Im März diesen Jahres legte der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) ein Gutachten zur rechtlichen Zulässigkeit des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ vor. Der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin, Professor Dr. Helge Sodan, meldete darin verschiedene verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber den Forderungen der Initiative an und sorgte ob seines deutlichen Ergebnisses für große Freude bei seinem Auftraggeber.
Das Volksbegehren fordert den Berliner Senat zum Entwurf eines Gesetzes auf, das Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin enteignet und ihre Bestände in Gemeineigentum überführt. Eine neu gegründete Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) soll die Bestände anschließend verwalten und vermieten. Sie soll demokratisch von Bürgern und Mietern geführt werden und nicht profit-, sondern gemeinwohlorientiert arbeiten. Die Grundlage der Forderung findet sich in Artikel 15 des Grundgesetzes, der genau eine solche Vergesellschaftung von „Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln“ gegen Entschädigung vorsieht.
Zwar bezeichnete Sodan den Vorwurf, er habe ein Gefälligkeitsschrift für den BBU verfasst, damals laut der Märkischen Allgemeinen als „ehrenrührig“, allerdings zeichnet ein am gestrigen Mittwoch von der Linksfraktion vorgestelltes Gutachten ein gegenteiliges Bild als die Arbeit Sodans. Der Ersteller, Professor Dr. Joachim Wieland von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, erklärte bei der Vorstellung im Berliner Abgeordnetenhaus, er sehe keinen Anlass für verfassungsrechtliche Bedenken.
Widerspruch in allen wesentlichen Punkten
Wielands Ausarbeitung widerspricht der Sodans in allen wesentlichen Punkten. Dieser verwies in seinem Gutachten darauf, dass ein Gesetz im Sinne der Initiative einen unzulässigen Eingriff in die Eigentumsfreiheit gemäß Artikel 14 GG darstelle. Wieland entgegnet jedoch, dass dieser eine Enteignung durch ein Gesetz durchaus vorsehe und Artikel 15 eine entsprechende Spezialregelung enthalte. Ein solches Gesetz zur Enteignung sehe das Volksbegehren vor.
Auch den Vorwurf einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes gemäß Artikel 3 GG entkräftet Wieland. Sodan hatte in seiner Arbeit diesbezüglich Bedenken angemeldet, weil nur Unternehmen mit einem Bestand von 3.000 und mehr Wohnungen enteignet werden sollen. Wieland verweist jedoch darauf, dass die „Vergesellschaftungsreife“ der Unternehmen ein sinnvolles Kriterium im Hinblick auf eine Enteignung sei. Die vorgeschlagene Grenze eines Bestands von 3.000 Wohnungen sei außerdem für diese Unterscheidung geeignet.
Ein Gesetz im Sinne des Volksbegehrens sei zudem mit der Schuldenbremse vereinbar, da diese nur die Kreditaufnahme von Bund und Ländern regele. Eine Anstalt öffentlichen Rechts, wie sie von der Initiative angedacht ist, wäre als eigenständige juristische Person nicht von der in Artikel 109 GG festgehaltenen Schuldenbremse betroffen. Sie könne im Gegenzug für die Übernahme der Wohnungen die anfallenden Entschädigungen übernehmen und dafür ohne Probleme Kredite aufnehmen. Das Modell nannte Wieland „pfiffig“.
Eine Entschädigung müsse vor allem nicht in Höhe des derzeitigen Marktwertes der Immobilien erfolgen. Die Marktwerte seien durch spekulative Einflüsse sehr verfälscht und daher kein zwingend sinnvolles Maß. Es sei Aufgabe des Senats, hier eine angemessene Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Unternehmen vorzunehmen. Sodan hatte auch hier Zweifel an der Rechtmäßigkeit formuliert.
