Schummeln gehört zum Geschäft

Hinterzimmer Ein Lobbyistenregister der EU soll bei den TTIP-Verhandlungen für Transparenz sorgen. Aber die Regeln sind viel zu soft
Ausgabe 28/2015
Transparenzinitiativen zu Lobbyismus auf EU-Ebene sind noch immer zaghaft
Transparenzinitiativen zu Lobbyismus auf EU-Ebene sind noch immer zaghaft

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Na, wer hätte das gedacht: Wenn in Hinterzimmern über das transatlantische Freihandelsabkommen debattiert wird, bekommen zivilgesellschaftliche Vertreter keine Einladung. Die Nichtregierungsorganisationen „Alter-EU“ und „Transparency International“ haben Statistiken veröffentlicht, mit welchen Lobbyisten sich die Mitglieder der Europäischen Kommission im Zuge der TTIP-Verhandlungen besonders häufig treffen. Wenig überraschend: In den Top Ten der wichtigsten Akteure fehlen Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitnehmerinteressen. Stattdessen liest sich das Ranking wie das Who’s Who der Wirtschaftselite.

Die meisten Treffen gab es mit dem „Trans-Atlantic Business Council“. Hinter dieser Organisation verbergen sich Vorstandsmitglieder von rund 70 global agierenden Konzernen. Deutsche Bank, Siemens, BASF – alle sind mit an Bord. Hervorgegangen ist die Organisation aus dem „Trans-Atlantic Business Dialogue“. Das ist eine offizielle Beratergruppe, die – wie es der Zufall will – von EU-Kommission und US-Regierung ins Leben gerufen wurde.

Dem Business Council folgt auf Platz zwei der Verband der europäischen Handels- und Industriekammern „Eurochambres“ und dahinter der „Europäische Runde Tisch der Industriellen“ und die „Union der Europäischen Eisenbahn-Industrien“.

Gut gemeint, aber das Ziel weitgehend verfehlt

Nur knapp 14 Prozent der Hinterzimmergespräche fanden mit Nichtregierungsorganisationen statt. Und unter denen dürfen nicht nur Globalisierungskritiker vermutet werden. Mit zwei Treffen gehört die der FDP nahestehende Friedrich-Naumann-Stiftung zu den erfolgreichsten Interessenvertretern unter den NGOs.

Dass solche Statistiken überhaupt existieren, ist den zaghaften Transparenzinitiativen auf EU-Ebene zu verdanken. Seit Dezember 2014 hat sich die Kommission dazu verpflichtet, nur noch Treffen mit im EU-Transparenzregister verzeichneten Vertretern anzunehmen und offenzulegen.

Gut gemeint, aber das Ziel wird trotzdem weitgehend verfehlt. Denn Gesetzesentwürfe werden in Deutschland wie in der EU nicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Kommissionschef Jean-Claude Juncker, geschrieben, sondern von Referenten und Verwaltungsmitarbeitern. Genau da setzt effektives Lobbying an. Und genau da fehlen Transparenzvorschriften. Insgesamt, so heißt es in einem Bericht von Transparency International, werden nur die Treffen mit den ranghöchsten EU-Politikern erfasst. Das sind nicht einmal 300 von den über 30.000 Beschäftigten in der Kommission. Die Europäische Bürgerbeauftragte Emily OReilly sagte kürzlich, die Anforderungen zur Registrierung von Treffen der Top-Beamten mit Lobbyisten sollten auf Referatsleiter und Unterhändler ausgeweitet werden. Zum Freihandelsabkommen hat es seit Jahresbeginn knapp über 100 veröffentlichte Treffen mit Interessenvertretern gegeben. Angesichts der Kontroverse um das Thema dürfte diese Zahl weit unter den tatsächlichen Lobbyaktivitäten liegen.

Und das Transparenzregister? Trotz rund 7800 eingetragenen Lobbyisten ist es alles andere als vollständig. Rar machen sich vor allem solche Akteure, deren Einflussnahme besonders undurchsichtig ist. Und bei denen, die sich eingetragen haben, wird gerne geschummelt. „Viele der Informationen, die Lobbyisten freiwillig in das Register eintragen, sind falsch, unvollständig oder völlig nichtssagend”, meint Daniel Freund von Transparency International.

Freiwilligkeit sorgt bei Interessenvertretern anscheinend nicht für guten Willen. Ein Blick auf die einzelnen Staaten hätte diese Erkenntnis beschleunigen können. Deutschland ist ein Musterbeispiel fehlender Regulierung. Die Verbandsliste des Bundestages ist faktisch bedeutungslos. Die Registrierung ist freiwillig und die geforderten Angaben minimal. Verpflichtende Verhaltensvorschriften gibt es nicht, ebenso wenig wie Sanktionsmöglichkeiten.

Der Europa-Abgeordnete Richard Corbett von der Labour Party hatte es schon 2007 vorhergesagt: „Ein freiwilliges System wird nicht funktionieren. Genau die Akteure, von denen wir wollen, dass sie sich registrieren, sind die, die das nicht wollen.“

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