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Erinnerungskultur Das Bild von Iwo Jima in der Repräsentation des amerikanischen Sieges

Bilder sind allgegenwärtig und prägen unser Leben. Der Schnappschuss von einer gezielten Flaggenhissung auf der Insel Iwo Jima, eine vierhundertsel Sekunde lang, wurde zum wohl meistgedruckten Kriegsfoto. Am Auslöser stand der am 20. August 2006 verstorbene Fotograf Joe Rosenthal, der wegen seiner schlechten Augen bei der Army nicht angenommen worden war und das Kriegsende in Asien als Fotoreporter begleitet hatte. Spätere Fotos - beispielsweise die sowjetische Flaggenhissung auf dem Berliner Reichstag 1945 oder das Hissen der US-Fahne auf den Ruinen des World Trade Centers am 11. September 2001 - knüpften immer wieder an das Iwo-Jima-Bild an, saugten seine Bedeutungen auf und formten damit die Rezeption des Ursprungsbildes um. Das Foto von Iwo Jima wurde binnen weniger Wochen nach seiner Entstehung mit Symbolkraft aufgeladen, und es bildet seither einen zentralen Erinnerungsort für die US-amerikanische Öffentlichkeit. Der Historiker Jost Dülffer, der seine Studie Mitte September auf dem Deutschen Historikertag vorstellen wird, folgt dieser vielschichtigen Bedeutung des Iwo-Jima-Fotos, rekonstruiert die Kontexte seiner Verwendung und zeichnet die Veränderungen der Erinnerungsmuster nach.*

* Es handelt sich um die gekürzte Fassung eines Aufsatzes, der in den nächsten Tagen in den Zeithistorischen Forschungen/Studies in Contemporary History (2006) im Verlag Vandenhoeck Ruprecht (www.zeithistorische-forschungen.de) erscheinen wird.

Als Franklin D. Roosevelt, Josef Stalin und Winston Churchill vom 4. bis 11. Februar 1945 in Jalta zu ihrer zweiten Kriegskonferenz zusammentrafen, zeichnete sich das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa ab. Aber wie lange der ostasiatische Krieg noch dauern würde, war ungewiss. Die Amerikaner kämpften sich im Pazifischen Ozean gegen nachhaltigen japanischen Widerstand von Insel zu Insel vor. Die kleine Insel Iwo Jima, circa 21 Quadratkilometer groß, hatte längere Start- und Landebahnen; sie war als Sprungbrett für das weitere Vordringen und als Landeplatz für beschädigte Bomber im Rückflug geeignet. Darüber hinaus war sie die erste staatsrechtlich zu Japan gehörende Insel und wurde von 21.000 Japanern mit allen Mitteln gehalten. In 72 Tagen wurden bei 2.700 Luftangriffen 5.800 Tonnen Bomben über der Insel abgeworfen. Am 19. Februar 1945 begann das Landungsunternehmen der US-Streitkräfte und führte zu äußerst heftigen Kämpfen. Das von den Japanern angelegte Höhlensystem ermöglichte ihnen eine Art Guerillataktik bis hin zur Selbstsprengung. Von den 100.000 dort eingesetzten US-Soldaten wurden über 20.000 verletzt, 6.821 getötet. Nur etwa 1.000 der 21.000 japanischen Verteidiger kamen überhaupt in Gefangenschaft. Nach 36 Tagen, am 26. März, galt die Insel als erobert. Auf Iwo Jima starben in den ersten Stunden mehr Soldaten als bei den vorausgegangenen alliierten Landungen im süditalienischen Nettuno am 12. Januar 1944 oder in der Normandie am 6. Juni 1944.

Bereits vor der Landung hatten die US-Militärs beschlossen, in neuer Form die Medien einzubeziehen. Rundfunkreporter berichteten vom Schiff aus, und etwa 90 Foto- und Filmjournalisten gingen mit den Truppen in einem gesonderten Landungsschiff mit der Aufschrift "Press" an Land. Zur Legitimation in der Heimat bedurfte gerade der verlustreiche Pazifikkrieg der medialen Begleitung. Die Landung auf der Insel wurde zum Markstein für die annähernde Gleichzeitigkeit von Kriegsgeschehen und dessen Nachvollzug in der eigenen Gesellschaft, freilich unter Zensurbedingungen; Berichte über die hohen Verluste gelangten nur schwer an die Öffentlichkeit. Es waren nach heutigem Sprachgebrauch "embedded journalists", die eine Verbindung von der Front zur Heimat herstellten. Das gilt auch umgekehrt: Die Zeitungsberichte gelangten noch während der Kämpfe auf die Insel und förderten dort in einer Art Rückkopplungsschleife die Moral der Truppe.

