PAG Bayern? Nicht reformierbar!

Polizeiaufgabengesetz Die Bayerische Staatsregierung legt nach Kritik der PAG-Kommission einen neuen Gesetzesentwurf vor. Das Bündnis #noPAG nimmt Stellung

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Ein Polizist in München
Ein Polizist in München

Foto: Christof Stache/AFP/Getty Images

Autor*innenkollektiv: Sprecher*innenrat des Bündnisses "#noPAG – Nein zum Polizeiaufgabengesetz Bayern"

Gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) liegen knapp drei Jahre nach seiner überstürzten Verabschiedung im Bayerischen Landtag zahlreiche Klagen vor den Verfassungsgerichten vor. Über hunderttausend Menschen gingen bei den vielen Demonstrationen in bayerischen Städten und Gemeinden gegen die Novellierungen aus den Jahren 2017 und 2018 auf die Straße. Eine von der Staatsregierung unter dem öffentlichen Druck einberufene Kommission stellte fest, dass das Gesetz in vielen Bereichen großen Nachbesserungsbedarf hat. Dabei beurteilte die Kommission ausdrücklich nicht, ob das Gesetz Regelungen enthält, die rechtsstaatlichen Grundprinzipien widersprechen.

Auch die nun vorgelegte Novelle, welche die Reformvorschläge der Kommission umsetzen soll, kann daran nichts ändern. Denn es bleibt auch nach diesen Korrekturen in weiten Teilen verfassungswidrig und entgegen den Ankündigungen der Staatregierung setzt es die Empfehlungen der Kommission nicht eins zu eins um. Im Gegenteil: Unter dem Deckmantel der Reform wurden weitere Verschärfungen und rechtsstaatlich nicht tragbare Regelungen aufgenommen.

Rechtsstaat bedroht

Polizeiliches Handeln muss sich an rechtsstaatliche Regeln halten. Das PAG in dieser Form ist nicht reformierbar. Der Versuch der bayerischen Staatsregierung, an demokratischen Rechtsnormen vorbei ein eigenes autoritäres Polizeirecht zu schaffen, muss scheitern. Staat und Polizei verspielen mit einer von der gesellschaftlichen Debatte losgelösten Ausweitung von Polizeibefugnissen langfristig das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit ihrer Maßnahmen. Damit aber bedrohen sie den Rechtsstaat selbst.

Das Bündnis „#noPAG – Nein zum Polizeiaufgabengesetz Bayern“ stellt sich seit 2018 die Aufgabe, die neue Qualität des maßgeblich durch das Gesetz zur Neuordnung des Polizeirechts in Bayern (PAG-Neuordnungsgesetz) geschaffene PAG neu und die damit verbundenen erheblichen Ausweitungen der Befugnisse der bayerischen Polizei zu kritisieren. Diese Befugnisse sind nicht erforderlich, um die Sicherheit der Bürger*innen in Bayern zu gewährleisten. Das PAG schränkt vielmehr die Grund- und Freiheitsrechte unzulässig und unverhältnismäßig ein. Die Polizei kann durch das PAG neu im sogenannten Gefahrenvorfeld tätig werden, in welchem die Bürger*innen bisher den Anspruch hatten, vor polizeilichen Eingriffen sicher zu sein. Es gab und gibt keine Notwendigkeit das Polizeirecht so zu verschärfen. Vielmehr stellt dieser „starke Staat“ selbst eine wachsende Bedrohung für eine freie Gesellschaft dar.

Kommission übt Kritik

Aufgrund des breiten gesellschaftlichen Protestes hatte die Bayerische Staatsregierung am 12. Juni 2018 eine Kommission beauftragt, die Anwendung des PAG neu zu prüfen. Das Bündnis hatte die Arbeit der Kommission kritisch begleitet, mit seiner umfangreichen Stellungnahme vom 10. April 2019 seine Standpunkte dargelegt und auf Fragen der Kommission geantwortet. Der Untersuchungsauftrag der Kommission war allerdings sehr eng gefasst, insbesondere weil eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der einzelnen Normen und der breiten Einführung des Begriffs der „drohenden Gefahr“ von vornherein ausgeschlossen war. Trotz dieses verkürzten Prüfungsauftrages hat die Kommission in ihrem am 30. August 2019 vorgestellten Abschlussbericht das PAG umfangreich kritisiert. Ein Großteil der von der Kommission geübten Kritik am PAG wurde bereits bei den Beratungen zum PAG neu von kritischen Expert*innen in den Anhörungen von Oppositionsparteien, Verbänden und vom Bündnis noPAG vorgetragen. Die Bayerische Staatsregierung kündigte bis November 2019 eine Gesetzesinitiative an, in der die breite Kritik der Kommission am PAG eins zu eins umgesetzt werden sollte. Einen entsprechenden Gesetzesvorschlag hat die Staatsregierung jedoch erst am 1. Dezember 2020 beschlossen.

