KI in der Küche: Sie kann alles, außer Geschmack

Der Koch Unser Kolumnist hat eine Künstliche Intelligenz zu Tisch gebeten. Erleichterndes Ergebnis: Kulinarik ist einstweilen offenbar nicht ihr Metier – sie kann weder kochen noch wirklich darüber schreiben. Zum Glück!
Ausgabe 13/2023
Beim Brotbacken darf mensch noch selbst Hand anlegen
Beim Brotbacken darf mensch noch selbst Hand anlegen

Foto: John Macdougall/AFP via Getty Images

Unlängst besuchte ich eine schöne Ausstellung in der Bundeskunsthalle in Bonn. Unter dem etwas zu ausdrucksvollen Titel Die Letzten ihrer Art beschäftigte man sich dort mit der Arbeitswelt im Wandel. Noch vor dem Bergbau, dem Schriftsetzen, dem Kassieren und dem Schneidern startete der Parcours – mit dem Bäckerhandwerk. In der Einleitung war die Rede von nostalgisch verklärten Bildern, von Assoziationen mit traditionellen Familienunternehmen und generationenalten Brotrezepten. „Solche Betriebe sind rar geworden“, las ich sodann im Wandtext, „denn in kaum einem anderen Handwerk zeigt sich die voranschreitende Technisierung und Standardisierung des Arbeitsprozesses so deutlich.“ Da musste ich an „meine“ Bäckerei um die Ecke denken, in der vor einem halben Jahr die dritte Generation für immer die Türe schloss. Schade, dachte ich, dass man grundlegende Veränderungen im Alltag eigentlich immer dann erst erkennen kann, wenn es eigentlich schon zu spät ist.

Nun nehmen Konzeption und Umsetzung einer solchen Ausstellung sicherlich einen gewissen Vorlauf in Anspruch, und niemand konnte ahnen, dass die Auseinandersetzung mit gefährdeten Berufen von den aktuellen Quantensprüngen in der Nutzung sogenannter künstlicher Intelligenz überholt werden würde.

Am folgenden Tag erzählte mir ein Freund und „early adopter“ derartiger Technologien begeistert von seinen ersten Erfahrungen mit Programmen wie DALL-E oder ChatGPT. „In fünf Jahren wird es das Berufsbild Foodfotograf*in nicht mehr geben“ – so lautete seine fröhliche Prognose. Er erzählte mir von den entsprechenden Produktionen eines Bekannten, der für die Werbebilder einer Bäckereikette pro Motiv immer gleich eine ganze Stiege Brot angeliefert bekomme und dann einen vollen Tag daran arbeite. „Warum sollte man in Zukunft viel Zeit und Geld in so eine Produktion stecken, wenn das mit KI in ein paar Minuten fertig sein kann?“

Über künstliche Intelligenz und ihre Auswirkungen auf unser Leben wird derzeit sehr viel geschrieben. In diesem Kontext ist meine erste Idee, mich diesem Thema journalistisch zu nähern, nicht sonderlich innovativ. „Schreibe eine Kolumne über die Auswirkungen von KI auf Essen und Trinken“, lautete mein Auftrag an die App, „3.500 Zeichen inklusive.“

Das Ergebnis war orthografisch korrekt, ohne auffällige inhaltliche Fehler – und grundsätzlich sehr langweilig. Aber darum soll es an dieser Stelle nicht gehen. Denn was das Ergebnis so interessant macht, ist weniger das Ereignis, dass eine Maschine eine lesbare Glosse schreibt, sondern vielmehr die Information, die sie aus dem ihr zur Verfügung stehenden Pool herausfischt und mir präsentiert. Denn das Programm denkt ja nicht selbst, es sucht das, was im Internet zu meinen Kriterien zu finden ist.

„In dieser Kolumne werden wir die Auswirkungen von KI auf Essen und Trinken untersuchen und wie sie die Lebensmittelindustrie revolutioniert“, lautete der erste Satz des Automatentexts, und auch in den restlichen Abschnitten ging es vor allem um personalisierte Empfehlungen, um die Auswertung von Kundendaten und die Optimierung des Angebots. Mich beschlich der Verdacht, dass die Anwendung vor allem Texte von Marketingmenschen gefunden hatte, die ein großes Interesse daran haben, industriell produzierte Ware schnell und effizient an gestresste Menschen zu verkaufen. Damit erkannte sie zweifelsohne einen Trend; eine Bedrohung für das lustvolle Schreiben über die gesellschaftliche Bedeutung von Essen und Trinken sehe ich da bislang noch nicht.

Vielleicht bin ich da aber auch der Letzte einer Art.

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