Einmal im Jahr findet auch der sonst vielleicht hektische Städter die Zeit, sich in seinen provinziellen Geburtsort zu begeben um mit seiner Familie das Weihnachtsfest zu verbringen. Unter Umständen nutzt er gar die Zeit alte Freunde, Bekannte und Nachbarn zu besuchen, die er im restlichen Jahr kaum zu Gesicht bekommt. Man trinkt, redet, spaßt. Dieses Jahr ist es anders. Topthema, zumindest in einem beschaulichen Landkreis Südthüringens, sind geflüchtete Menschen, welche hier Unterschlupf gefunden haben. Und einige Personen, die man glaubte zu kennen, zeigen ein Gesicht, von dem man nie für möglich gehalten hätte, dass es existiert.
"Wenn das wenigstens Deutsche wären!"
Schon einige Tage vor Weihnachten beginnt der Fressmarathon. Man ist bei Verwandten zum Kaffeekränzchen eingeladen. Beim obligatorischen "Und was treibst du die nächsten Tage so?" antwortet man, beinahe in einem Nebensatz: "...und den Geflüchteten bei uns vielleicht mal Kekse backen." Aus dem schön gedeckten Kaffeetisch wird binnen Sekunden dasjenige, wofür man in Erfurt und Dresden in den letzten Monaten eine Demonstrationsanmeldung brauchte.
"Dann gehen die hier ja nie wieder weg!" ist dabei erst das Singal zum Losschlagen. Aus dem sonst ruhigen, besonnen Mann, der mir gegenüber sitzt, den ich als jemanden kannte, der fest im christlichen Glauben, Nächstenliebe, zumal an Weihnachten wünschte, wird ein Mensch, von dem ich in den letzten Monaten, häufig halb augenzwinkernd, als "Wutbürger" geredet hatte.
Seine Frau stimmt mit ein. Man hätte ja nichts gegen Menschen, aber was ginge uns denn bitte "der Moslem" aus Syrien an? Die Zustände in den westdeutschen Städten seien hinlänglich bekannt und das wünsche man sich hier, einem 300-Seelen-Ort am Rande des Thüringer Waldes, nicht. Es hätte hier einmal in der Nähe einen gegeben, der Moslem gewesen sei. Der habe, wie eine Nachbarin erst gestern zu berichten wusste, seine Frau geschlagen. Daran sehe man ja überdeutlich wohin das führe mit den "Orientalen". Den Deutschen, die nach dem Weltkrieg geflüchtet seien, den habe man gerne geholfen aber: "Das waren wenigstens Deutsche! Zu denen haben wir wenigstens ne echte Verbindung!"
Der Kuchen bleibt einem im Halse stecken. Kühler als sonst verabschiedet man sich, steigt ins Auto und hofft bald wieder aufzuwachen.
4000 Euro Sozialhilfe und der dicke BMW
Noch ordentlich lädiert von diesem Schock möchte man Facebook einen Tag später schon fast dafür danken, dass es hilft herauszufinden was die Nachbarn, eigentlich immer entspannte Menschen mit schicken Autos und dem Hang zu nicht ganz billigen Urlaubsreisen, im vergangenen Jahr so gedacht haben. Zwischen doch recht nervigen Links zu noch nervigeren Online-Games finden sich so "Perlen" wie ein geteilter Beitrag über "türkische Asylanten", die sich jeden Monat ihre 4000 Euro "Ausländerzuschlag" mit dem fetten BMW vom Amt abholen. Man liest es und stellt sich Fragen. Und nein, nicht etwa solche nach der Berechtigung solcher vollkommen unsinnigen Behauptungen, die mittels zweier Klicks im Netz schnell als solche entlarvt werden könnten. Viel eher: Woher kommt diese Melange aus Hass, Wut und der Angst vor sozialer Deklassierung? Und warum ist es immer der vermeintlich "Fremde", auf den sich diese Gefühle projizieren?
Antwortversuche oder "Was tun?"