Verfassungswidriger Kern bleibt unangetastet

Trotz dieser langen Phase hat es die Staatsregierung nun wieder sehr eilig: Wie schon bei der Beratung des PAG-Neuordnungsgesetzes ist der parlamentarische Beratungsprozess sehr kurz. Die Verbandsanhörung endete bereits am 31. Dezember 2020. Die Zivilgesellschaft wurde abermals nicht eingebunden. Mit ihrem nun vorgelegten Gesetzentwurf versucht die Staatsregierung zwar in Ansätzen der vielfältigen Kritik Rechnung zu tragen, gleichzeitig aber bleibt der verfassungswidrige Kern des Gesetzes unangetastet. Das PAG neu sprengt die sich über die Jahre hinweg entwickelte und konsolidierte Rechtsprechung, insbesondere die des Bundesverfassungsgerichts zum Sicherheits- und Polizeirecht. Wir sind der Auffassung, dass dieses Gesetz nun endgültig einem neuen Polizeirecht weichen muss, das die Grundrechte stärkt und den Rechtsstaat nicht demontiert.

Das Polizeiaufgabengesetz ist kein gewöhnliches Ordnungsrecht und die Polizei ist keine x-beliebige Behörde. Die Befugnisse der Polizei greifen tief in die Rechte von Menschen ein. Deshalb darf und kann eine Neufassung des Polizeirechtes nicht allein Aufgabe von Polizeiexpert*innen und Beamt*innen des Innenministeriums sein, sondern muss breit mit Jurist*innen, Richter*innen, Rechtsanwält*innen und vor allem unter Einbindung der Zivilgesellschaft, insbesondere von Personen, die von struktureller Diskriminierung betroffen sind, diskutiert werden.

Klage vor dem Bundesverfassungsgericht bleibt bestehen

Das Bündnis noPAG wird deshalb den Beratungsprozess erneut kritisch begleiten und dabei seiner grundsätzlichen Kritik am bayerischen PAG Ausdruck verleihen. Bereits jetzt erkennen wir, dass auch die Kritik der Kommission nicht wie angekündigt aufgenommen wurde, sondern die vorgelegte Änderung einzelner Artikel hinter dieser Kritik zurückbleibt.

Wir rufen deshalb bereits heute die Unterstützer*innen des Bündnisses und die Menschen in Bayern auf, sich erneut unserem zivilgesellschaftlichen Protest anzuschließen. Nachdem sich die Bayerische Staatsregierung ein um das andere Mal als unwillig erwiesen hat, die Kritik an einem im Grundsatz autoritären Polizeirecht anzunehmen und umzusetzen, setzen wir gleichzeitig auf den Erfolg der zahlreichen Klagen gegen das PAG neu vor den Verfassungsgerichten. Da weder die gemeinsame Verfassungsbeschwerde von noPAG und der Gesellschaft für Freiheitsrechte noch unsere Stellungnahmen aus der Vergangenheit durch die geplante Revision des PAG obsolet werden, verweisen wir auf unsere Klageschrift.

