Gewürze, Gefühle, Genuss: Das Wärme-Menü zum Silvesterabend
Rezepte Während wir vor einem Jahr noch heimlich mehr Gäste einluden, als die Vernunft erlaubte, steht dieses Jahr die Energiekrise ganz oben auf dem Zettel. In der Küche lässt sich abseits der Nutzung von Kohle, Gas oder Öl wohlige Wärme erzeugen
Absoluten Kultstatus erlangte die Feuerzangenbowle durch Heinz Rühmanns gleichnamigen Film von 1944
Foto: Imago/YAY Images
Schärfe: Kimchi
Das in Chilis enthaltene Capsaicin verursacht bei Menschen die Empfindung von Schmerzen, die wir auch bei Verbrennungen spüren. Die Substanz, die auch in Wärmepflastern zum Einsatz kommt, nutzt schlicht die gleichen Rezeptoren an den Nervenenden.
Während viele Kulturen nach der angeblichen Entdeckung der neuen Welt die aus Süd- und Mittelamerika stammende Pflanze unwiederbringlich in ihre Küchensysteme integrierten, tat man sich in Deutschland bis weit ins 20. Jahrhundert schwer mit Schärfe. „Gewürze werden meist in Messerspitz-Dosen verwendet“, heißt es in einer Aufklärungsbroschüre eines ungarischen Paprika-Exporteurs aus den 1950er-Jahren, der Paprika hingegen sei ein „Teelöffel-Gewürz“
l-Gewürz“.Die in der traditionellen Herstellung von Kimchi verwendeten Gochugaru-Flocken sind hingegen ein „Esslöffel-Gewürz“ mit leicht rauchig-süßlichen Noten. Kimchi reift bei Zimmertemperatur, ist durch seine Schärfe aber durchaus wärmend und außerdem ideal für den Kater am Neujahrstag. Der wird traditionell in vielen Regionen mit Sauerkraut begangen, was dem vergorenen Chinakohl ja durchaus nicht unähnlich ist. Zudem ist die Herstellung ein ideales Projekt für die freien Tage „zwischen den Jahren“.Dazu passt – entsprechend der koreanischen Vorliebe für deftiges und kräftig gesalzenes Essen – ein Bier. Schärfeempfindliche Menschen sollten allerdings wissen, dass Capsaicin ausschließlich in Fett und nicht in Wasser gelöst werden kann. Schnelle Hilfen sind daher Joghurtgetränke wie türkisches Ayran, indisches Lassie oder persisches Dugh.Kimchi: Rezept und ZutatenEs gibt unzählige Kimchi-Rezepte, was zum einen daran liegt, dass es sich vielfach um von Generation zu Generation weitergegebene Familientraditionen handelt, zum anderen daran, dass jegliche Fermentation immer eine Frage der eigenen Erfahrung und von den räumlichen Gegebenheiten abhängig ist. Die folgende Version wurde vom Autor über Jahre aus verschiedenen Rezepten zusammengebastelt.Zutaten1 großer ChinakohlSalz (ohne Rieselhilfen und/oder Jod)1,5 Tassen Wasser2 EL Reismehl1 EL Zucker6 Zehen Knoblauch1 daumengroßes Stück Ingwer4 cm weißer Rettich1 Tasse Gochugaru (koreanische Chiliflocken)optional: 2 EL Nam Pla (thailändische Fischsoße)ZubereitungDen Chinakohl halbieren. Die Hälfte noch einmal bis kurz vor den Blattansatz einschneiden, sodass sie unten noch zusammenhalten. Den Kohl 20 Minuten in kaltes Wasser legen. Danach zwischen den einzelnen Blättern kräftig salzen (lieber mehr als weniger) und in ein Gefäß legen. Nach zwei Stunden umdrehen und weitere zwei Stunden liegen lassen. Vorsichtig, aber gründlich unter fließendem Wasser ausspülen, behutsam auswringen und mit einem Küchentuch so trocken wie möglich tupfen.Wasser und Reismehl in einem kleinen Topf vermischen, zum Kochen bringen. Die Mischung muss einen geschmeidigen, einigermaßen festen Brei ergeben. Den Zucker hinzugeben und auf kleiner Hitze eine Minute köcheln lassen. Abkühlen lassen.Knoblauch und Ingwer fein hacken. Den Rettich schälen und grob raspeln. Die Chiliflocken und die Fischsoße unter die abgekühlte Masse rühren, alle weiteren Zutaten einarbeiten.Mit den Händen (Gummihandschuhe!) die Masse zwischen die einzelnen Blätter des Chinakohls reiben und möglichst gleichmäßig verteilen. Den Kohl in Frischhaltefolie wickeln und darauf achten, dass möglichst keine Luftblasen mehr vorhanden sind.Beide Hälften in eine Plastikdose legen und bei Zimmertemperatur aufbewahren. Nach zwei Tagen prüfen, ob die Gärung begonnen hat. Es müssen sich kleine Bläschen gebildet haben und der Kohl muss säuerlich frisch riechen. Dann noch zwei Tage im Kühlschrank nachreifen lassen.Erinnerung: SoljankaErinnerungen wärmen! Das wissen wir spätestens seit dem autobiografischen Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit des französischen Schriftstellers Marcel Proust von 1913. Dort lässt er den Protagonisten mit einer in Tee getauchten Madeleine in seine Kindheit zurückkehren. Wie das vom polnischen Exilkönig Stanislaus