Antworten zu finden fällt schwer. Schwer auch deswegen weil man es hier mit Menschen zu tun hat, die man kennt oder zumindest zu kennen glaubte. Auf Demonstrationen gegen Pegida, NPD und Co. "Halt die Fresse!" oder "Rassisten!" zu brüllen fiel mir bisweilen, man mag davon halten was man will, nicht schwer. Zu unbekannt, zu anonym erschienen mir diese Menschen. Doch was, wenn plötzlich Nachbarn oder Verwandte dieselben Plattitüden reproduzieren? Ich für meinen Teil habe mich für die Debatte entschieden und in den letzten Tagen Gespräche mit diesen Menschen geführt. Unter anderem auch mit ehemaligen Schulfreunden und -freundinnen, die plötzlich ihre "Liebe zu Deutschland" und ihre Gegnerschaft zur "drohenden Islamisierung" entdeckt zu haben schienen.
Eines sprang mir dabei ins Auge. Auf die Frage, ob sie denn jemals eine Muslima oder einen Moslem kennengelernt hätten, verneinten die meisten - und hatten auch keine Ambitionen daran etwas zu ändern. Gut informiert über diverse größere und etwas kleinere überregionale Tageszeitungen glaubten sie alles über "islamische Terroristen", "den Islam" und all das "mittelalterliche Schariarecht" zu wissen.
Mit einem solchen ideologischen Rüstzeug bepackt ist es weiß Gott kein Wunder, dass Ressentiment nicht nur aber vor allem auch dort entsteht, wo Lebens- und Glaubensentwürfe, die dem "Eigenen" zu widersprechen scheinen, bislang kaum erfahrbar waren. Dieses Defizit abzubauen wäre zu einem Teil auch die Aufgabe der örtlichen Behörden und Entscheidungsgremien. Doch da herrscht, zumal in den kleineren Ortschaften, die Geflüchtete aufgenommen haben, wenig Interesse. Es hilft nicht, wenn im Gemeinderat ab und an wohlwollend darüber gesprochen wird, aber man die örtliche Bevölkerung dann doch lieber damit nicht belästigen möchte, dass es ab jetzt auch in ihrem Zuhause Menschen gibt, die nicht seit Generationen auf die selben Dorffeste strömen wie sie.
Menschen miteinander in Kontakt zu bringen um Vorurteile abzubauen scheint mir jedenfalls nach meinem Weihnachtsurlaub nach wie vor eine der dringlichsten Aufgaben auf dem Weg hin zu einem friedlichen Miteinander zu sein.
Und mit einem "Die Welt endet nicht am Ortsausgangsschild deines Dorfes!" verabschiede ich mich wieder Richtung Stadt. Mit einer Menge Nachdenkenswertem im Gepäck.
Kommentare 18
Doch wie sollen diese Vorurteile abgebaut werden? PR-Kampagnen und professionelle Antidiskriminierung hilft nicht. Fast alle Medien und staatlichen Dokumente klassifizieren Menschen in irgendwelche Kategorien. Mensch-XY mit Migrationshintergrund zum Beispiel. Es gibt für alles und jeden einen Stereotyp. Die Menschen müssten ihr Menschenbild ändern und das kann nur durch eigene innere Überzeugung passieren.
Es muss schlimm sein, wenn nicht alle Menschen genau so gut und rechtschaffen sind, wie man selbst. Und dann auch noch die Frechheit besitzen, ihre falsche Meinung zum Besten zu geben. Ich empfehle Orte gleich denkender Menschen aufzusuchen, z.B. die taz, die Emma oder die Freitag-Community. Wohlfühlbefehl, yeah!
Vielen Dank für Ihre Beobachtungen und auch für Ihre - sehr berechtigten - Fragen.
Menschen miteinander in Kontakt zu bringen um Vorurteile abzubauen scheint mir jedenfalls ... nach wie vor eine der dringlichsten Aufgaben auf dem Weg hin zu einem friedlichen Miteinander zu sein. - Dem stimme ich uneingeschränkt zu.
Gestatten Sie mir, in diesem Zusammenhang ergänzend auf folgende Überlegungen Carolin Emckes hinzuweisen (http://www.sueddeutsche.de/politik/kolumne-hemmungslos-1.2664340):
... Weil sie die Reinheit propagieren, brauchen die Hassenden unbedingt Eindeutigkeit. Vielleicht ist das ihre größte Schwäche: Sie können nur im Genre des geschlossenen Dogmas denken.