Strukturelle Probleme

Die Aufgaben und Befugnisse von Polizeibeamt*innen sind gesetzlich geregelt. Das PAG hat die Funktion, den Polizist*innen in Bayern eine rechtssichere und daher verfassungsrechtlich einwandfreie rechtliche Grundlage für ihre Arbeit zu geben. Diese Funktion schließt ein, dass das PAG auch die Grenzen ihrer Befugnisse aufzuzeigen hat. Die entsprechenden Gesetze müssen klar und deutlich gefasst sein, die einzelnen Normen und ihre Anwendung müssen einer rechtsstaatlichen Überprüfung zugängig sein. Inwieweit ein Polizeigesetz rechtsstaatlichen Anforderungen genügt, muss immer auch vor dem Hintergrund der konkreten Verfasstheit der Polizei und des Staates beurteilt werden. Das bayerische Polizeirecht selbst hebt zentral auf die Anwendung seiner Normen durch einen idealtypisch handelnden Polizeibeamten ab, der regelmäßig in der Literatur als besonnen, gewissenhaft und sachkundig beschrieben wird. Dieses idealtypische Bild entspricht nicht der Realität. Polizeigewalt ist nicht nur das Ergebnis individuellen Fehlverhaltens, sondern in der autoritären Polizeistruktur selbst angelegt.

Die Staatsregierung verzichtet trotz zahlreicher Initiativen und vieler positiver Beispiele in anderen Staaten auf entsprechende Kontrollinstanzen. Dies könnten zum Beispiel unabhängige Institutionen zur Führung von polizeiinternen Ermittlungen sein, die auch zivilen Beschwerdeführer*innen offenstehen. Diese gibt es in Bayern nicht. Im Gegenteil: Die Staatsregierung lehnt solche Institutionen regelmäßig ab, trotz ebenso regelmäßig wiederkehrender Berichte über Polizeigewalt, rassistische Kontrollen und extrem rechte Einstellungen in der Polizei. Selbst wissenschaftliche Untersuchungen zu zum Beispiel extrem rechten, rassistischen, antisemitischen oder sexistischen Einstellungen werden blockiert. Dabei haben die Untersuchungen schwere Defizite in der polizeilichen Ermittlungsarbeit deutlich gemacht, die im Falle der Untersuchungen zum NSU etwa offensichtlich von rassistischen Motiven entscheidend geprägt war. Die Repression gegen die Angehörigen der Opfer zeigt, dass der besonnen handelnde, gewissenhafte und sachkundige Beamte ein Ideal ist, das in keinem Fall klare rechtliche Regeln ersetzen kann.

Keine Befugnisse ohne Kontrolle

Der Rückgriff auf Generalklauseln ist in dieser Form der entscheidende Webfehler des bayerischen Polizeirechtes. Wer Befugnisse für sich fordert, muss auch Kontrolle zulassen. Ein den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügendes Polizeirecht muss so beschaffen sein, dass Grundrechtseingriffe verhältnismäßig sind und nachträglicher Rechtsschutz von den Betroffenen erlangt werden kann. Dazu gehören auch weitreichende Richtervorbehalte, der ausdrückliche Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung sowie Möglichkeiten einer Überprüfung der Anwendung des Gesetzes. Seitdem das PAG 2018 verabschiedet wurde, nahm die bayerische Polizei auf seiner Grundlage Menschen ohne anwaltlichen Rechtsbeistand in Gewahrsam. Es kam zu hundertfachen Polizeirazzien in Unterkünften für Geflüchtete mit tausenden von Identitätsfeststellungen ohne Anlass. Dabei wurden nicht nur Zimmer von Geflüchteten betreten, sondern ohne richterlichen Beschluss oder sonstige Rechtfertigung durchsucht. Die Kontexte zeigten dabei, dass die Ziele der Kontrollen durch rassistische Gründe bestimmt wurden.

Es ist auch keine Lappalie, wenn sich bayerische Polizeibeamt*innen in rechten Chatforen tummeln und sich dort mit extrem rechten Äußerungen zu Wort melden. Und es ist keine Lappalie, wenn ein Polizeipräsidium, wie in einem Fall in der Oberpfalz, auf seiner Social Media Seiten einseitig über die Tatbeteiligung von Personen mit Migrationsbiografie berichtet, die von deutschen Staatsbürger*innen jedoch verschweigt. Unter den tausenden Wortmeldungen in den Kommentarspalten fanden sich auch Aufforderungen zu Straftaten wie der Besetzung des Bundestags, die über Tage nicht entfernt wurden.

