiven Evaluation des avisierten Gesetzentwurfes nicht zu erwarten gewesen. Die sächsische Verfassung hat für den Fall der angenommenen Verfassungswidrigkeit eines Volksantrages die Prüfung desselben durch den Verfassungsgerichtshof vorgeschrieben.

Sicher: Wer die Hürden für Volksanfragen und Volksbegehren senkt, der muss als Parlament damit rechnen, sich auch öfters mit den Anliegen des Souveräns - und das sind nun mal die Wahlberechtigten selbst- auseinanderzusetzen. Ein Mehr an bürokratischem Aufwand könnte durchaus die Folge sein.

Wer jedoch nach einer eingehenden Güterabwägung zu dem Ergebnis kommt, einer Minimierung bürokratischen Mehraufwandes müsste die Bürger_innenbeteiligung geopfert werden, der sollte sich für die Bundestagswahl 2017 lieber schon einmal auf unangenehme Überraschungen gefasst machen. Offenbar gab es in 2014 und 2015 noch nicht genug derselben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Johannes Häfner

Historiker, Büroleiter Bodo Ramelow in der Thüringer Staatskanzlei

Johannes Häfner

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