Dem Hass begegnen lässt sich deswegen nur, indem man sich seiner Einladung, sich ihm anzuverwandeln, also dem Hass nur mit Hass zu begegnen, widersteht. Stattdessen gilt es, das zu mobilisieren, was dem Hassenden abgeht: die Fähigkeit zur Ironie, das zweifelnde, auch Ambivalenzen aushaltende Denken und die Vision einer "unreinen", vielfältigen, offenen Gesellschaft, in der Kritik sich an Handlungen, nicht an Personen festmacht (Hervorhebung von mir, G.S.)
MfG
... Neuerdings wird auch gegen die gehetzt, die nicht hetzen wollen. Das ist eine besonders kuriose Wendung. Als seien sie Spielverderber im Ringelreihen der kultivierten Feindseligkeit. Weil die sich identitär nicht so leicht fassen lassen, wird das Etikett gleich mitgeliefert: Das sind die "Moralisten", die "Gutmenschen", die "Tugendhaften", was eine eigenwillige Form der Schmähung ist. Wer Aufmerksamkeit und Respekt gegenüber anderen nicht für Perversionen, sondern für selbstverständliche Formen der Höflichkeit hält, lässt sich durch das Wort "Gutmensch" nicht denunzieren. http://www.sueddeutsche.de/politik/kolumne-hemmungslos-1.2664340
Q.e.d.
Sehr geehrter Herr Häfner,
ihr Beitrag trieft nur so vor lauter Selbstgerechtigkeit! Einfach ekelhaft ! Werden Sie denn immer dem hohen (oder: überhöhten!) moralischen Anspruch in Ihrem eigenen Alltagsleben gegenüber Flüchtlingen gerecht ? Nein, ich werfe keine - auch nicht in Gedanken - Molotow-Cocktails auf die armseligen Flüchtlingsheime oder Zeltstädte in unserem angeblich so unermesslich reichen Land. Ich freue mich über einen freundlich lächelnden Syrer oder Afghanen, der mich höflich nach der nächsten Zugverbindung fragt und gebe Ihm (oder ihr) auch bereitwillig Auskunft. Und einer Mutter mit Kopftuch und einem Kinderwagen helfe ich gerne in den Bus, ohne großartigen Dank zu erwarten. So weit, so selbstverständlich. Und trotzdem wird mir Angst und Bange, wenn ich an die Arrroganz und Ignoranz unserer poiltischen Kaste denke, welche angesicht der anstehenden Völkerwanderung offenbar die Sorgen und Ängste Ihrer Bürgerinnen und Bürger komplett ignoriert und im besten Fall auf Tauchstation geht oder diese sogar noch als "Pack" beschimpft, wie dies unser lieber Herr Gabriel getan hat.
Es gibt - und da stimme ich Ihnen sogar zu - keine Legitimation für Fremdenhass! Aber es offenbart einen eklatanten Mangel an politischer Kultur unseres Landes, die Bürgerinnen und Bürger mit Ihren Vorbehalten und Ängsten vollkommen alleine zu lassen (denn schließlich sind ja nicht alle so unglaublich gebildet und differenziert wie Sie, lieber Herr Häfner, das werden Sie doch wohl nachvollziehen können, oder ?).
Statt Fakten zu bringen und im kritischen Diskurs mit Ihren Lesern um tragfähige, vernünftige Lösungen zur Bewältigung dieser historischen Herausforderung zu "ringen" ( das, was eben ehrenwerten Joutrnalismus ausmacht und jenseits des sogennanten "Mainstream" auch "adelt") warten Sie hier mit albernen, weil abgedroschenen "Platitüden" auf - wie langweilig; vom "Freitag" bin ich deutlich Besseres gewohnt !
Geistige Brandstifter haben offensichtlich mit ausländerfeindlichen, populistischen Parolen Erfolg!Sie befürchten eine übermäßige Islamisierung unseres Landes?
Dann gehen sie wieder in die Kirchen und pflegen Sie wieder unsere christlich-abendländische Kultur!
Sie befürchten eine Überfremdung unseres Landes?
Dann setzen sie mehr Kinder in die Welt und schaffen eine kinderfreundliche Umgebung!
