https://netzpolitik.org/wp-upload/2015-07-24_Generalbundesanwalt-Ermittlungsverfahren-Landesverrat.pngWie Netzpolitik.org soeben vermeldet, hat der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren gegen zwei ihrer Redakteure eingeleitet und damit auf eine Strafanzeige des Bundesamts für Verfassungsschutz reagiert. Neben den beiden Redakteuren Andre Meister und Markus Beckedahl, soll auch gegen eine unbekannte Person ermittelt werden.
Bisher war lediglich bekannt, dass der Verfassungsschutz eine Anzeige wegen Geheimnisverrats gestellt hatte. Netzpolitik hatte im Februar und April Dokumente veröffentlicht, die den Ausbau zur Überwachung von Internethinhalten durch den deutschen Inlandsdienst belegen sollten. Der Generalbundesanwalt hatte die Prüfung der Anzeige persönlich übernommen, solange war aber nur vermutet worden, dass nur der/die Whistleblower-in im Fokus der Ermittlung stehen würde.
Das nun auch gegen die Journalisten selbst ermittelt wird, muss als ein Angriff auf die Pressefreiheit gewertet werden. Seit dem Cicero-Urteil ist dies warhscheinlich der erste Fall, in dem Ermittlungen gegen Journalisten wegen Landesverrates aufgenommen werden. Damals waren die Redaktionsräume des Magazins durchsucht worden, weil der Verdacht bestand, dass die Journalist-innen über geheimes Material verfügten. Das Cicero-Urteil war 2007 richtungsweisend und sollte die Pressefreiheit als wichtigen Bestandteil der freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesreublik stärken.
Seit diversen Enthüllungen durch Whistleblower-innen in den letzten Jahren wird das Thema des Geheimnisverrats kontrovers diskutiert. Die Bewertung, ob eine Enthüllung als Landesverrat oder als legitimes Whistleblowing bewertet werden muss, geht in den verschiedenen politischen Lagern weit auseinander.
Vielleicht kann man dem Amt für Verfassungsschutz nicht vorwerfen, dass es Anzeige erstattet, wenn geheime Dokumente aus ihrem Ressort weitergeben werden. Allerdings ist es bezeichnend, dass der Generalbundesanwalt bei brisanten Fällen wie der NSA-Affäre und dem Abhören des Kanzlerinnenhandys jahrelang nur prüft, aber nicht ermittelt, dann aber schon kurz nach einer anderen Anzeige ein Verfahren wegen Landesverrats gegen Journalisten einleitet.
Der Verfassungsschutz ist eigentlich das zuständige Amt für die Spionageabwehr, über die Wahrnehmung dieser Aufgabe hat man von der Behörde während den vergangenen zwei Jahren, seit dem Bekanntwerden der NSA Aktivitäten, allerdings eher wenig gehört.
Die Ermittlungen gegen Whistleblower-innen und nun auch noch gegen Journalisten, die im Rahmen der Pressefreiheit besonders geschützt werden müssen, kann nur als Einschüchterung aufklärerischer Arbeit verstanden werden.
UPDATE: Nochmal eine ausführlichere Einschätzung der Situation https://www.freitag.de/autoren/jonaz/bundesanwaltschaft-gegen-pressefreiheit
Kommentare 25
"Wer ein Staatsgeheimnis […] an einen Unbefugten gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht, um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen, und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft."
Und wer die strukturelle Unterschützung eines Neo-Nazi Netzwerks durch den Verfassungsschutz oder die massenhafte Überwachung,Industriespionage und das Bespitzeln von Politikern vertuscht, steht an der Spitze der Institution, die die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland schützen soll.
http://i61.tinypic.com/i5skfs.jpg
Hans-Georg Maaßen: “Wir haben keine Erkenntnisse, dass westliche Geheimdienste Industriespionage betreiben.” (n-tv 13.5.2015)
Thx für die zeitnahe Info.
und jetzt scheint np.org auch schon offline zu sein, entweder ist die Sache phänomenal gute Werbung oder es liegt an etwas anderem :)
Der Range könnte langsam mal den Buback machen.
Der Server ist überlastet. Postet netzpolitik.org jedenfalls auf Facebook.
Hier hat der GBA aber sehr schnell einen Anfangsverdacht gefunden!
Oder sogar gerichtsfeste Beweise?
Was ko... mich dieses einäugige Vorgehen in diesem besch..... Land an.
Unfassbar. Der Staat hat sich soeben offiziell von seinem Regierungsauftrag verabschiedet.
Der blanke Hohn: NSA-Ermittlungen werden eingestellt, aber gegen die, die sich für Demokratie und Pressefreiheit stark machen, wird ermittelt.