Das Hissen einer Flagge war aus medialen Gründen von vornherein vorgesehen. Es gab jedoch gleich zwei dieser Akte. Am 23. Februar, dem vierten Tag der Landung, begann zunächst eine Soldatengruppe, ein Platoon unter Lieutenant Harold Schriers und Sergeant Ernest Thomas, den Aufstieg zum erloschenen Vulkan Mt. Suribachi, begleitet von dem Fotografen Lou Lowery. Man befürchtete japanische Angriffe aus den Höhlen und Unterständen, doch nach einer Stunde Aufstieg ohne Feindberührung erreichten die Marines, mehrfach von Lowery fotografiert, den Gipfel. Gegen 10.30 Uhr am Morgen zogen sie eine Flagge auf - ein PR-Akt, der überall auf der Insel und auf den Schiffen bejubelt wurde. Die Landungsschiffe meldeten es auch per Rundfunk nach Hause. Lowerys Gipfelfoto zeigte die Fahne wie üblich senkrecht eingerammt; Soldaten standen um sie herum. Erst das Hissen der Flagge forderte die versteckten Japaner zum Angriff heraus; sie wurden jedoch niedergekämpft. Auf den Gipfel gelangte auch ein katholischer Geistlicher und feierte eine ökumenische Messe, die Soldaten sammelten Souvenirs.

Es stellte sich jedoch heraus, dass die Fahne relativ klein und damit schwer zu erkennen war. So ordnete die Bataillonsführung an, auf dem Berg eine größere aufzuziehen. Man nahm außerdem an, dass die Flaggenhissung vor Ort gar nicht fotografiert worden war. Der für Associated Press tätige Joe Rosenthal erwischte den richtigen Augenblick und machte 18 Fotos. Die übrigen Fotografen und ein Kameramann wiederum hielten diese Szene fest, so dass die Abläufe breit dokumentiert sind. Andere Soldaten auf dem Berg interessierte der Ersatz der einen Fahne durch eine andere nicht sonderlich. Von Kämpfen auf dem Gipfel wurde nicht berichtet; gegen 14 Uhr traten die Soldaten den Abstieg an und mussten sich anschließend wieder den fortdauernden harten Kämpfen stellen. Es gab also zwei Flaggenhissungen - die erste wurde vor Ort bejubelt, doch nur die zweite wurde berühmt. Rosenthals Filmspule wurde nach Guam geflogen, eines der entwickelten Bilder von der Zensur ausgewählt und per Fernschreiber in die Heimat übertragen. Dieses Foto gelangte sogleich an die Presse, und bereits am 25. Februar erschien es in den Sonntagszeitungen der USA - von der New York Times bis zur Los Angeles Times und in einer Vielzahl weiterer Medien.

Eine Ikone war geboren. Die Gesichter der sechs Soldaten auf dem Foto sind nicht zu erkennen, sogar ihre Zahl und Identität ließ sich erst später feststellen. In einer dynamischen Bewegung nach rechts vorwärts oder auch nach oben bündeln sie ihre Energie auf eine Stange, die beflaggt in die Erde gerammt wird. Der rechte der Soldaten hält diesen Fahnenmast zwischen seinen Schenkeln und konzentriert sich auf die Bodenarbeit, während zugleich mehrere andere Soldaten auf der Linken den Fahnenmast aufzurichten trachten. Einer von ihnen greift gar in die Luft; das Flaggenende der Stange - es war ein zufällig gefundenes Wasserrohr der Japaner - war schon weiter aufgerichtet worden.

Das Bild hält eine Geste des Sieges, der Bemächtigung fest, als die das Hissen der Flagge gemeinhin galt und die auch im Zweiten Weltkrieg immer wieder praktiziert wurde. Es war nicht die aufrecht stehende Fahne mit den sie umringenden Soldaten, sondern der vorausgehende Akt, die Arbeit am Sieg gleichsam, die dem Foto seinen einzigartigen Charakter verlieh. Unterstrichen wird die nach rechts aufwärts gerichtete Dynamik der Soldaten durch die gegenläufige diagonale Ausrichtung des Fahnenmastes, der links oben die Fahne trägt und rechts unten in einen aufgewühlten, von Holzteilen und anderen undefinierbaren Gegenständen bedeckten Boden gerammt wird. Diese Bewegung wird durch die im Winde wehende Fahne gesteigert, die die Sterne und Streifen dennoch gut erkennen lässt. Das veröffentlichte Foto war in der Waagerechten stark beschnitten, aus dem Querformat wurde ein Hochformat. Daher blieb der obere Teil des Bildes gleichsam leer, in Erwartung, mit der Dynamik des Aufstiegs gefüllt zu werden, eine in der abendländischen Tradition sakral gefärbte Pose.