Sie befürchten eine Beeinträchtigung der kulturellen Statik unseres Landes?
Dann wehren sie sich gegen Auswüchse der Globalisierung (man muss nur mal mit offenen Augen durch unsere Einkaufsmeilen gehen: weitgehend durch internationale Ketten gleichgeschaltet)! Und warum sollen eigentlich nur Geldströme und Waren frei über die Grenzen fließen können, nicht aber Menschen?
Sie befürchten, dass unser Land wirtschaftlich überfordert wird?
Dann helfen Sie mit, Flüchtlinge schnell in das Arbeitsleben zu integrieren, damit sie ihren Unterhalt selbst verdienen sowie Steuern und Beiträge zahlen können!
Sie befürchten, dass es in unserem Land zu eng wird?
Dann stellen sie sich einfach mal vor, die Familienpolitik unserer Regierung wäre so erfolgreich, dass die beklagte, extrem niedrige Geburtenrate sich verdoppeln würde (das wären dann auch fast 800 Tausend zusätzliche Kinder pro Jahr), um die demografische Lücke zu schließen. Hätten sie dann auch Probleme mit einem solchen Ansturm neuer Bürger? Hätten Sie auch Angst, dass diese unserem Sozialstaat auf der Tasche liegen würden, dass diese noch weitgehend unqualifiziert für den Arbeitsmarkt wären, dass diese Ihnen oder ihren Kindern später den Arbeitsplatz wegnehmen würden, dass einige von diesen sich später zu Terroristen entwickeln könnten, dass sich darunter ca. 50% junge Männer befinden?
Sie befürchten, dass sich unter den Flüchtlingen Terroristen befinden?
Keine Sorge, dagegen hat doch die Regierung die Vorratsdatenspeicherung beschlossen!
Sie befürchten, dass Deutschland morgen nicht mehr ihr Land sein wird?
Dann machen sie es wie die Flüchtlinge: migrieren sie, gewissermaßen aus Asyl-politischen Gründen, in ein ihnen wohlgesonneneres Land!
Wie wäre es mit Ungarn? Oder Syrien? Oder nach Afrika, das voll von "wunderbaren" Negern ist?
Falls sich die Scharfmacher a la Seehofer u.a. durchsetzen befürchte ich:
Abschied von einem offenen, freizügigen Europa ("Schengen"-Europa) durch Grenzschließungen/Kontrollen.
Fehlende Erntehelfer, Krankenschwestern etc. u.a. aus Osteuropa durch Zuwanderungsstop und eingeschränkte Mobilität.
Vergrößerung der demografischen Lücke mit Überalterung der Gesellschaft.Rechte Gewalt wird in Deutschland wieder hoffähig.
Verkehrte Welt?
http://youtu.be/QqoSPmtOYc8
Viel Spaß beim Anhören!Im übrigen: Allein rd. ein Drittel der Kommunen in Bayern haben bisher noch keinen Flüchtling "gesehen". Von Überforderung kann daher nicht die Rede sein. Und die Politik lässt ein solch unsolidarisches Verhalten durchgehen bzw. befördert es noch!
Rock-Blogger, Blog-Rocker und Roll'n Rocker Sigismund Rüstig posted auf multimediale Weise Meinungen und Kommentare zu aktuellen Reiz-Themen in Form von Texten und Liedern.
schöner post
Ja, wirklich ekelhaft, wenn sich jemand gegen Fremdenfeindlichkeit und für das Abbauen von Vorurteilen ausspricht. Geht gar nicht. ???
Die "besorgten Bürger" werden im Gegensatz zu Ihren Behauptungen viel ernster genommen als sie es eigentlich verdient hätten. Als 250.000 Bürger, die besorgt wegen TTIP sind, in Berlin demonstriert haben dieses Jahr war das eine kurze Meldung in den Agenturen und Zeitung und wurde weder wirklich ernst genommen noch thematisiert; LEGIDA, PEGIDA, facebook-Hetzer etc. sind medial dauerpräsent. Ein B. Höcke sitzt bei Jauch neben dem Justizminister. Die Behauptung, die verkappten Fremdenfeinde aka "besorgten Bürger", würden nicht ernstgenommen ist also offensichtlich schlicht und einfach falsch! Von CSU und anderen (ja, die Politiker bzw. die da oben), die in einer Tour "besorgten Bürgern" nach dem Maul reden, will ich mal gar nicht anfangen.
