Immer schön nach draußen gucken

Koalition Die Union will das Deutsche Institut für Menschenrechte an die Leine nehmen
Ausgabe 09/2015
Selbstkritik nicht erwünscht: Erika Steinbach möchte, dass das Institut sich aufs Ausland konzentriert
Selbstkritik nicht erwünscht: Erika Steinbach möchte, dass das Institut sich aufs Ausland konzentriert

Foto: Müller-Stauffenberg/Imago

Menschenrechtsverletzungen in Deutschland? Gibt es nicht, sagen manche. Gibt es doch, sagt das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR). Seit nunmehr 15 Jahren schaut der Verein der deutschen Politik auf die Finger, prangert Grundrechtsverletzungen etwa bei Flüchtlingen, Behinderten oder Homosexuellen an.

Das gefällt nicht jedem. Schon 2002, da hatte das Institut gerade erst seine Arbeit aufgenommen, wurde es von der Politik kritisiert. Es solle sich lieber auf das Ausland konzentrieren, so der heutige Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) damals. Dabei gehört der Blick nach innen zu den wichtigsten Aufgaben des DIMR. Es wurde auf Grundlage der sogenannten Pariser Prinzipien gegründet, die 1994 in einer UN-Resolution festgeschrieben wurden. Diese empfiehlt Staaten, nationale Menschenrechtsinstitute einzurichten, die unabhängig die Lage im eigenen Land dokumentieren und kommentieren. Im Jahr 2000 setzte der Bundestag die Resolution um und beschloss mit den Stimmen aller Fraktionen, das DIMR zu gründen. Allerdings fehlt bis heute eine gesetzliche Grundlage – obwohl auch eine solche von der UN-Resolution gefordert wurde. Deshalb gibt es jetzt Probleme.

Denn dem DIMR droht nun den sogenannten „A-Status“ bei der UNO zu verlieren. Ende März will das International Coordinating Committee (ICC) überprüfen, ob das deutsche Institut die Voraussetzung für den begehrten Status erfüllt. Ohne gesetzliche Grundlage tut es das jedoch nicht. Bisher drückte das ICC hier beide Augen zu – doch die Geduld scheint am Ende. Das DIMR würde durch die Herabstufung im UNO-Menschenrechtsausschuss alle wesentlichen Kompetenzen verlieren: das Recht an Sitzungen teilzunehmen, Stellung zu Tagesordnungspunkten zu nehmen und direkt nach der deutschen Regierung zu sprechen, wenn über die Bundesrepublik debattiert wird.

Eigentlich hatte sich die große Koalition deshalb vorgenommen, diesen Missstand zu beseitigen. Das Vorhaben wurde in den Koalitionsvertrag aufgenommen, Justizminister Heiko Maas (SPD) legte einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor. Doch plötzlich bremste die Union. Die menschenrechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Erika Steinbach, stoppte das Vorhaben und legte einen eigenen Entwurf vor. Demzufolge soll die Politik mehr Einfluss auf das DIMR bekommen. Außerdem würde das Institut in eine Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelt und in den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts eingegliedert. „Das wäre dann eine völlig andere Institution“, so DIMR-Direktorin Beate Rudolf. Sie wisse, dass es von manchen kritisch gesehen werde, dass zum Thema Rassismus oder zu sozialen Menschenrechten gearbeitet werde. Aber: „Die deutsche Menschenrechtspolitik ist nur glaubwürdig, wenn wir selbstkritisch sind.“

Genau das scheint Erika Steinbach nicht zu gefallen. Sie will, dass das Institut sich aufs Ausland konzentriert. Keine große Überraschung, angesichts ihrer Vergangenheit. In ihrer Partei steht sie am äußersten rechten Rand. Ihren Koalitionspartner konnte Steinbach dann auch nicht überzeugen. Die SPD will das Institut in seiner jetzigen Form behalten. Der Streit darüber ist mittlerweile in den höheren Ebenen angekommen. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) kündigte an, eine Einigung herbeizuführen. Auch der Bundestag hat sich mit dem DIMR beschäftigt. Die Grünen brachten Maas‘ Gesetzesentwurf unverändert ins Plenum ein, waren aber erfolglos. Nun hat die Große Koalition nur noch wenige Zeit, einen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen. Die Bundeskanzlerin müsse die „Kampftruppe Steinbach“ stoppen, so der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen, Tom Koenigs.

Beim DIMR ist man derweil ratlos: „Wir verstehen nicht, warum das jetzt so ein Problem ist“, so Direktorin Rudolf. Natürlich wisse man, dass nicht alle immer gerne hören würden, was das DIMR zu sagen habe, „ich frage mich allerdings, wovor einige Menschen Angst haben. Vor unabhängiger Beratung? Ein selbstbewusster Rechtsstaat kann sich doch eine solche Institution leisten.“

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