Mit der Zeitungsveröffentlichung verselbstständigte sich das Bild. Das Life Magazine befand, es sei an der Heimatfront im psychologisch richtigen Moment angekommen und symbolisiere "die emotionale Antwort der Nation auf die großen Kriegstaten". Die Nachrichten von den hohen Verlusten auf Iwo Jima hatten seit den ersten Tagen der Landung Kritik in der Heimat hervorgerufen. Der Zeitungsmagnat Randolph Hearst forderte noch am 27. Februar im San Francisco Examiner, dass das Schlachten aufhören müsse. Ein Kongressabgeordneter aus Florida, Joe Hendricks, verkündete dagegen am 1. März im Repräsentantenhaus, die Soldaten würden gleichsam ihre Brüste gegenüber dem Feind entblößen, so dass das Bild symbolisch sei "für die nationalen Mühen, den verdammungswürdigen Feind, Japan, zu vernichten". Die Deutung wendete sich somit zum Wunschbild des Sieges, der zu diesem Zeitpunkt weder auf Iwo Jima selbst noch im Pazifikkrieg errungen war. Das Vorwärtsdrängen der die Fahne hissenden Soldaten wurde zum Ansporn im Gesamtkrieg, zum Propagandamaterial ersten Ranges, das für weitere Verwendungen und Deutungen plastisch geformt und transformiert werden konnte.

Das Bild selbst gelangte über Zusendungen von Zeitungsausschnitten an die kämpfende Truppe zurück auf die Insel und an die Front, vor allem als Titelblatt der Soldatenzeitung Stars and Stripes. Auf Iwo Jima machte sich ein Marineinfanterist daran, das Bild in die weichen Felsen der Berges einzumeißeln - das Foto holte die Kämpfe ein. Dies galt besonders für Okinawa, die letzte heiß umkämpfte Insel vor dem japanischen Festland, wo US-Marines am 21. Juni 1945 den Sieg feierten und dabei bereits den Akt des Flaggehissens im Stil von Rosenthals Bild nachstellten. Im Medium Foto verdichtete sich der Krieg, aber schon der Krieg selbst wurde diesem medialen Ereignis gemäß kanalisiert und inszeniert.

In den USA geriet das Iwo-Jima-Foto bereits im April 1945 in den Mittelpunkt von Festbanketten. Bob Wills und die Texas Playboys, eine populäre Swing-Band, kreierten den sentimentalen Song Stars and Stripes on Iwo Jima; er wurde ein außergewöhnlicher Hit. Der oben genannte Kongressabgeordnete Hendricks brachte zugleich den Antrag ein, aus dem Bild ein offizielles Denkmal zu machen. Unabhängig davon nahm sich ein als einfacher Matrose in Marinediensten stehender Bildhauer aus Österreich namens Felix de Weldon der Aufgabe an, in privater Nachtarbeit eine erste Gipsstatue des Fotos zu modellieren. Präsident Franklin D. Roosevelt befand, die abgebildeten Helden sollten sogleich ausfindig gemacht und ins Weiße Haus gebracht werden. Der 31-jährige Fotograf Rosenthal rückte gleichermaßen ins Rampenlicht - sein Bild wurde als Kunstwerk mit Leonardo da Vincis Abendmahl verglichen.

An mehreren Stellen tauchten spontan Vorschläge für eine Münze, eine Briefmarke oder ein Denkmal auf. De Weldon fertigte im dienstlichen Auftrag wenige Wochen später eine vergrößerte Iwo-Jima-Plastik aus Gips an. Sie war etwa einen Meter hoch und wurde angemalt am 4. Juni in Anwesenheit des Fotografen Rosenthal und de Weldons dem neuen Präsidenten Harry S. Truman präsentiert (Roosevelt war am 12. April gestorben). Damit hatte sich die Medienspirale eine Umdrehung weiter bewegt: Es gab nun ein Foto (und einen Film) von einer Plastik, die wiederum mit dem Präsidenten öffentlich fotografiert wurde.

