"Die Analysen sind allesamt falsch"

BND/NSA Ausschuss Ronald Pofalla stellt seine Ansichten vor dem NSA Untersuchungsausschuss zur Schau

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Als Ronald Pofalla gestern vor den NSA Untersuchungsausschuss trat, schien er die Welt auf den Kopf stellen zu wollen. Der ehemalige Kanzleramtsminister war vor allem durch seinen Satz bekannt geworden, mit dem er kurz nach den ersten Snowden Leaks die gesamte Affäre für beendet erklärt hatte:

Der Vorwurf der vermeintlichen Totalausspähung in Deutschland ist nach den Angaben der NSA, des britischen Dienstes und unserer Nachrichtendienste vom Tisch. Es gibt in Deutschland keine millionenfache Grundrechtsverletzung!

Nun sitzt er zwei Jahre später vor den Abgeordneten des Untersuchungsausschusses und muss sich brandaktuellen Fragen stellen, das Ende der NSA Affäre ist weiter entfernt als je zuvor. Unter den Abgeordneten des Ausschusses herrscht dicke Luft weil sie uneins sind über den Umgang mit den Selektorenlisten, die Opposition will auf Einsicht klagen, die Regierung verwehrt das. Am Abend zuvor hatte Wikileaks einige Selektoren veröffentlicht die zeigen, dass deutsche Politiker und Firmen im Suchprofil der NSA hängen.

Pofalla aber soll vor allem Auskunft über seine Rolle in der Affäre um ein No-Spy Abkommen mit den USA geben. Sein berüchtigter Satz war der Auftakt zu einem Versuch der Bundesregierung gewesen, durch den Abschluss einer Vereinbarung mit den USA die Wogen in der Spionageaffäre zu Glätten.Es ist August 2013, die Enthüllungen durch die Snowden Leaks sind brandaktuell, die Bundestagswahl steht bald bevor.

Der Auftakt war äußerst unglücklich gelungen, Pofallas Äußerungen entwickelten sich zum Internet­phänomen und er musste sich viel Häme gefallen lassen. Aber mit der Aussicht auf ein No-Spy Abkommen konnte sich die Regierung Merkel das Vertrauen in ihre Handlungsfähigkeit sichern und so zum Erfolg der Wahlen beitragen. Inzwischen veröffentlichte Diplomaten-Emails machen allerdings deutlich, dass ein solches Abkommen von Seiten der USA nie angestrebt wurde.

Dazu soll Pofalla nun aussagen, er aber nutzt den Untersuchungsausschusses vor allem als Bühne für seine Abrechnung mit den Anschuldigungen aus der Vergangenheit. Eine geschlagene Stunde braucht er für ein Eingangsstatement, es macht den Eindruck, dass er jeden Satz und jede Betonung vor dem Spiegel geübt hat. Er braucht nicht wirklich abzulesen sondern kann beinahe alles frei vortragen, seine Art zu reden erinnert die Zuhörer-innen an den Vorleser einer Märchenstunde. Auch Pofallas Perspektive auf die Ereignisse der letzten zwei Jahre scheint nicht so ganz von dieser Welt.

Einmal hält er einen Stapel Papiere in der Hand und ruft “Ich habe die ganzen Texte und Analysen hier, die sind allesamt falsch”. Ob er damit tatsächlich alle Enthüllungen der letzten zwei Jahre meint, oder nur auf die Ereignisse zu seiner Zeit als Minister anspielt, wird nicht klar. Wichtig ist ihm vor allem ein Bericht des Spiegels aus der Anfangszeit der NSA Affäre. Die Behauptungen, der BND hätte Millionen deutscher Daten weitergegeben wären falsch gewesen, und nur darauf hätte sich seine Aussage zur Beendigung der Affäre bezogen. Sein einziger Fehler sei es gewesen, dass er das nicht präzise genug formuliert hat.

Er mag recht damit haben, dass dieser Satz eine ganz eigene Dynamik in den weiten des Internets entwickelt hat. Beispielsweise hat er das Wort “beendet” nie benutzt, wird aber immer wieder so zitiert. Sogar die Internetseite 'Pofalla beendet Dinge' wurde extra eingerichtet und findet sich noch immer unter den ersten Treffern auf der Suche nach seinem Namen. Wenn auch mit anderen Worten, so hat er aber wohl genau diese Interpretation wecken wollen.

Im Ausschuss beruft er sich allerdings darauf, dass nur die falschen Darstellungen in der Presse, speziell im Spiegel widerlegt werden sollten. Die “Millionen deutschen Daten” die der BND an die USA weitergegeben hätte, waren nicht wirklich über deutsche Bürger erhoben worden, sondern aus der Auslandsspionage in einem gesetzlich fundierten Kooperationsprogramm an die NSA geflossen.

Das mag aus der damaligen Perspektive korrekt gewesen sein, dieses Kooperationsprogramm zwischen BND und NSA ist heute unter dem Namen Eikonal bekannt. Inzwischen ist aber auch bekannt, dass in der Kooperation nicht alles so rechtens lief wie vermutet. Der Skandal um die 40.000 Selektoren, mit denen die USA deutsche Politiker-innen und Unternehmen ausspioniert haben sollen fand genau dort statt, in Bad Aiblingen.