Punkt 2: Die "besorgten Bürger" sind sonst nie so geballt "besorgt" obwohl es doch genug Themen gibt bei denen man sich Sorgen machen könnte: Klimawandel, Schere zwischen Arm und Reich, Trinkwasser, Kriege, Datenschutz, die europäische Idee, Werte, multiresistente Keime, Donald Trump, Unterfinanzierung der Kommunen...
Nein, die "besorgten Bürger" waren niemals vergleichbar engagiert bei irgendwelchen Themen, nur wenn es um "die Flüchtlinge" geht sind sie alle und kollektiv auf Zinne. Dann geht es los mit dem "Ja, aber..."
Da kann man sich die Argumente sparen, die Sie im Netz zuhauf recherchieren könnten (von wegen man würde auf die "Sorgen" nicht eingehen) und die man kurz und knapp so zusammenfassen könnte: Nein, Deutschland wird nicht untergehen, weil wir Flüchtlinge aufnehmen, auch nicht wenn es viele sind.
"Sorgen" sind ja zum Glück eine eher emotionale Sache, da will und braucht man sich durch Argumente freilich nicht zu Reflektion drängen lassen.
Ich weiß Sie finden das ganz gemein, aber es ist leider ganz offensichtlich, dass Ihre und des "besorgten Bürgers" "Sorgen" bestenfalls Ressentiment, sehr oft aber auch schlicht und einfach Fremdenfeindlichkeit sind. Und wenn man sich dann hübsch gegenseitig bestärkt in seiner Hysterie und Angst vor dem Fremden, dann wird daraus halt schnell Fremdenhass, dessen Früchte wir dieses Jahr zur Genüge bestaunen dürfen.
Wie schnell aus dem braven Bürger ein Brandstifter, Gewalttäter, Hassredner etc. wird, wie schnell aus "Bedenken" Hetze und aus Hetze rechter Terror entsteht macht dem "besorgten Bürger" freilich auch keine Sorgen...da hat er irgendwie Verständnis und am Ende sind ja doch wieder die Flüchtlinge schuld und "die da oben" die sie reinlassen...
Es fehlte der Hinweis, dass mein post sich auf den vorherigen von BBriele bezog...
Und Siegmar Gabriel (für den ich übrigens keinerlei Sympathie hege; trotzdem würde ich ihm keinen symbolischen Galgen baste) hat rechtsradikale Gewalttäter, die ein Flüchtlingsheim in Heidenau angriffen, als Pack bezeichnet. Damit sind die Herrschaften imho noch vergleichsweise gut bedient. Sind das für Sie auch "besorgte Bürger" die man mal ernster nehmen sollte?
Sehr geehrter SCH123,
mit Ihrer harschen Kritik muss ich wohl leben. Es ging mir in meiner Replik auf den - wie ich nach wie vor finde - allzu selbstgerechten Artikel des Herrn Häfner sicher nicht darum, eine Lanze für "dumpfe Ressentiments" zu brechen
Aber die Politik kann und muss mehr tun, wenn man den sozialen Frieden im Land aufrecht erhalten will. Dazu gehört eben auch, sich ganz konkret auch an diejenigen Menschen zu wenden, welche die Einwanderung von Flüchtlingen als Bedrohung wahrnehmen. Wollen Sia allen Ernstes die "besorgten Bürger" - wie Sie sie spöttisch nennen - in Bausch und Bogen allesamt als "Dumpfbcken" aburteilen, mit denen ein Diskurs gar nicht lohnt? Dann allerdings steht Schlimmes zu befürchten...
Zum "Gesamtpaket" politischer Massnahmen gehört meiner Meinung nach allerdings auch - vielleicht vermag Sie das ein wenig zu besänftigen - dass erkennbar rechtsexttreme Auswüchse (Galgen für Gabriel und Merkel, Puppenverbrennungen, öffentliche Hetztiraden etc.) unmittelbar und mit der ganzen Härte des Strafrechts geahndet werden. Aber auch dazu ist man offenbar zu träge oder zu feige...
