HoGeSA, Pegida, Bärgida: Jede neue Abkürzung lässt in diesen Tagen das Aufkeimen einer weiteren fremdenfeindlichen Vereinigung befürchten. Nicht immer ist die Sorge begründet. YouGeHa reiht sich zwar klangtechnisch in die Reihe ein, steht aber für das genaue Gegenteil. Über dreißig Social-Media-Berühmtheiten haben sich für die Kampagne „YouTuber gegen Hass“ zusammengetan. Seit Montag posten sie täglich Videos gegen Fremdenfeindlichkeit, Homophobie und Intoleranz.
Sie sind der Politik einen Schritt voraus. In den Parteien diskutiert man fieberhaft, wie mit der neuen rechts-außen-Bewegung aus AfD, Pegida und Co umzugehen sei. Braucht man einen Dialog, um die gesellschaftlich abgehängten „Wutbürger“ nicht weiter der alles erklärenden Ideologie des „bösen Ausländers“ aufsitzen zu lassen und sie argumentativ zu entkräften? Oder sollte man sich abgrenzen und ein klares Zeichen setzen, dass man für Fremdenfeindlichkeit kein offenes Ohr hat? Zwar gibt es bereits Orte, an denen man die Pegida-Anhänger zur Diskussion lädt, Veranstaltungen der Landeszentrale für politische Bildung beispielsweise oder Polit-Talksshows wie Günther Jauch. Die Integrationsfähigkeit für das Redebedürfnis so vieler Menschen in Deutschland aber bleibt begrenzt.
YouGeHa geht die Auseinandersetzung an, und zwar dort, wo Meinungsbildung vor allem für junge Menschen heute maßgeblich stattfindet: im Internet.
Thomas de Maizière meinte kürzlich, er fände es trotz der Begleitumstände wunderbar, wenn das Phänomen Pegida zur Politisierung der Gesellschaft beitrage. Die YouTube-Channel unter dem Hashtag „Yougeha“ versuchen genau das. Politisierung vor allem der Jugendlichen, Anregungen zum Nachdenken und Mitdiskutieren. Die Blogger nutzen ihre Popularität und Netzwerke. Manch einer wie der YouGeHa-Initiator Mirko Drotschmann, der unter dem Namen MrWissen2Go Erklärvideos à la „Finanzkrise für Dummies“ auf der Onlineplattform postet, bringt weit über 100.000 Abonnenten mit. Viele der YouGeHa-Clips wurden innerhalb von einem Tag zehntausendfach angeklickt; eine Reichweite von der manche Tageszeitungen träumen.
Wir können nicht nur Unterhaltung
„Wir wollen zeigen, dass bei YouTube nicht nur Unterhaltung stattfindet, sondern auch politische Inhalte, dass da auch diskutiert wird über Themen, die auch sonst in den Medien stattfinden und die man YouTube vielleicht auch nicht so zutraut“ sagte Mirko Drotschmann im Deutschlandfunk. Ob die Profilierung als "ernstzunehmendes Medium" von der Plattform und den Youtubern nun treibende Kraft oder nur ein dankbarer Nebeneffekt ist, sei dahingestellt. Der Ort, um die Jugendlichne für den politischen Diskurs zu gewinnen, ist trotzdem richtig gewählt – undabhängig davon, ob oder wo nun der Geldbeutel klingelt.
Tatsächlich trifft man unter #YouGeHa auf YouTuber, die man nicht unmittelbar mit harten, politischen Themen in Verbindung bringen würde. LeFloid beispielsweise, der eine Community von über 2 Millionen Abonnenten mitbringt, macht sonst eigentlich Clips zu kuriosen Neuigkeiten und Videospielen.
Die kurzen Filmchen kommen ganz unterschiedlich daher. Viele versuchen sich an Satire, machen sich in kleinen Stand-up-Comedy-Nummern über die Dummheit der Pegida-Anhänger lustig. Für LeFloid heißt Pegida beispielsweise „Panische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Andere rappen, oder philosophieren in einem mit Musik unterlegten Spaziergang durch Neukölln, warum man so dicht mit Muslimen zusammen, aber doch an ihnen vorbei lebe.
