Durch den Reifen springen

"Embedded" Korrespondenten dürfen nur unter Auflagen aus den von Israel besetzten Gebieten berichten - wenn überhaupt

Während des Irak-Krieges sorgten die USA für einen Präzedenzfall. Sie verlangten von Korrespondenten, sich von den US-Truppen "einbetten" zu lassen, um zum Schlachtfeld vorgelassen zu werden - seit einem Jahr nun kopiert Israel dieses Modell. Erstmals war die Jerusalemer "Einbettungsstrategie" im August 2005 während des Rückzugs aus dem Gaza-Streifen zu besichtigen. Das heißt, man gewährte nur Journalisten großer Nachrichtenagenturen Zutritt; und auch den nur in speziellen Armeebussen, die geradewegs zu den Siedlungen fuhren. Wer kein Beglaubigungsschreiben eines Auftraggebers vorweisen konnte oder die israelische Regierung mit der bisherigen Berichterstattung verärgert hatte, brauchte sich keine Hoffnungen zu machen. Es sah sich einer erheblichen Kontrolle unterworfen, wer dieses schmale Scheibchen Land am Mittelmeer betrat oder verließ.

Seitdem ist Gaza vollends isoliert - an drei Seiten umgeben von einem Elektrozaun, an der vierten begrenzt durch das Meer. Der einzige Weg hinein führt über eine Grenzpassage, die von den Israelis bewacht wird. Einst durften Journalisten frei durch die besetzten Gebiete ziehen und konnten über die Lage so berichten, wie sie von ihnen wahrgenommen wurde. Nun müssen sie erst durch mehrere Reifen springen, bevor sie den Ort des Geschehens erreichen.

Journalisten, die nach Gaza hinein wollen, brauchen zunächst einmal einen Presseausweis, der vom Pressebüro der israelischen Regierung (GPO) ausgestellt wird. Alle anderen Press Cards - auch die internationalen - sind wertlos. Für ein GPO-Ticket kommt nur in Betracht, wer durch eine anerkannte Zeitung oder Agentur sowie einen großen Fernsehkanal akkreditiert wird. Free Lancer gelten als Hochstapler, sofern sie nicht nachweisen können, im Auftrag eines renommierten Mediums unterwegs zu sein - wie auch "alternative" Medien unerwünscht sind.

Wer es schafft, einen GPO-Ausweis zu erhalten, muss durch einen zweiten Reifen springen. Verlangt wird eine persönliche Verzichtserklärung: Sollte man im Gaza-Streifen oder anderswo verletzt werden, ist Israel aller Verantwortung enthoben, selbst wenn dessen Armee die Schuld daran tragen sollte. Unnötig weiter auszuführen, wie sehr das gerade die Finanzen freier Journalisten belastet. Große Medien versorgen ihr Personal in der Regel mit einer auf den Einsatz bezogenen Versicherung, einem gepanzerten Fahrzeug sowie Splitterschutzweste und Helm. Gegenüber Freien gilt das Gebot derartiger Prävention kaum, sie müssen entweder selbst Vorsorge treffen oder riskieren Verletzungen, für die niemand verantwortlich gemacht werden kann und für deren Heilung niemand zahlt.

Am problematischsten ist der dritte Reifen: Wen ein GPO-Ausweis legitimiert, der hat dem Verlangen nachzukommen, seine Berichte der israelischen Militärzensur vorzulegen, sofern sie "Verteidigungs- und Sicherheitsbelange" betreffen. Tatsächlich halten sich nur wenige westliche Korrespondenten an diese Vorgabe. Aber allein das Wissen, gegen die Bestimmungen zu verstoßen und damit die Arbeitserlaubnis verlieren zu können, animiert zu "freiwilliger Zurückhaltung". Hält man den Kopf gesenkt und bleibt in der Meute, besteht keine Gefahr, ausgesondert zu werden. Andernfalls provozieren Deutlichkeit und Wagemut den Zorn des Israelischen Pressebüros in Jerusalem und damit Beschwerden an die eigene Redaktion.

An dieser "Einbettung" schockiert am meisten das Schweigen der Journalisten selbst, ihrer Arbeitgeber wie Berufsverbände. Niemand hat es bisher gewagt, an den Auflagen zu rütteln, die Israel allen zumutet, die aus den besetzen Gebieten berichten wollen.

Jonathan Cook lebt als freier Journalist in Nazareth. Seine Texte drucken der Guardian, die Times und Le Monde diplomatique.


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