Dessen laut Märkischer Allgemeine stärkstes Argument war jedoch die Tatsache, dass die Berliner Verfassung mangels entsprechender Regelungen keine Vergesellschaftungen von Eigentum vorsehe. Wieland widerspricht auch hier: Auf Grund des Fehlens entgegenstehender Regelungen in der Landesverfassung sei kein Konflikt mit Artikel 15 ersichtlich, dieses Fehlen als ausdrückliches Verbot von Vergesellschaftungen aufzufassen bezeichnet er als „methodisch gewagt und nicht belastbar“.
Das Gutachten zeichnet damit ein sehr positives Bild für die Umsetzbarkeit des Volksbegehrens. Es sei geeignet, die soziale Komponente der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland auf den Prüfstand zu stellen. In diesem Zusammenhang weist Wieland auch darauf hin, Artikel 15 sei ein wichtiger Bestandteil des Grundgesetzes, da er dem Gesetzgeber Gestaltungsraum für die Gestaltung der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung garantiere. Diese Garantie sei ein essenzieller Bestandteil des Grundgesetzes, das nirgends die Wirtschaftsordnung für die Bundesrepublik explizit vorgebe. Vertreter der FDP dürfte das möglicherweise verwundern. „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ scheint derweil rechtlich auf festen Füßen zu stehen.
Kommentare 6
>>Eine Entschädigung müsse vor allem nicht in Höhe des derzeitigen Marktwertes der Immobilien erfolgen.<<
Sehr richtig: Eine Enteignung ist kein Kauf. Es wäre durchaus korrekt, Profite, die vor der Enteignung aus den zu enteignenden Objekten gezogen wurden auf die Entschädigung anzurechnen.
Oh man, je mehr linke Fantasten es gibt desto weniger neue Wohnungen. Ihr Berliner, enteignet nur was das Zeug hält aber wundert euch hinterher nicht. Ich bin sprachlos.
>>Auf Grund des Fehlens entgegenstehender Regelungen in der Landesverfassung sei kein Konflikt mit Artikel 15 ersichtlich, dieses Fehlen als ausdrückliches Verbot von Vergesellschaftungen aufzufassen bezeichnet er als „methodisch gewagt und nicht belastbar“.<<
Selbst wenn eine Landesverfassung ein Verbot von Enteignungen zum Wohle der Allgemeinheit enthielte: Den Rechtsgrundsatz „Bundesrecht bricht Landesrecht“ könnte der Interessenvertreter einer kleinen extremistischen Minderheit nicht einfach zu „Landesrecht bricht Bundesrecht“ umkehren.
Verscherbeln von ehemals gemeinnützigen Wohnungen an dubiose Investoren ist Marktliberalisierung! Zurückholen ist Sozialismus! Zumindest in den Augen von CDU, „C“SU und FDP! Dabei wird doch selbst von diesen Unterstützern der Reichen und Mächtigen das Verkaufen und die Aufgabe des ehedem erfolgreichen sozialen Wohnungsbaus - übrigens in den Neunziger Jahren von der damaligen Regierung Kohl - mittlerweile kleinlaut als Fehler bezeichnet. Selbst die Süddeutsche Zeitung - WELT, ZEIT, Müchner Merkur, FAZ u.a. sind da nicht besser - weinen hier Gegnern der damaligen Politik wie z.B. den damaligen Münchner SPD-Oberbürgermeistern („stalinistische Kollektivierer“ wurden sie schon damals beschimpft!) Krokodilstränen nach, bekämpfen aber heutige Politiker und deren radikaleren Konzepte als „Enteignungsträume“, „Enteignungsfuror“ „kein gangbarer Weg“ ... und streuen eine Reihe, zumindest kurzfristig untauglicher, „Alternativen“ in die Augen seiner Leser.Solange die politischen Randbedingungen für bezahlbares Wohnen nicht endlich wieder auf „Grün stehen“, wäre ein bundesweiter Mietendeckel das richtige Instrument, um die Politik zum Handeln zu zwingen!