Bereits am 10. März 1945 hatte Senator Joseph O´Mahoney in einem Offenen Brief den Postmaster General zur Ausgabe einer Iwo-Jima-Briefmarke aufgefordert, während gleichzeitig in Kalifornien das dortige Abgeordnetenhaus für eine solche öffentliche Verbreitung eintrat. Dies stieß jedoch auch auf Widerstand. Die US-Flagge, die Old Glory, war zwar im Krieg vom Präsidenten zur privaten Beflaggung in würdiger Form freigegeben worden, aber eine Briefmarke war doch etwas anderes. Das National Flag Code Committee hielt es für nicht vertretbar, dass ein solches Symbol rückseitig beleckt und durch Entwerter-Maschinen gejagt würde. Es gab auch Bedenken, lebende Personen auf einer Briefmarke abzubilden - am Ende setzten sich die Befürworter jedoch durch, und die Briefmarke erschien am 7. Juli. Eigentlich hätte eine 3-Cent-Marke purpurn sein müssen, doch man einigte sich auf marinegrün. Bis 1948 wurden insgesamt 137 Millionen Exemplare der Briefmarke verkauft - so viele waren noch nie zuvor von einem Motiv gedruckt worden.

Kurz nach der Briefmarken-Initiative und inspiriert durch das Zeitungsfoto war Präsident Roosevelt auch die Idee gekommen, man könne das Motiv als Werbung für die siebte und voraussichtlich letzte Kriegsanleihe (War Bond) verwenden. Bereits am 24. März diskutierte Finanzminister Henry J. Morgenthau mit einem Admiral über den Wunsch des Präsidenten. Ein anderer General gab zwar zu bedenken, ob man der Plakatierung nicht eher tatsächliche Heldentaten als das verfrühte Hissen der Siegesfahne zugrunde legen sollte, hatte damit aber keinen Erfolg. Am 20. April - das Zusammenfallen mit Hitlers Geburtstag war Zufall - wurde das nach dem Foto angefertigte farbige Gemälde im Weißen Haus vom neuen Präsidenten und vom Finanzminister in Anwesenheit der überlebenden Helden der Öffentlichkeit präsentiert. Unter der großen Inschrift "7th" stand klein "war loan" und daneben die Schlagzeile "Now all together". Das Gemälde, nun unterlegt mit dramatischen Wolken und einer US-Flagge in Farbe, führte die Ikonographie des Originals erneut weiter. Sie richtete sich allerdings an eine andere Adressatengruppe: Das Heldenfoto symbolisierte nun den Einsatzwillen der ganzen Nation, die mit ihrer Spendenbereitschaft die Flagge hisste.

Der alliierte Sieg im europäischen Krieg stand in diesen Tagen unmittelbar bevor; am 7. und 9. Mai erfolgte die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Die Helden von Iwo Jima durften am 9. Mai auf Capitol Hill die aus Iwo Jima herbeigeholte originale Flagge hissen. Die Politiker und Militärs sorgten sich weiter, dass der Krieg in Ostasien noch bis ins kommende Jahr andauern und mit vielen Verlusten verbunden sein könne. Was bot sich also besser an, als das Siegesfoto von der mühsam eroberten Insel zum Symbol nicht nur des gerade in Europa errungenen, sondern auch des künftigen Sieges über Japan zu erheben? Die Kriegsfinanzierung über Steuern oder Anleihen hatte den ganzen Krieg über bestanden und war zugunsten der an die individuelle Verantwortung appellierende Anleihe entschieden worden. Nun wurde die Bevölkerung zum letzten Mal auf diese Weise mobilisiert.

Ab dem 14. Mai 1945, eine Woche nach Victory in Europe Day, wurden insgesamt dreieinhalb Millionen Plakate gedruckt und in 16.000 Filmtheatern, 20.000 Fabriken, an 30.000 Eisenbahnstationen und vielen anderen Orten aufgehängt. Eine kleinere Version gelangte in Busse und andere öffentliche Verkehrsmittel. Mittlerweile war das Bild auch so bekannt, dass einzelne Elemente - Soldaten, die einzurammende Flagge - für sich stehen konnten; gelegentlich wurde sogar ein drohender gegnerischer Krieger in einer Ecke hinzugefügt. Noch nie zuvor wurde ein Bild mit so großer Auflage so schnell an so viele verschiedene Orte gebracht. Der öffentliche Raum in den USA wurde von der Ikone flächendeckend durchdrungen.