+++ Was jetzt zu tun ist: Der Regierung Merkel das Vertrauen entziehen. LINKE, GRÜNE - und die in der SPD, die noch ein Fünkchen Anstand besitzen - bilden eine Minderheitsregierung und entheben Merkel mit sofortiger Wirkung ihres Amtes. Um noch Schlimmeren Schaden vom Volk abzuwehren.+++
Pikant dürfte das in Auftrag gegebene Gutachten werden. Denn hier wird es nicht darum gehen, ob nun ein Geheimnis vorliegt oder nicht, sondern ob es ein solches ist, das „vor einer fremden Macht geheimgehalten werden“ muss, „um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden“. Dementsprechend bezieht sich der Landesverrat auf „die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik“.
Die von np veröffentlichten Artikel beziehen sich hingegen auf die Tätigkeit des Verfassungsschutzes, mithin des Inlandsgeheimdienstes. Seine Tätigkeit ist nicht nur organisatorisch, sondern auch gesetzlich von dem des Bundesnachrichten- als Auslandsgeheimdienst getrennt. Dieses Paradoxon hat nicht wenig mit dem Netz zu tun (auf das sich die von rp berichteten Tätigkeiten des BfV bezieht), wo In- und Ausland trotz gegenteiliger Bemühungen als Kategorie nicht zählen.
Dass dieses Land in seiner (vermeintlichen) Sieges-Hybris nunmehr in eine Neuauflage der Spiegel-Affaire torkelt, war leider zu befürchten. Ich denke, die Botschaft, die (vor allem) in Richtung der Netzmedien versendet wird, ist eindeutig: Nachdem es letztes Jahr mit der Großdiffamierungskampagne nicht zur vollseitigen Zufriedenheit geklappt hat, kommen nunmehr die Instrumente zur Anwendung – respektive Einschüchterung mit dem Ziel, von bestimmten Infos, Meinungen und Berichterstattungsstrings die Finger zu lassen. – Sonst gibt’s Knast.
Die Intention liegt meines Erachtens nicht nur beim Thema NSA auf der Hand – den Handreichungen der deutschen Dienste betreffend die großflächige Ausspähung der Bevölkerung. Insbesondere der VS hat sich längst in der rechtlichen Grauzone häuslich niedergelassen – wie der NSU-Komplex eindringlich aufgezeigt hat und nach wie vor aufzeigt. Praktisch, wenn man in der Position ist, Berichterstattung über Regierungskriminalität zu kriminalisieren. Wenn das einmal Erfolg hat, sind die Dämme gebrochen. Dann kann man alles unter Berichterstattungs-Vorbehalt stellen – die VS-Machenschaften bei der Mordserie des NSU, das Ausspähen jeder kritischen Berichterstattung (wie aktuell Anlass) oder auch nur das Publikmachen von Insider-Informationen zu TTIP oder der Korruption örtlicher Behörden in Hinterhofhausen.
Aus der anderen Richtung gedacht: eine konsequente Art, mit Kritik umzugehen. Man ist ja Regierung; darum verbietet man sie einfach.
So funktioniert Politik eben
Bei jeder Affenbande im Zoo kann man das beobachten, daß sich ein kleiner Affe, der von einem großen Affen geschlagen wird, einen noch kleineren Affen sucht und den schälgt.
Das ist nun ganz offensichtlich die Reaktion auf das ominöse Handy, das von der Firma Horch & Guck abgehört wurde, abgehört wird und so weiter und so fort.
ff.
Im Moment ist es ja nur eine Anklage der Bundesregierung und dabei kann alles mögliche raus kommen, sogar ein Dilemma, weil nix genaues weiß man.
Es war 1870/71 schon mal schlimmer.
Da wollte einmal ein süddeutscher katholischer Prinz der Hohenzollern zu einer spanischen Prinzessin ins Bett steigen und das hatte dem Napoleon Nummer 3 gar nicht gefallen; also zog der Prinz den Schwanz ein und verzichtete - Krieg gab es trotzdem.
Um das nochmal klar zu stellen, im Moment wurden erst einmal nur Ermittlungen aufgenommen, keine Klage erhoben! Was natürlich mehr ist als im Falle von NSA/Merkelhandy, da hatte der GBA nur geprüft und nicht einmal offiziell Ermittlungen aufgenommen
Es gibt noch eine dritte Möglichkeit
Nehmen wir einmal an, diese Anklage braucht Zeit und könnte auch irgend wann einmal im Sand verlaufen; dann sollten hier die Alarmglocken schellen, weil irgendwo an anderer Stelle ein richtige Sauerei durchgezogen wird.
.....und "hier"!......."leben"? WIR!!!
Diktatur der Angst und Einschüchterung
Nochmal eine Ausführlichere Einschätzung der Situation:
https://www.freitag.de/autoren/jonaz/bundesanwaltschaft-gegen-pressefreiheit
"Das nun auch gegen die Journalisten selbst ermittelt wird, muss als ein Angriff auf die Pressefreiheit gewertet werden."