I. Leszczyński in Frankreich etablierte Feingebäck hat auch die Soljanka eine interessante Migrationsgeschichte, wobei der Eintopf seine Ursprünge weniger im höfischen, sondern eher im bäuerlichen Umfeld hat. Das Gericht hieß ursprünglich „Seljanka“, abgeleitet vom russischen „sel“ für Dorf. Später, so lautet eine Erklärung, wurde aufgrund der Verwendung von gesalzenen und eingelegten Zutaten aus dem ersten Vokal ein „o“.Nach Deutschland kam die Rezeptur vermutlich über die politische Verbindung zur Sowjetunion. Im ostdeutschen Schulkochbuch Wir kochen gut von 1968 findet sich noch kein Rezept, wohl aber im gemeinsam mit dem Moskauer Verlag Mir herausgegebenen Band Zu Gast bei Freunden, etwa aus dem gleichen Jahrzehnt. Rund 20 Jahre später ist die Soljanka im westdeutschen Kochlexikon als russische Spezialität gelistet. „In Rußland kennt jeder Soljanka, und jeder kennt die Suppe anders“, heißt es dort. „Die einen als dünne Fischsuppe, die anderen als pikanten überbackenen Eintopf.“ Zu diesem Zeitpunkt war das Gericht als herzhafte Suppe mit reichlich Einlage aber schon längst zu einem festen Bestandteil der ostdeutschen Küche geworden und spiegelt bis heute auf anschauliche Weise den kulinarischen Alltag vor der Wende, inklusive Beschaffungs- und Resteverwertungsstrategien.Soljanka: Rezept und ZutatenDas nachfolgende Rezept folgt im Wesentlichen dem erwähnten Kochbuch Zu Gast bei Freunden.Zutaten500 g Suppenfleisch2 Zwiebeln3 EL Butter oder Margarine2 EL Tomatenmark4 kleine Salzgurken (ggf. Essiggurken)300 g gekochte oder gebratene Fleischwaren (etwa Braten, Kochfleisch, Schinken, Nieren, Zunge, Würstchen oder Wurst)1 EL KapernSalzLorbeerblattsaure Sahne½ ZitroneDillZubereitungAus dem Suppenfleisch eine Rinderbrühe herstellen. Zwiebeln fein würfeln und im Fett goldgelb braten. Tomatenmark kurz mit anrösten und mit Brühe ablöschen. Gurken halbieren und in Scheiben schneiden. Fleischwaren in kleine Stücke schneiden und mit Gurken, Kapern, Salz und Lorbeer in den Topf geben. Mit Brühe auffüllen und etwa zehn Minuten auf kleiner Flamme kochen.Vor dem Servieren auf dem Teller mit saurer Sahne, geschälten und entkernten Zitronenscheiben und feingewiegtem Dill garnieren.Feuer: FeuerzangenbowleFür die vor 1990 Geborenen besteht die Chance, ein ordentliches Feuerzangenbowlen-Set in den Beständen der Eltern oder Großeltern zu finden, denn das gehörte einmal zur Grundausstattung eines jeden bürgerlichen Haushalts. Die Feuerzangenbowle ist aber streng genommen gar keine Bowle (das wäre ein anderes Set im Schrank), sondern ein Punsch. Diese Bezeichnung ist vermutlich abgeleitet vom Hindi-Ausdruck pāñč für fünf, denn das ursprüngliche Mischgetränk bestand mit Arrak, Zucker, Zitronensaft, Tee oder Wasser und Gewürzen aus fünf Zutaten.Auch wenn die Zubereitungsart vermutlich schon älter ist, erlangte die Feuerzangenbowle in Deutschland Kultstatus durch den gleichnamigen Film von und mit Heinz Rühmann von 1944. Während für einen Großteil der Bevölkerung Wärme ein brisantes Thema war, nutzte der Schauspieler und Regisseur seine direkten Kontakte zu Goebbels und Göring, um einen heiteren Roman zu verfilmen, in dem sich eine Herrenrunde mit Hilfe von heißem Alkohol an die gute alte Zeit erinnert.Die vorgetäuschte Trunkenheit der Schüler im Film ist übrigens nicht auf brennenden Rum, sondern auf einen im Chemieunterricht verkosteten Blaubeerwein zurückzuführen. Ob ein „wönziger Schlock“ davon wirklich besoffen machen würde, ist zu bezweifeln. Bei der Feuerzangenbowle mit ihrer Kombination aus Alkohol, Zucker und Hitze sollte das hingegen kein Problem sein. Da kann man sich direkt auch noch das Tischfeuerwerk sparen.Feuerzangenbowle: Rezept und ZutatenNeben einem zünftigen Feuerzangenbowlen-Set im Stil der 1970er-Jahre fand sich im elterlichen Nachlass des Autors außerdem folgendes handschriftliche Rezept.Zutaten1 Orange1 Zitrone4 Nelken3 Sternanis1 Stück Stangenzimt2 Flaschen Rotwein1 Zuckerhut von 250 g½ Liter Rum (über 50 Vol. %)ZubereitungZitrusfrüchte schälen, Saft auspressen und durch ein Sieb geben. Mit Schalen, Gewürzen und Rotwein erhitzen, aber nicht aufkochen. Rum leicht erwärmen.Zuckerhut auf einer Feuerzange über den Topf legen, mit etwas Rum beträufeln und anzünden. Ehe die Flamme verlöscht, mit einer Schöpfkelle den Rum nachgießen. Feuerzangenbowle in Tee- oder Punschgläsern servieren.Placeholder infobox-1
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