Das Bündnis stellt fest, dass die Änderung des PAG in Teilbereichen die im Beratungsprozess zum PAG-Neuordnungsgesetz kritisierten fehlenden Richtervorbehalte nun zwar einführt, gleichwohl nicht durchgängig und in der geforderten Form. Die Änderung wird nicht dem Maßstab gerecht, die Bürger*innen vor Missbrauch durch die deutlich ausgeweiteten Befugnisse zu schützen. Die neu geschaffene Möglichkeit der Rechtsbeschwerde beim Bayerischen Obersten Landesgericht ist keine ausreichende Maßnahme zur Polizeikontrolle. Das Bündnis fordert daher zusätzlich die Schaffung einer unabhängigen Beschwerdestelle, die nicht dem Innenministerium unterstellt ist, sowie eine Ausweitung der parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten.

Breite Diskussion über ein an Grundrechten orientiertes Polizeirecht

Mit der Einführung neuer Informationstechnologien entwickeln sich Polizeirecht, Strafprozessrecht und Datenschutzrecht gleichermaßen. Die Gesetzgebungskompetenzen sind zwischen EU, Bund und Ländern aufgeteilt, sodass heute in der Praxis polizeirechtliche Regeln wie der Einsatz von Bodycams erlaubt werden, während gleichzeitig dagegen erhebliche verfassungsrechtliche bzw. datenschutzrechtliche Bedenken bestehen. Aus zivilgesellschaftlicher Sicht ist deshalb eine breite gesellschaftliche Diskussion über den Schutz der informationellen Selbstbestimmung und des Kernbereichs privater Lebensgestaltung notwendig – und damit auch eine Grenzziehung für das Polizeirecht. Es ist auch nicht besonders förderlich für das Vertrauen zwischen Polizei und Bürger*innen, wenn Bodycams in Wohnungen zu Einsatz kommen. Der Einsatz von Bodycams in Wohnungen muss deshalb nach Art.13 Abs. 4 GG unter Richtervorbehalt gestellt werden und nicht nur die anschließende Nutzung der im Einsatz gewonnenen Daten.

Die Bayerische Staatsregierung versäumt es seit Jahren, die notwendige Diskussion zu führen und mit der Fortschreibung des bayerischen Polizeirechts bis zur Klärung grundlegender Grundrechtsfragen abzuwarten. Stattdessen begründet Sie ihre vielen im PAG normierten Befugnisausweitungen mit den Herausforderungen des internationalen Terrorismus. Der leichtfertige Gebrauch des Begriffs Terrorismus als Universalbegründung für die Ausweitung von Polizeibefugnissen sorgt jedoch für Unsicherheit.

Geraten Polizei und Staat unter Rechtfertigungsdruck, so wird gerne verharmlost, was tatsächlich eine Gefahr darstellt. Umgekehrt wird die Zugehörigkeit zu zum Beispiel einer ethnischen Gruppierung oder einer Glaubensgemeinschaft bereits als Hinweis auf ein erhöhtes Gefahrenpotential fehlinterpretiert. Es ist bezeichnend, dass die bayerische Polizei den mit dem sog. Gefährderüberwachungsgesetz 2017 deutlich ausgeweiteten Präventivgewahrsam zuerst gegen eine Gruppe von Geflüchteten in einer Schweinfurter Gemeinschaftsunterkunft anwendete. Diese „Unendlichkeitshaft“ ohne Anspruch auf anwaltschaftliche Vertretung der Betroffenen, wie sie Art. 17 PAG ermöglicht, wurde von der Zivilgesellschaft sowie von Oppositionsparteien im Landtag – darunter einer heutigen Regierungspartei – von Beginn an als unverhältnismäßig abgelehnt. Auch die PAG-Kommission hat die Anwendungspraxis stark kritisiert. Die jetzigen Korrekturen, etwa durch eine Reduzierung der Gewahrsamsdauer, trägt dieser berechtigten Kritik nicht ausreichend Rechnung.

Zentraler Fehler: „Drohende Gefahr“

Der Begriff der „drohenden Gefahr“ wurde erstmals vom bayerischen Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Novellierung des PAG im Jahr 2017 („Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen“; sog. Gefährderüberwachungsgesetz) als weitere polizeirechtliche Gefahrenkategorie eingeführt. Mit dem PAG-Neuordnungsgesetz im Jahr 2018 wurde der Begriff der „drohenden Gefahr“ auf breiter Linie eingeführt und dient damit zur Legitimierung weitreichender Befugnisse. Bisher fehlt eine klare Definition des Begriffes und eine Abgrenzung vom Begriff der „konkreten Gefahr“.