Bei der Bond Tour durch die USA fanden Shows aller Art statt. Bing Crosbys Song Buy, buy, war bonds spielte mit dem Gleichklang von Kaufen und Abschied (bye-bye), und die drei identifizierten "Helden" von Iwo Jima wurden als Gäste solcher Shows überall gern gesehen. Auf dem Times Square in New York hatten sie am 11. Mai 1945 ein überlebensgroßes Gips-Replikat des Fotos vor einer begeisterten Menschenmenge enthüllt - kein Zweifel, das waren amerikanische Helden. In Chicago traten sie mit Humphrey Bogart und Lauren Bacall auf; Hollywood und die Foto-Helden hatten keine Schwierigkeiten miteinander. Die Repräsentanten des realen Krieges und der Fiktion waren gleichermaßen Teil der Unterhaltungsindustrie.

Am 4. Juli, dem Nationalfeiertag der USA, erreichte die Aktion um die siebte Kriegsanleihe ihren Höhepunkt: Mit einem Riesenfeuerwerk wurde auf der Mall in Washington gefeiert. 350.000 Besucher besuchten das einstündige Spektakel um das Washington Monument, bei dem der Nachthimmel mit den Umrissen der US-Flagge, dem Gesicht Präsident Trumans und der Szene des Flaggehissens auf Iwo Jima illuminiert wurde. Die Anleihe erwies sich als Erfolg. Auch ein Flugzeugträger mit Namen Iwo Jima wurde noch während des europäischen Krieges in Auftrag gegeben, angesichts des Sieges im Pazifikkrieg aber wieder abbestellt. Die befürchtete verlustreiche Invasion der japanischen Hauptinseln mit Hunderttausenden von Soldaten, für die die Kriegsanleihe vor allem benötigt worden wäre, blieb den Amerikanern erspart; die Atombomben von Hiroshima und Nagasaki zwangen das weitgehend geschlagene Japan zur Kapitulation.


In den ersten Nachkriegsjahren versuchte das US Marine Corps nachdrücklich mit seinen Leistungen im Krieg auch seine Unabhängigkeit als gleichsam vierte Teilstreitkraft - neben Armee, Luftwaffe und Marine (Navy) - zu unterstreichen. Deutlichster Ausdruck war der mit seiner materiellen Unterstützung produzierte Spielfilm The Sands of Iwo Jima von 1949. Es ging in diesem Film zwar auch um Männerrollen, um Väter und Söhne, doch vor allem verkörperte der bisherige Westernheld John Wayne nun auch amerikanische Siegestugenden und harten Militärdrill. Die Flaggenhissung stand am Ende dieses Films, der für längere Zeit der letzte war, in dem es um den Zweiten Weltkrieg, nicht um die Kämpfe des Kalten Krieges ging.

Doch das offizielle Washington blieb reserviert gegenüber den Versuchen des Marine Corps, seine Leistungen gezielt öffentlich herauszustellen. Der ehemalige Kriegsheld und erste NATO-Oberbefehlshaber, General Dwight D. Eisenhower, wurde im November 1952 zum neuen US-Präsidenten gewählt. Er besuchte noch kurz vor seinem Amtsantritt den koreanischen Kriegsschauplatz. Dabei machte er am 5./6. Dezember Zwischenstation auf Iwo Jima und besichtigte auf der noch amerikanischen Insel den Gedenkstein, der mittlerweile auf dem Gipfel errichtet worden war. Damit setzte Eisenhower den Krieg in Korea deutlich in die Nachfolge des Pazifikkrieges, billigte aber nicht die Bestrebungen des Marine Corps für ein eigenes Monument.

Diese wiederum hatten eine lange Vorgeschichte. Bereits im Februar 1946 war de Weldons Gipsmodell für die Kriegsanleihe in Washington auf der Constitution Avenue aufgestellt worden. Dieses hielt der Witterung jedoch nicht lange stand und war auch mutwilligen Zerstörungen ausgesetzt. So musste das ephemere Denkmal 1948 dem Gebäude der Pan American Union weichen.

