"Sozialdemokratie" à la Nahles

Europa Andrea Nahles plädiert für eine Verschärfung der Sozialleistungsregelungen gegenüber EU-Ausländern - und stürzt ihre Partei damit tiefer in die Krise.

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Kampf für soziale Gerechtigkeit? Selbstbild und Realität liegen bei der SPD derzeit weit auseinander.
Kampf für soziale Gerechtigkeit? Selbstbild und Realität liegen bei der SPD derzeit weit auseinander.

Adam Berry/Getty Images

Nicht erst seit gestern gelten als Scherzkekse all jene, die noch immer behaupten, die SPD sei eine Partei der sozialen Gerechtigkeit. Und tatsächlich – kaum ein Tag vergeht, an dem eben diese Partei der deutschen Sozialdemokratie nicht unter Beweis stellt, wie weit sie sich mittlerweile von derartigen Idealen entfernt hat.

Eine politische Bankrotterklärung

Das jüngste Beispiel in dieser langen Reihe der politischen Bankrotterklärungen hat Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles am Donnerstag geliefert – mit einem Vorstoß, den man so vielleicht von einer CSU erwartet hätte, die sich mit einer ähnlich gestrickten Initiative – Stichwort PKW-Maut – gerade eine ordentliche Abreibung aus Brüssel abholen durfte. So forderte Nahles striktere Regelungen im Zusammenhang mit den Sozialleistungsansprüchen von arbeitslosen EU-Ausländern in Deutschland. Die Planungen aus dem Bundearbeitsministerium sehen vor, dass in Deutschland wohnhafte arbeitslose Menschen aus anderen EU-Ländern, die nicht in die deutsche Sozialversicherung eingezahlt haben, erst nach 5 Jahren Ansprüche auf Sozialhilfe bzw. den Hartz IV-Regelsatz geltend machen können. Wer so lange aus naheliegenden Gründen nicht warten kann oder will, darf nach Beantragung einer einmaligen "Nothilfe", welche die elementarsten Bedürfnisse der Betroffenen für einen Monat abdecken soll, gleich noch einmal Anträge schreiben - um sich via Darlehen die "Heimreise" zu finanzieren.

Rechts blinken wird sich nicht lohnen

Die politischen Botschaften, die Nahles und Co. mit diesen Vorstößen senden, sind ebenso fatal wie nutzlos.

In einer derart aufgeheizten Stimmung, wie sie aktuell, ausgelöst durch die sog. "Flüchtlingskrise", in der Republik herrscht, so weit nach Rechtsaußen zu blinken, wird sicherlich kaum dazu führen, dass menschenfeindliche Einstellungen in einigen Teilen der Bevölkerung zurückgehen – ganz im Gegenteil. Nolens volens beteiligt man sich hier vermutlich sogar an Diskursen, die zur Verfestigung von stereotypen Vorstellungen führen könnten. Und wir wissen spätestens seit Griechenland wie schnell so etwas gehen kann. Man denke nur an die unzähligen wie unsäglichen Schlagzeilen vom "faulen Griechen" und seiner vermeintlichen Verschwendungssucht.

Doch auch von einem kühl-realpolitischen Standpunkt aus besehen, ist es mehr als unwahrscheinlich, dass solche Planungen irgendwem von größerem Nutzen sein werden - am allerwenigsten der SPD selbst. Sollte das Kalkül gewesen sein, der AfD Wähler*innen abspenstig zu machen, so wird sich in kürzester Zeit diese Taktik als völlig erfolglos erweisen. Es wirkt eben nicht sonderlich authentisch in einer völlig überstürzten Hauruck-Aktion von "Mitte-Links", wie sich das ein oder andere SPD-Parteimitglied wohl noch einschätzen dürfte, nach ganz weit rechts auszuscheren. Diejenigen Wahlberechtigten, die nach Politikentwürfen, wie dem hier thematisierten von Frau Nahles suchen, werden dann wohl doch lieber das "Original" wählen - da weiß man wenigstens, woran man ist.

SPD-Wählenden hingegen, die mit einer unsolidarischen Politik nicht liebäugeln, wird ein solches Agieren kalte Schauer über den Rücken jagen und sie in Richtung von Parteien abwandern lassen, die sich nicht nach rechts von der Fahrbahn abdrängen lassen.

Man kann es also drehen und wenden wie man will. Für die "Seehoferisierung" der SPD, wie sie der LINKEN-Bundestagsabgeordnete Jan Korte konstatierte, wird die Partei spätestens im Jahr 2017 aller Voraussicht nach einen hohen Preis zahlen müssen. Vielleicht einen höheren als Andrea Nahles heute lieb sein dürfte.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Johannes Häfner

Historiker, Büroleiter Bodo Ramelow in der Thüringer Staatskanzlei

Johannes Häfner

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