Dass die Auseinandersetzungen um TTIP in der öffentlichen Wahrnehmung medial klein gehalten wird, um möglichst eine ehrliche Diskussion über dieses heikle Thema vom Bürger fernzuhalten widerspiegelt doch - und ich hoffe, Sie können mir wenigstens in diesm Punkt folgen - ganauso den eklatanten Mangel an politischer Kultur! Die "Obrigkeit" hat einen Plan (wirklich?) aber der wird nicht verraten... Entspricht das unserer Vorstellung von Demokratie ?
Das Geschilderte entspricht auch in etwa meinen Wahrnehmungen. Selbst in der näheren Verwandschaft taten sich unlängst Abgründe auf. Manchmal frage ich mich , ob ich denn verblendet bin, weil mir die in den Aussagen und Argumenten meiner sonst so lieben Mitmenschen vorherrschende Emotion fehlt: Angst. Jedenfalls in diesem Ausmaß oder in diese Richtung projiziert. Vielleicht habe ich Vorteile dadurch, dass ich als Arbeiterkind in einer Zechenstadt mit vielen, auch muslimischen, Ausländern aufgewachsen bin und deren Lebensweise sozusagen aus der Nähe betrachten konnte. Es war einfach Alltag, Kopftücher kein seltener Anblick und im Kindergarten haben wir mit Romakindern gespielt und "Bruder Jakob" auf türkisch gesungen. Das ist vielleicht ein kleiner Vorteil gegenüber sächsischen Mitbürgern, kann aber nicht der Hauptgrund sein. Es ist die Mischung aus Angst, Ohnmachtsgefühlen und wohl auch Rudelverhalten. Die Wahrnehmung ist schon verzerrt, Migranten werden zur Projektionsfläche für durchaus reale Ängste was z.B, (Alters-) Armut angeht.
Wie damit umgehen? Debatten, immer wieder Debatten führen. Auf die wahren Schuldigen der Misere hinweisen und Perspektivwechsel einfordern. Wachrütteln. Im Rahmen der eigenen Möglichkeiten.
Seit vielen vielen Jahren werden Debatten über Migration und Einwanderung geführt. Merkel wurde harsch kritisiert, weil sie lange ein Einwanderungsgesetz blockiert hat und "Multikulti" für gescheitert erklärte.
Jetzt schlägt sie eine andere Richtung ein und - auf einmal - zeigt sich, dass viele, die gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus zu Felde zogen, weils ja folgenlos war und nichts kostete, eigentlich ganz anders denken.
Es wird sicherlich nicht einfach werden in diesem Lande, aber die "besorgten Bürger", die ich kenne, wollen eigentlich bisher nur, dass alles so bleibt wie es ist und die Geflüchteten wieder verschwinden oder gar nicht erst kommen.
Was soll man dazu sagen? Deutlicher wird, dass so manche Haltung blanke Heuchelei war und andere wieder - Gottseidank - zu "Gutmenschen" werden und sich nützlich machen. Auch die haben Sorgen - aber andere und berechtigte. Integration kann scheitern, wenn der Beginn schon so wirr und ungeordnet ist.
Wie damit umgehen? Debatten, immer wieder Debatten führen. Auf die wahren Schuldigen der Misere hinweisen und Perspektivwechsel einfordern. Wachrütteln. Im Rahmen der eigenen Möglichkeiten.
Sie bringen es auf den Punkt! Danke.
Arbeitslose und Fluchtopfer im Kapitalismus.
Konnte Frau+Mann bereits auch schon "sehr viel über menschenfeidliches und stereotypes Denken -- und über die eigene Nachbarschaft" ausgiebig nach Einführung des modernisierten (sozialdarwinistischen und kapitalfaschistischen) Hartz-IV-Strafvollzugs für Erwerbslose ab Januar 2005 kennen lernen.
Von diesem bereits vorhandenen Denken, auch mit seiner Fortführung, vor und bei Einführung des sozial- und kapitalpartnerschaftlichen Mini-Mindestlohns, bei großen Teilen der deutschen 'Volksgemeinschaft, konnte allenfalls die "Flüchtlingskrise" (heute wohl zeitweilig) ablenken und sich damit auf ein neues (aber historisch altes) Opfer fokussieren.