Daher interessierte die Abgeordneten im Ausschuss auch, ob Pofalla nicht schon vorher von den Problemen mit den Selektoren gewusst haben kann. Immerhin war er Chef des Bundeskanzleramtes und damit oberster Aufseher über den deuschen Geheimdienst. Inzwischen ist bereits bekannt geworden, dass schon bevor der Untersuchungsausschuss den BND im März 2015 mit der Nase auf das Problem stieß, mehrfach Mitarbeiter-innen aufmerksam wurden. Seitdem schieben sich BND und Bundeskanzleramt gegenseitig die Schuld zu, erst wenige Wochen zuvor hatte Thomas de Maizière dem Nachrichtendienst „zu 100% Schuld“ gegeben. Pofalla war seit 2009 sein Nachfolger im Chefsessel des Kanzleramts.

Als die Linken-Abgeordnete Renner ihn nach den Selektoren befragt, gibt er allerdings an, davon “erst aus der Berichterstattung” gehört zu haben. Eine Antwort die schon viele Zeugen vor ihm zu Protokoll gaben. Pofalla hat sich aber besser vorbereitet, er sagt, extra Akten konsultiert zu haben um sich selbst zu bestätigen nie damit konfrontiert worden zu sein. Wie sich herausstellt, handelt es sich um Akten die den Abgeordneten des Ausschusses nur geschwärzt zur Verfügung stehen, Pofalla konnte sie im Klartext einsehen, obwohl er inzwischen als Lobbyist bei der Bahn arbeitet.

Die Abgeordneten fragen, wie das sein kann. Er antwortet, nicht zum ersten mal, mit einem hämischen Grinsen: “Ich war mal Minister”. Auch das ist bei diesem Zeugen anders als bei anderen, Pofalla versteht es jegliche Verantwortung abzuweisen und sich dennoch als strahlender Messias darzustellen. Nach seinem vor Pathos sprühenden Eingangs-Statement tritt er den Fragen der Abgeordneten arrogant und überheblich entgegen. Statt zu antworten, scheint er sich offensichtlich lieber selbst schwadronieren zu hören, in elendigen Wiederholungen die seine großartige Arbeit und intelligente Vorgehensweise betonen.

Als der Grünen Abgeordnete Ströbele ihn wegen seiner knappen Zeit bittet auf die Frage zu antworten und nicht alles zu wiederholen, reagiert Pofalla respektlos: “Wenn Sie mich so einschränken, kann ich noch ganz andere Sachen erzählen, dann ist die Fragezeit ganz rum”. Dann greift er den SPD Abgeordneten Flisek an, seine Partei und er persönlich hätten einen Fehler gemacht als sie ihn so wegen des No-Spy Abkommen angegriffen hätten, “Nehmen Sie das mal als Lebenserfahrung mit”. Er selbst habe immerhin “20 Jahre Anwaltserfahrung”, daher schlägt er vor, dass Leute die ihm Vorwürfe machen “erst einmal einen Grundkurs in Jura machen sollten”.

Der ehemalige Minister im Zeugenstand macht deutlich, dass er sich um sein Ansehen nicht mehr scherrt, das er kein Politiker mehr ist. Vielleicht ist dies eine Abrechnung für die viele Schmach die er auf sich gezogen hat, vielmehr ist es aber wohl ein respektloser arroganter Charakter mit dem er auch schon früher Aufmerksamkeit auf sich zog. Dennoch genießt er scheinbar noch Unterstützung aus seiner Partei, die Fragen der CDU Abgeordneten Warken scheinen im eher eine Bühne geben zu wollen als Informationen zu erlangen. Als er sich kontinuierlich weigert, die Frage der Linken korrekt zu beantworten und seine eigenen Erzählungen zum besten gibt, ist beim Vorsitzenden Sensburg (CDU) nur ein Grinsen zu sehen, eingreifen tut er nicht.

Am Ende muss Pofalla sich aber doch fragen lassen, was denn seine Aufklärungsarbeit nach den Snowden-Veröffentlichungen überhaupt gebracht hat. Zwar meint dieser, “eine ganze Menge”, aber so wirklich substanzielles kann er dann doch nicht erzählen. Vor allem ist es sehr verwunderlich, wie er trotz seiner angeblich umfangreichen Arbeit nie von den Kooperationsprogrammen mit der NSA erfahren hat. Eikonal, Granat, Glotaic, Monkeyshoulder, alles Programme zwischen BND und anderen Nachrichtendiensten, Pofalla hat höchstens mal einen Namen aus der Presse erfahren. Die knappe Erklärung dafür “Ach wissen Sie, mit diesen ganzen Namen konnte ich nie etwas anfangen”.

Eine Reaktion die tief blicken lässt wie es mit der Kontrolle des Bundskanzleramts über den BND bestellt ist.

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