Stammtischparolen in den Faktencheck
MrWissen2go und andere setzen vor allem auf Argumente. Man müsse die Ängste von Pegida Ernst nehmen, heißt es oft. Das machen sie. Eine Stammtischparole nach der anderen wird analysiert und auseinandergenommen.
„Die Ausländer nehmen uns die Jobs weg.“ Schon mal was vom Aufenthaltsgesetz gehört, nach dem für jeden Job zuerst ein qualifizierter Deutscher, dann ein qualifizierter Eu-Bürger und erst zuletzt ein nicht-Europäer gesucht werden muss? Oder davon, dass Migranten Arbeitsplätze schaffen, und den Staat – will man solch eine eklige Kosten-Nutzen-Rechnung aufmachen – weit mehr Geld einbringen als sie kosten?
Kumpelhaft, locker und authentisch kommen die Moderatoren in den Youtube-Videos daher. Keine unverständlichen Fremdwörter oder Überheblichkeit.
„Bei YouTube sind besonders junge Leute unterwegs. Das ist ja kein Geheimnis. Und das sind junge Leute, die zum Teil kein großes Vertrauen mehr in die Medien haben, oder konventionelle Medien auch gar nicht mehr so unbedingt konsumieren. Die wollen wir erreichen über diese Videos.“
Die Idee scheint zu funktionieren, der Diskussionsbedarf ist da, auch unter jungen Menschen. Unter den Videos lässt sich erahnen, wie er aussehen könnte, dieser viel propagierte Dialog, von dem man sich oft fragt, wo und in welcher Form er eigentlich stattfinden soll. Dass die Debatte ihren Weg zu Günther Jauch und anderen Talkmastern findet ist nicht verwerflich. Es bleiben jedoch Formate, in denen wissenschaftliche Experten mit Anzug und Krawatte das Phänomen soziologisch analysieren, die Bürger selbst selten zu Wort kommen. Nicht alle jungen Menschen haben zu dieser Art von Auseinandersetzung mit dem Thema einen Bezug. Das liegt an der nicht nur an den grauen Anzügen und roten Ledersesseln. Das Fernsehen selbst spielt in ihrem medialen Alltag kaum mehr eine Rolle. Zu unflexibel, nicht passgenau und wenig integrativ.
Ich hab ja nichts gegen Ausländer, aber ...
Unter den YouGeHa-Videos sammeln sich in kürzester Zeit hunderte Kommentare. Überwiegend Zuspruch aber auch Querschläger, die genau die polemischen „Argumente“ à la „das wird man ja wohl nochmal sagen dürfen“ aufgreifen, die MrWissen2go und Co zu entkräften versuchen. „Monster Recker“ beispielsweise schreibt: „Nur weil viele Deutsche (PEGIDA) hier in Deutschland keine Moscheen an jeder Ecke haben wollen, sind sie Automatisch Nazis? In vielen Kantinen gibt es schon garkein Schweinefleisch mehr, nur weil die Moslems sich hier einnisten.“
Die Youtube Community steuert – zahlenmäßig überlegen – gegen, mit Statistiken, Gesetzen und Erfahrungen. Wie überall zeigt sich aber auch hier, dass vor allem die Polemiker ausdauernd sind und zuweilen gegen Argumente relativ resistent.
Das wären sie sie wahrscheinlich auch im persönlichen Dialog. Trotz allem könnte der an vielen Stellen wohl Missverständnisse vermeiden, die einzelnen Argumente besser aufeinander abstimmen. YouGeHa startet die Debatte an einem Ort, der von vielen – sehr zu Unrecht – noch immer nicht Ernst genommen wird und bringt hier junge Menschen zum Nachdenken und aktiven Argumentieren. Das ist gut und richtig. Völlig ersetzen kann dieses Format die persönliche Auseinandersetzung aber wohl nicht.
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