Natürlich, die Befreiung der Werktätigen, ob in fremdbestimmter Erwerbsarbeit oder fremdbestimmter Arbeitslosigkeit und sozialer Armut, kann nur das Werk der Werktätigen sein. 'Dank der Partei der Sozialdemokratie und der 'Gewerkschaften der 'Sozialpartner der Bourgeoisie und Aktionäre hat auch die werktätige 'Volksgemeinschaft die Solidarität mit den sozialen und politischen Opfern des Kapitalismus und Imperialismus, mit den Arbeitslosen und Flüchtlingen 'dauerhaft verlernt.
Diese Folgewirkungen der fehlenden Solidarität und fehlenden sozialen und politischen Emanzipation, seit 1933 und in Ostdeutschland insbesondere nach 1989/90, werden früher oder später der bundesdeutschen 'Volksgemeinschaft [aller sozialen Klassen und Schichten] der Quandtschen Finanz- und Monopolbourgeoisie und deren Sozialpartner_innen auf die sozial- und gesellschaftspolitischen Füße fallen.
Arbeitslose und Fluchtopfer müssten ihre sozialpolitische Gemeinsamkeit und ihre wahren gesellschaftlichen [Klassen-] Feinde zu begreifen und zu erkennen lernen. Dies wäre ein Anfang für die gemeinsame soziale und politische Befreiung und Emanzipation [Aufhebung der Entfremdung].
Hallo BBriele,
vermutlich liegen wir in vielen Punkten gar nicht so weit auseinander. Ich sehe genau wie sie politische Defizite und Versäumnisse, natürlich auch in der Flüchtlingspolitik.
Die "besorgten Bürger" sind für mich Unwort des Jahres und rotes Tuch, weil sich halt sehr, sehr oft schlicht und einfach xenophobe Unker (und Schlimmere) und auf der anderen Seite (also in der Politik) Rechte so etikettieren, die aus Xenophobie Kapital schlagen wollen und die entsprechenden Nebenwirkungen billigend in Kauf nehmen.
Natürlich heißt das aber nicht, dass jeder der sich Sorgen macht hinsichtlich der Flüchtlingspolitik, per se eine Dumpfbacke oder ein Rechter ist. Genauso wenig ist jeder, der optimistischer in dieser Frage ist, ein selbstgerechter oder dogmatischer Naivling/Traumtänzer/Gutmensch, auch wenn sich dafür sicher Beispiele finden lassen.
Was mich ärgert bei vielen "besorgten Bürgern" ist, dass es unter Ihnen so viele gibt, die ansonsten politisch weder interessiert noch informiert, geschweige denn engagiert sind, nun aber Schaum vorm Mund kriegen, wenn es politisch nicht sofort so läuft wie sie es sich vorstellen. Oft genug werden dann Wahnvorstellungen vom Ende der Demokratie und der Meinungsfreiheit mit einem ordentlichen Schuss völkischem Denken verrührt, mit sehr unappetitlichem Ergebnis.
Ebenso ärgern mich die Poltiker, die sich sonst einen Sch... um das Wohl des Bürgers scheren, aber sobald es um das Schüren von Ängsten gegenüber allen/allem Fremden geht, nicht müde werden zu betonen, wie wichtig es sei, die "Sorgen" der Bürger ernst zu nehmen.
