Nach der Revolution

Debatte An der Wortmeldung bei einer Veranstaltung der Linken ist die Gewaltfrage nicht das Einzige Problem, das zum Vorschein kommt.

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Vorausgeschickt: Ja, die "Debatte", die sich jetzt nicht nur aber vor allem in die sozialen Netzwerke ergießt, ist niveaulos und vor allem ein Zeichen für die Schadenfreude, die aufkommt, wenn man auch mal bei den Linken einen "Mausabrutscher" kommentieren darf. Bei der politischen Rechten ist das inzwischen langweilig, weil durchritualisiert, weil zu häufig.
Jetzt mal auf die Linken hauen zu können gibt nicht nur Gelegenheit, die aktuell so vielgepriesene Hufeisentheorie weiterschmieden zu können, damit sie sich entgültig in den Köpfen festsetzt. Nein, endlich mal kann man der Linken mal um die Ohren hauen, dass sie mit ihrem ständigen Humanismus und Anti-Kriegs-Gelabere ja auch keine besseren Menschen sind.

Das anscheinend ungeklärte Verhältnis zur Gewaltfrage ist ein Problem, ja. Dieses Thema handelt Katja Kipping in ihrer Bundestagsrede zu dem "Vorfall" recht ausführlich ab und ordnet es in seinen historischen Rahmen ein. Und wer sich dabei ehrlich macht wird ihr dabei kaum Unglaubwürdigkeit vorwerfen können, was die Internet-Trollgemeinde natürlich nicht interessiert; das Kind ist in den Brunnen gefallen.

Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt, der vielleicht wirklich der Diskussion bedarf und der sich in der Antwort von Bernd Riexinger auf die Wortmeldung mit dem "Reiche erschießen" offenbart ("Wir erschießen sie nicht, wir setzen sie schon für nützliche Arbeit ein.")

Dazu ein kleiner Exkurs in die Popkultur. Im aktuellen Film von Mark-Uwe Kling gibt es folgenden Dialog:
Känguru:" Ich bin Kommunist, was sind sie so?"
Marc-Uwe: "Ich bin Anarchist."
K.: "Cool. Dann könn' wir Freunde sein. Bis zur Revolution, danach wird's natürlich schwierig."

Was ist das also, die Revolution, und was kommt danach. Und (und das ist die Frage, die sich im Zusammenhang mit Riexingers Antwort stellt) wer ist das "wir", von dem er redet? Man kann sich leider dem Eindruck nicht erwehren, dass damit eine wie auch immer geartete Gruppe von Menschen gemeint ist, die dann bestimmt, was mit bestimmten (oder allen?) anderen Menschen passiert. Nun ist es kindisch, das Riexinger konkret persönlich anzulasten; dazu war die Antwort zu spontan. Dennoch wirft es die Frage auf, wie sich eigentlich diejenigen, die heute für Linke Politik streiten sich die Welt und ihre Institutionen ausmalen, sollte sie sich ggf. dann doch mal vom Kapitalismus verabschieden.

Dieses Wörtchen "wir" hat das Potential, Vorstellungen heraufzubeschwören, die mit dem bereits bekannten Realsozialismus viel mehr gemeinsam haben, als sich irgendjemand wünschen kann. Und wenn man radikale Forderungen aufwirft, wie es die Linke heute berechtigterweise als ihre Aufgabe begreift, kommt man früher oder später an der Frage nicht mehr vorbei, ob man sich von diesen Vorstellungen soweit lösen kann, dass die zukünftige Gesellschaft nicht davon mitgestaltet wird.

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