Tatsächlich ist allein die Tatsache, dass im Polizeirecht auf unbestimmte und ungeklärte Rechtsnormen Bezug genommen wird, kritikwürdig. Polizeiliche Maßnahmen greifen unmittelbar und schwerwiegend in die Rechte der Bürger*innen ein. Gerade das Polizeirecht braucht deshalb allgemein verständliche und klar formulierte Regelungen. Die Bürger*innen müssen wissen, was erlaubt ist und was nicht, welche Rechte die Polizei hat und welche nicht. Die Verwendung eines Begriffs, der unbestritten und erklärtermaßen die Eingriffsschwelle für Beamt*innen weit ins sogenannte Tatvorfeld verlegen soll, ohne diesen hinreichend zu konkretisieren, ist nicht hinnehmbar. Polizeirecht ist kein juristisches Experimentierfeld. Die Weigerung der Staatsregierung, der umfassenden Kritik an der durchgängigen Verwendung des Begriffs Rechnung zu tragen, ist einer der herausragenden Mängel des vorgelegten Gesetzesentwurfs. So wird zwar der Begriff der „drohenden Gefahr“ von der „konkreten Gefahr“ weiter abgegrenzt, aber die notwendige Konkretisierung der „drohenden Gefahr“, wie sie vielfach gefordert wurde, bleibt aus. Zusammen mit dem Konzept der „Gefährlichen Orte“ wird der Begriff der „drohenden Gefahr“ zu einem Werkzeug der vollständigen Überwachung der Zivilbevölkerung und hat längst nicht mehr den Charakter der reinen Gefahrenabwehr. Tatsächlich scheint Abschreckung das neue Leitbild der bayerischen Polizei.

Das Bündnis noPAG hat bereits in seiner Stellungnahme zum PAG Neuordnungsgesetz seine grundlegende Kritik an der Verwendung des Begriffs der „drohenden Gefahr“ formuliert. Die Aufgabenbereiche von Polizei und Geheimdiensten müssen weiterhin deutlich getrennt bleiben. Diese rechtsstaatliche Grenze darf nicht aufgeweicht werden. Der nun vorgelegte Gesetzentwurf trägt dieser grundsätzlichen Kritik in keiner Weise Rechnung.

Einzelkorrekturen reichen nicht aus

Das Bündnis begrüßt zwar wichtige Änderungen, wie etwa die Zurseitestellung eines Rechtsanwalts von Amts wegen im Falle eines Präventivgewahrsams sowie die zeitliche Verkürzung dieses Gewahrsams oder auch den Verzicht auf die Bestimmung der biogeographischen Herkunft bei der DNA-Analyse. Diese Einzelkorrekturen reichen allerdings nicht, um den grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Webfehler des PAG zu beseitigen. Mit dem PAG – auch in seiner nach der von der Staatsregierung angestrebten Novellierung geltenden Fassung – bleiben der bayerischen Polizei Befugnisse erhalten, die mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar sind. Im Gegenteil: Noch einmal verschärft die Staatregierung bereits bestehende Regelungen und schafft neue, in unseren Augen verfassungsrechtlich strittige Befugnisse. Zum Beispiel werden durch Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b und c PAG-E die Möglichkeiten zur Durchführung von Identitätsfeststellungen erweitert. Diese sollen zukünftig auch an polizeilichen Kontrollstellen möglich sein, die „zum Schutz von gefahrenträchtigen Großereignissen“ oder „eingebunden in spezifische polizeiliche Ermittlungsstrategien der Gefahrenabwehr“ eingerichtet worden sind. Diese neuen Begrifflichkeiten sind weitgehend inhaltsleer und so weit gefasst, dass sie dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz nicht gerecht werden und zudem eine erhebliche Missbrauchsgefahr beinhalten.

Die Staatsregierung folgt einer Rechtsdogmatik, die durch Generalklauseln möglichst grenzenlose Eingriffsbefugnisse für die Polizei schafft. Damit stellt sie sich erklärtermaßen auch gegen die Bestrebungen insbesondere des Bundesverfassungsgerichts, polizeiliches Handeln durch rechtsstaatliche Leitplanken einzuhegen. Statt eine immer weiter gehende Ausweitung polizeilicher Befugnisse brauchen wir eine Wende in der Politik der inneren Sicherheit.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Johannes König

Soziale Bewegungen | Bürgerrechte | Linke Politik

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