Ich habe den "strukturellen Rassismus" des Ostens stets für ein Klischee gehalten. Erst seitdem ich meine Freundin und Mutter meines Kindes aus Südthüringen und dementsprechend ihre "rurale" Verwandschaft kennenlernen durfte, hat sich dieses Bild gewandelt. Ich glaube mittlerweile, dass es in Ostdeutschland (vor allem abseits der Zentren) einen tief verankerten, allgemeinen und stumpfen Alltagsrassismus gibt. Dies ist gewiss keine allzu spannende Erkenntnis, für mich als durchschnittlichem, studierten Westdeutschen war es aber doch überrschend, wie selbstverständlich im Umfeld meiner neu dazugewonnen Verwandschaft ganz allgemeine Stadnards des gewöhnlichen Diskurses unterlaufen werden. Diese Beobachtung wurde mir im weiteren Verlauf meiner Beschäftigung mit dem Thema bestätigt. Dabei ist es doch logisch: Wieviele Vorurteile schlugen den Gastarbeitern der 60er Jahre entgegen? Wie lange dauerte es, bis Pizza und Dönerganz selbstverständlich Teil des Westdeutschen Alltages wurden, wieviel trug zum Zusammenleben bei, dass in Wirtschaftswunderzeiten der neu gewonnene Wohlstand für Reisen über die Alpen in den Süden verwendet wurde? All das hat es im Osten nie gegeben! Der Titanic-Scherz der ersten Banane hätte ebenso gut mit Auberginen, Zuccini und Oregano funktioniert! Abgesehen von einigen vietnamesischen Immigranten hing und hängt der interkulturelle Austausch der Bürger Ostdeutschlands dem der Westdeutschen Jahrzehnte hinterher. Die Gewöhnung an Fremdheit und Andersartigkeit im Westen konnte dabei vor einem ökonomisch prosperierendem Hintergrund stattfinden. Die Angst vor Wohlstandsverlust war in den 60er Jahren für weite Teile der Bevölkerung abwegig. Nun verlangen wir von einem in weiten Teilen ökonomisch kahlgeschlagenen Ostdeutschland den Erwerb des gleichen natürlichen Umgangs innerhalb von 25 Jahren. Das kann natürlich nicht funktionieren. Für viele Menschen Thüringens, Sachsens usw. ist eine Pizza heute noch so exotisch wie im Castrop-Rauxel der 60er Jahre. Mündiger, offener und reflektierter Weltbürger wird man nicht "über Nacht", schon gar nicht mit einer kleinstbürgerlichen und engstirnigen Vorprägung einer DDR und in Zeiten dauerhafter wirtschaftlicher Krise, Perspektivlosigkeit und einem persönlichen Gefühl der Abgehängtheit. Dieses Dilemma darf nicht übersehen werden, vor allem darf daraus keine westdeutsche Selbstherrligkeit abgeleitet werden. Hier hat es selbst eine Menge Glück, Input und Zeit gebraucht, bis Selbstverständlichkeit im interkulturellen Austausch möglich wurde
Was ist denn mit den Menschen die die Flüchtlinge als Menschen gar nicht ablehnen sondern nur die Ideologie die diese zumeist anhängen. Ich finde es schlicht diffamierend wenn man sich kritisch mit der Ideologie "Islam" befasst und dann gleich mit Pegida oder der AfD in einen Topf geworfen wird.
Leider gibt es in Ostdeutschland viele Neonazis - allzuwahr. Aber das erklärt überhaupt nicht die Masse an Menschen die dann doch zu Pegida gehen. Viele dort sind keinesfalls Nazis sondern haben schlicht das ohnmächtige Gefühl dass die Poltik unser Land einfach so verändert in einer nicht revidierbaren Weise.
Gerade im Osten - nicht nur in Deutschland hat die Nationalität einen höheren Stellenwert als im Westen. Daher auch die viel stärkeren Bestrebungen sich gegen kulturellen Wandel - zum Beispiel die Erhöhung der Anzahl der Muslime was unweigerlich zu einem Wandel unserer Gesellschaft führen wird - zu widersetzen. Das war und ist der Grund für den rechtsruck in praktisch allen osteupopäischen Staaten.
Die widergewonnene Freiheit ist halt viel zu jung und die Sorge diese zu verlieren zu groß.
Ein weitere Faktor ist schicht das extrem miese Bild das der Islam weltweit bietet. Es ist ja nicht nur so dass dieses Bild von Extremisten bestimmt wird, nein die rückständige Kultur ist in jedem muslimischen Land mehr als deutlich.
Deshalb sind Sätze wie "Der Islam gehört zu Deutschland" wahre Brandsätze im warsten Sinne des Wortes und jede öffentliche "Aufführung" sind jedesmal ein Segen für die AfD und Co. weil sie denen massenhaft Stimmen bringt.
Es muss doch noch nicht extreme demokratische Parteien geben die es schaffen zwischen den Menschen "Flüchtling" und der Idiologie zu trennen und dem einen zu helfen und das andere dehalb nicht verharmlosen und ignorieren!