Der öffentliche Diskurs gerät mehr und mehr ins Schlingern: Ausgewogene Medien sind passee

Lambrecht und Baerbock - sowas Der mediale Dauerregen macht uns alle zwar nass, aber kaum klüger: immer wieder nur Platitüden ("Nichts ist mehr wie gestern" oder "Die Bundeswehr muss endlich in Ordnung gebracht werden!" ) - Der näher gerückte Krieg öffnet nicht die Augen

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Im Kaleidoskop schön geredeter Wahrheiten.

Lambrecht – wie man aus nichts einen scheinbar kritischen Beitrag strickt.

Baerbock – wie man seine Meinung schön ändern kann, ohne selbst als hohltönend dazustehen

Man reist mit der Bahn und Bus nach Butscha, als wollte man die Tulpenblütenpracht in Holland fotografieren, weltweit kann der Rest das Tatort Besuchen bei Chips und Dosenbier mit verfolgen. Echt spannend, echt unterhaltsam. Auch so ein Kitzel, dass man schön außer Reichweite von unvorhergesehenem Raketenbeschuss alles dennoch scheinbar hautnah mit verfolgen kann. Cool.

Voller unerbittlicher Häme schnappt man sich den Hubschrauber-Schnipsel aus den social media: „Frohe Ostern“ und so – alles prima gleichzeitig, und das Sägen am Ast des Feuerstuhls, auf dem jeder Verteidigungsminister, bzw. seit einiger Zeit selbstverständlich Ministerin, hockt, ist für die Medien einfach Grundkurs im Madig Machen – zumal man ja nicht selbst die Kastanien aus dem Feuer holen muss. Denn die Widersprüche einer Armee in einer Demokratie sind kaum einzuhegen: zu viele wollen gerade da die Grundsätze von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verwirklicht sehen. Wie unbrüderlich, bzw. -schwesterlich allerdings das bashing auf Teufel komm raus eigentlich wirkt, geht angesichts der Überfülle an Tomaten-Weitwurf-Wettbewerben einfach unter.

Als Intermezzo dann mal kurz wieder ein paar Grundsatzlitaneien: Nichts ist mehr wie vorher (eigentlich auch schon nur noch ein müder Rülpser – hatten wir doch eben erst wegen der Pandemie), denn dieser völlig „unvorhersehbarer“(!) Krieg eines Monsters verändert unsere friedliche Welt über Nacht in einen Albtraum. Wie bitte? Friedliche Welt? Nur weil sich die Entfernung zum Ort des blutigen Geschehens etwas verkürzt hat (vom nächsten Kontinent nun zum nächsten Nachbarn), sollten wir nicht so naiv sein und uns die Vergangenheit schön reden.

Überhaupt zeigt sich in diesen Tagen das alte Lied lediglich in neuem Gewande: In – scheinbar in Dauerschleife eingenickt – blitzblanken Talkshows mit glänzendem Mobiliar und unterhaltsamen Filmchen in between kann der ach so kritische und unabhängige Zuschauer sich selbst ein Bild machen von den zurecht geschnittenen Bilderschnipseln in der Tagesschau oder ähnlichen Formaten. Natürlich mit ernst besorgter Miene, ausgewogen und emphatisch zugleich zeigen sich die Europäer von ihrer Schokoladenseite; schließlich unterstützt man die Helden am Dnjepr mit Solidaradressen, Fronttourismus und Hardware, gleichzeitig starren die potentiellen Häuslebauer auf die Börsenkurse und die Zinsveränderungen. Schnell noch einen günstigen Kredit an Land ziehen – man ist ja mit allen Wassern gewaschen; genau wie dieser Präsident, der da alleine locker über die Kiewer Avenue schlendert – kein Problem: die paradierenden Bataillone, Fahrzeuge samt Blasmusik können wir uns auch so schön vorstellen.

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Geschrieben von

Johannes Seiler

Alles Erinnern ist Erfinden und alles Erfinden Erinnern

Johannes Seiler

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