Das ist es definitiv! Dieser Range... hätte er mal so viel Einsatzbereitschaft bei den Ermittlungen gegen die NSA gezeigt...
Eine demokratisch legitimierte Frechheit.
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Nach oben buckeln und nach unten treten
Viel schöner konnte er nicht demonstrieren, dass er nur der Anführer der Lakaien Kaste ist. (Kommentar bei heise.de)
Interessant ist es, wie einzelne Medien darauf eingehen, bzw. nicht eingehen. Solidarität mit Netzpolitik.org ist jetzt das Mindeste. Aber selbst zum Mindesten scheinen einige Medienorgane nicht in der Lage.
Mh, das sehe ich bisher anders, ich finde es gibt eine beachtliche Solidaritätswelle, die ich aber acuh nicht erstaunlich finde. Schliesslich geht es um der Medien ureigenstes Thema.
Eher interessant, bzw. kritisch finde ich, dass sie sich viel zu sehr daran festbeissen und das skandalisieren. Vielerorts lese ich Sachen wie
Auf Landesverrat steht mindestens ein Jahr Haft. Man kann sich ausmalen, unter welchem Druck die Journalisten von netzpolitik.org nun stehen. (Standard)
Ich glaube die Netzpolitik-Leute haben es in ihren Reaktionen selbst deutlich gemacht, sie fürchten nicht wirklich eine Anklage. Viel mehr ist es eine grandiose PR Kampagne und am Ende wird die unabdingbarkeit der Pressefreiheit im Vordergrund stehen.
Bedenken habe ich aber, dass ein ganz adneres Ziel, nämlich der Angriff auf den Whistleblowerschutz nicht die nötige BEachtung erhält, das ist nämlich leider noch nicht zum ureigensten Thema der Medien geworden
Ich möchte Sie als Juristen Folgendes fragen:
Wenn es sich bei den durch netzpolitik.org veröff. Dokumenten bzw. deren Auszügen um solche entsprechender Geheimhaltungsstufe handelt, inwiefern ist es dann eigentlich der Generalstaatsanwaltschaft möglich, vergleichende Einsicht in die Originale zu nehmen?
Ich sehe nicht wo sich mein und Ihr Kommentar widersprechen.
Dass einige Medienorgane nicht dazu in der Lage sind/sein wollen, schließt doch eine beachtliche Solidaritätswelle von anderen nicht aus.
btw: Da Netzpolitik.org seit gestern überlastet ist, gibt es nun einen Mirror, der ist unter Landesverrat.org zu erreichen.
achso, ok ich fände es Interessant entsprechende Beispiele zu sehen? Bisher sind mir die nämlich noch nicht untergekommen, aber habe auch noch icht danach gesucht
Eines der prominentesten Beispiele ist wohl der Spiegel, der erst heute Vormittag auf den Zug aufgesprungen ist, nachdem er im Netz für seine mangelnde Solidarität kritisiert wurde. Und das obwohl er selbst mal betroffen war. Spiegel gestern. Spiegelheute. Was ich gestern bei der FAZ fand war auch sehr zögerlich (mittlerweile haben auch die nachgebessert), sowie in etlichen Nachrichtensendungen usw, usf.
Range rudert aber auch grad etwas zurück, bzw. wird zurückgerudert. Ermittlungen vorerst gestoppt.
ja stimmt, ich war jetzt schon wieder mit dem Spiegel versöhnt durch die heutigen Kommentare :) Kommt drauf an, was man überhaupt von dem Spiegel erwartet
Info am Rande. Zitat aus einem Kommentar bei der faz:
""Deutschland - Land der Ideen" ist eine gemeinsame Initiative von Bundesregierung und BDI. Am 05.08.2015 steht nun die Auszeichnung von Netzpolitik.org auf dem Plan. Zitat aus der Begründung: ... "Warum darf es im Web keine Zensur geben? ... Wie viel Macht dürfen Internetkonzerne über unsere Daten haben? Die Macher des Weblogs netzpolitik.org engagieren sich seit über zehn Jahren für ein offenes Netz und die digitalen Rechte der Bürger... Ziel ist es, rund um alle Themen zu informieren, die der digitale Wandel mit sich bringt – ob für Kultur, Politik oder Gesellschaft – und eine breite öffentliche Debatte anzustoßen. Mit Erfolg: Der preisgekrönte Weblog prägt seit über zehn Jahren den netzpolitischen Diskurs in Deutschland und ist zu einer wichtigen Stimme in der Medienlandschaft geworden." (Zitat Ende) ... Ob Herr Gauck die goldenen Handschellen selbst überreicht ?"
Netzseite: Land der Ideen