Zusammenfassung:Verscherbeln von gemeinnützigen Wohnungen an dubiose Investoren ist Marktliberalisierung! Zurückholen ist Sozialismus! Zumindest in den Augen von CDU, „C“SU und FDP!Es ist schon interessant, dass das Verscherbeln von 32.000 Wohnungen der ehemals gemeinnützigen GBW an dubiose private Investoren durch den damaligen „C“SU-Finanzminister Söder offensichtlich durch keine rechtliche Vorgabe gebremst werden konnte, jedoch das Gegenteil, d.h. die Rekommunalisierung - obwohl in der Verfassung (Artikel,15 GG) für bestimmte Fälle verankert - offensichtlich von denselben Politikern als Sozialismus und Schwachsinn gegeißelt wird! Wobei dieser Fall noch eine besondere Note hat: Verkauft wurde die GBW, um mit dem Erlös betrügerische Banker zu retten. Dabei wurde aber inkauf genommen, dass anständige Mieter z.B. durch „Heraussanieren“ aus ihren Wohnungen vergrault werden, was sich mittlerweile auch bestätigt (Mieterhöhungen um bis zu Faktor 3!).Wir stellen fest: eine Einbahnstraße in den Raubtierkapitalismus! Eine Reduzierung des Bestandes an bezahlbaren Wohnungen und damit eine weitere Verdrängung von unbescholtenen Mietern aus ehemals bezahlbaren Wohnungen!Deutschland, sei wachsam!5 vor 12!https://youtu.be/JNjh46zpQFAPS:1. Und wer statt für Enteignung nur für Bauen, Bauen, Bauen plädiert ist unehrlich, da, wie derzeit in München vorgeführt wird, der knappe Boden in der erforderlichen Menge und zu bezahlbaren Preisen zum Teil auch nur durch Enteignung zu beschaffen wäre, was wiederum die „C“SU als Sozialismus - siehe oben - ablehnt!2. Dass mittlerweile selbst von sog. Leitmedien wie z.B. der Süddeutschen Zeitung der besagte Artikel 15 GG als „Sozialismus-Artikel“ und „sozialistischer Weg“ diskreditiert wird, der sich mittlerweile ja längst überholt habe, zeigt, wohin die Reichen und Mächtigen sowie ihre Unterstützer dieses Land rücken wollen!3. Das häufig gehörte Gegenargument, Enteignung schaffe keine neue Wohnung ist zwar richtig, aber es lässt Millionen betroffener Mieter nachts besser schlafen, da sie keine horrenden Mieterhöhungen mehr befürchten müssen und das Angebot an bezahlbaren Wohnungen nicht weiter reduziert wird!4. In Berlin sieht es übrigens nicht wesentlich anders aus als in Bayern:2004 auf Vorschlag von Finanzsenator Sarrazin Verkauf von 66.000 gemeinnützigen GSW-Wohnungen für rd. 400 Mio EUR an Goldman&Sachs; 2010 weiter verkauft, obwohl ursprünglich 10 Jahre „Halten“ vereinbart war.1998 Teilprivatisierung (75%) von 27.000 GEHAG-Wohnungen unter CDU- Bürgermeister Diepgen.5. Und in Dresden hatte 2006 der damalige FDP-Ober-Bürgermeister 47.000 Wohnungen - den gesamten seinerzeitigen kommunalen Wohnungsbestand - an einen amerikanischen Investor verscherbelt, der diese mittlerweile an andere Konzerne weitergereicht hat. Dieser hartnäckig neoliberale FDP-Politiker hält diese Entscheidung, den Stadthaushalt auf Kosten der Mieter von einstmals bezahlbaren Wohnungen zu sanieren, auch heute noch für richtig!6. Vergessen wir auch nicht, dass es die Regierung Kohl war, die seinerzeit in ihrem neoliberalen Irrweg den bis dahin erfolgreichen sozialen Wohnungsbau abgeschafft hatte: der Markt sollte es künftig richten. Und der Markt hat es gerichtet: er hat die Entwicklung bezahlbarer Wohnungen hingerichtet!
Sehr richtig, Enteignung baut keine Wohnungen. Deshalb muss neben diesen Bestrebungen auch eine massive Verstärkung des sozialen Wohnungsbaus geben.