Irgendwie ist diese Partei nicht klein zu kriegen. Kaum zwei Jahre ist die FDP raus aus dem Bundestag und den Köpfen der meisten Menschen, da steht sie schon wieder in den Startlöchern. Bleibt zu hoffen, dass ihr Comeback – sollte es gelingen – den gleichen Weg nimmt, wie das der meisten Altrocker. Ein kleiner Hit nach langer Pause, mäßiger Erfolg und dann endlich der Rückzug in den Ruhestand.
Zumindest in Marketing-Fragen orientiert sich die Partei an den Comebacks alter Rocker. Aufmerksamkeit um jeden Preis ist die Devise. Denn was machen die, wenn der eigene Körper nicht mehr ganz so frisch, die Bühnenpräsenz lahm ist? Richtig: Junge, hübsche Frauen müssen vor die Kamera und davon ablenken, dass der Alte eigentlich gar nicht singen kann.
Das funktioniert in der Musikbranche, das funktioniert bei der FDP.
Die Partei setzt auf die Wahl in Hamburg am kommenden Sonntag. Hier soll der erste Schritt zurück in Richtung Bundesbühne gelingen. Und so schlecht sieht das gar nicht aus, laut Umfragen könnte die FDP die Fünf-Prozent-Hürde knapp überwinden und somit wieder in den Hamburger Landtag einziehen.
Neues Frontgirl
Der Aufwind im Norden sei Spitzenkandidatin Katja Suding zu verdanken, meinen viele. Sie hatte die FDP bei der Wahl 2011 nach siebenjähriger außerparlamentarischer Opposition mit 6,7 Prozent zurück auf die politische Bühne gebracht.
Suding ist das Herzstück der Comeback-Marketing-Strategie, das neue Front-Girl des Altrockers. In der Klatschzeitschrift Gala posiert sie zusammen mit der Bremer Spitzenkandidatin Lencke Steiner und FDP-Generalsekretärin Nicola Beer in engen Lederklamotten und kämpferischen Tai-Chi-Posen. Drei Engel für Lindner nennt sich das hübsche Trio in Anlehnung an den Hollywood-Film „Charlies Angels“. Das ganze sieht zwar eher nach billiger Autowerbung aus, aber was soll`s. Die Hauptsache ist, niemand guckt mehr auf das beworbene Produkt.
Denn wofür das eigentlich steht, ist völlig unklar. Alte Wirtschaftsliberale, die gegen den Sozialstaat schimpfen? Dieses Image hat allerdings die AfD schon relativ breit besetzt, da bleibt kaum Platz für die FDP um sich zu profilieren. Eine Rückbesinnung auf liberale Werte jenseits des Wirtschaftsliberalismus? Unwahrscheinlich. Gerade wegen deren offensichtlichem Fehlen überwarfen sich Suding und die Hamburger Ex-Parteivorsitzende Sylvia Canel. 2014 trat die dann aus der FDP aus, nahm gleich noch die halbe Hamburger FDP mit und gründete die „Neuen Liberalen“. Zwar redet über die FDP-Abtrünnigen mittlerweile kaum noch jemand, für Suding und Konsorten ist die Abspaltung trotzdem eine Niederlage.
"Bunte Spaßtruppe"
Selbst der CDU-Spitzenkandidaten Dietrich Wersich, dem wenig Chancen zugesprochen werden, lästert: "Mit der "Drei Engel für Lindner"-Nummer hat sich die FDP aus der politischen Seriosität verabschiedet". In Wirklichkeit sei die Partei tief gespalten: Kurz vor der Wahl sei die eine Hälfte abgehauen und die andere Hälfte präsentiere sich als bunte Spaßtruppe, so Wersich.
Die Liberalen stört das nicht, sie sind in Angriffslaune. Auf ihrem 100. Landesparteitag am vergangenen Wochenende wetterte die Partei gegen die SPD und beschloss ein Papier in dem sie an die Wähler appellierte: „Sie entscheiden darüber, ob die Stadt weiterhin ohne Visionen und mehr schlecht als recht verwaltet wird. Ob grüne Wirtschafts- und Technologiefeindlichkeit die Agenda des neuen Senats bestimmen werden.“ Mit den visionslosen Technologiefeinden koalieren möchte man aber trotzdem gern. Suding jedenfalls hat eine rot-gelbe Kombination schon mehrfach ins Spiel gebracht.
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) erteilte einer möglichen sozialliberalen Koalition aber vorläufig eine Absage. Er könne sich ein Bündnis mit der FDP nicht vorstellen, sein Ziel sei die absolute Mehrheit für die SPD. Falls es dafür nicht reiche, seien die Grünen sein erster Gesprächspartner.
Suding: Der Mann für Hamburg
Bleibt die Frage, mit welchen Visionen die Spaßtruppe denn nun eigentlich punkten will. Frauenpower wäre naheliegend. Die Inszenierung Sudings als Botschaft für Emanzipation und Gleichberechtigung? Die FDP als neue Partei für Frauenrechte?
Eher unwahrscheinlich, zumal gerade die Liberalen in den letzten Jahren in Genderfragen negativ aufgefallen sind. Die sexistischen Angebote von Rainer Brüderle und immer wieder der chauvinistisch auftretende Kubicki. Die einzige Wende scheint darin zu bestehen, dass mithilfe der schlechten Werbekampagne nun nicht mehr die alten Herren Frauen in der Öffentlichkeit auf ihr Aussehen reduzieren, sondern die Frauen dies einfach selbst übernehmen. Und damit die konservativen FDP-Wähler ganz sicher nicht auf die Idee kommen, mit der Spitzenkandidatin könne eine emanzipative Kehrtwende stattfindet, lautet der Slogan auf Sudings Plakaten rollengerecht „Unser Mann für Hamburg“.
Suding also der gut aussehende Mann für Hamburg, Lindner der gutaussehende Mann für Deutschland. Während seine drei Engel für den Sexappeal der Partei sorgen, inszeniert er sich als Vertreter der hart arbeitenden Mittelschicht. Sein kleiner Wutausbruch im NRW-Landtag wegen des Zwischenrufs eines SPD-Politikers wurde auf Youtube ein Renner. Das Marketing-Konzept bleibt konsistent: Hauptsache Aufmerksamkeit.
Große Klappe, nichts dahinter – das wäre wohl ein passender Slogan für den Comeback-Versuch der FDP. Leider hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass das in Wahlkämpfen mitunter nicht die schlechteste Strategie ist. Die besten Themen zu haben, bedeutet hier oft, gar keine Themen zu haben. Schon die CDU hat damit bei den letzten Bundestagswahlen gute Erfahrungen gemacht. „Wachstum braucht Weitblick“ und „Gemeinsam erfolgreich für Deutschland“ war die Message. Oder war es „Deutschland braucht Wachstum“ und „Gemeinsam erfolgreich mit Weitblick“? Im Grunde egal, der „Inhalt“ bleibt gleich. Über die Plakate der Linkspartei wurde dagegen gelästert. Viel zu viel Text.
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