Die Marines ließen nicht locker, doch die Commission of Fine Arts in Washington lehnte die neuen Pläne 1948 heftig ab. Vorgeschlagen war ein Memorial Walk um ein großes Iwo-Jima-Denkmal herum, das ferner ein unterirdisches Museum des Marine Corps enthalten sollte. Zu aufwändig und zu naturalistisch, meinte die Kommission. De Weldon blieb seinem Thema dennoch treu und fertigte für andere Auftraggeber diverse Iwo-Jima-Statuen an. Der Plan eines ganz großen Memorials war während des laufenden Krieges in Korea jedoch nicht gut umzusetzen. Die Denkmalkommission für Washington D.C. lehnte auf stadteigenem Grund ein solches Memorial ab. Mittlerweile hatte die Marine Corps Foundation westlich von Arlington - unmittelbar an den nationalen Soldatenfriedhof angrenzend - aber bereits ein repräsentatives Grundstück erworben. Von dort aus konnte man über den Potomac River hinweg das monumentale Lincoln Memorial, das Washington Monument und dahinter auch das Capitol sehen. Den größten Teil der benötigten Bausumme - 850.000 Dollar - hatte die Marine Corps Foundation auch schon gesammelt. De Weldon hatte über die Jahre ein riesiges Gipsmodell geformt, das in 140 handhabbare Gussformen zerteilt wurde. Diese wurden in Brooklyn gegossen, per Bahn nach Washington gebracht und vor Ort zusammengeschweißt. Jede Figur maß zehn Meter in der Höhe; der 18 Meter lange Fahnenmast brachte die Gesamthöhe des Monuments auf 24 Meter. Am 10. November 1954, dem 179. Jahrestag des Marine Corps, erfolgte die Einweihung. Die dynamischen Soldatenfiguren und die im Wind wehende farbige Stofffahne ergänzen sich.

"Uncommon Valor Was A Common Virtue" hatte Admiral Chester W. Nimitz in einem Communiqué am 16. März 1945 im Hinblick auf alle amerikanischen Eroberer der Insel erklärt. Nun wurde dieser Sinnspruch zum zentralen Teil der Inschrift auf dem US Marine Corps Memorial. Von einem angegliederten Museum für die Marines war man aus Kostengründen abgekommen. Auf dem Sockel wurden die Namen aller wichtigen Kämpfe eingemeißelt, an denen die Marines seit ihrer Gründung beteiligt waren - dies umfasste den US-Bürgerkrieg 1861-1865 ebenso wie den Boxer-Aufstand von 1900 und ließ sich später in die Gegenwart hinein fortschreiben (Persian Gulf 1988-1991 ist bereits eingraviert, der dritte Irak-Krieg seit 2003 fehlt derzeit noch). Damit wurde Iwo Jima aus dem Kontext des Zweiten Weltkrieges gelöst und in die Tradition einer Teilstreitkraft gestellt.

Die Einweihungszeremonie setzte die schon bekannten Zwiespältigkeiten fort und gab ihnen eine neue Wendung: Zur Zeremonie waren die drei überlebenden ehemaligen Soldaten auf der Ehrentribüne vertreten, ebenso die Familien der später getöteten drei Soldaten. Fotograf Rosenthal war mit Familie aus eigenem Antrieb angereist und wurde ebenfalls bei den herausgehobenen Gästen platziert. Die Soldaten der ersten Flaggenerrichtung auf Iwo Jima waren gleichfalls anwesend, erhielten bei der Eröffnungsfeier aber keinen besonderen Rang.

Die Feier unterstrich die Ambivalenz des Monuments: Wurde die Flaggen-Szene nun zum alleinigen Symbol des US Marine Corps oder blieb sie weiter eine nationale Angelegenheit? Vizepräsident Nixon sprach als Hauptredner von einem Symbol für den amerikanischen Sieg im Zweiten Weltkrieg, der sich in den harten Kämpfen im Westpazifik ausdrücke - die bescheidenen Veteranen am Sockel und die überlebensgroßen Helden des Monuments gewannen für Nixon einen allgemeinen Sinn.

Anders verhielt sich Präsident Eisenhower: Seine Berater hatten ihm empfohlen, an dieser aufgeblähten Inszenierung von Rosenthals Foto nicht teilzunehmen; die anderen Kämpfer seien genau so viel wert gewesen wie die nunmehr ausgezeichneten Helden. So erschien der Präsident bei der Einweihung verspätet, wartete kurz das Hissen der Flagge ab und verschwand kommentarlos wieder. Diese Schroffheit bewegte sich am Rande einer protokollarischen Unhöflichkeit. Dem Nachruhm als Touristenattraktion schadete die fortdauernde Spannung unterschiedlicher Sinnkontexte nicht: Die Nationalpark-Verwaltung gibt etwa für 2003 geschätzte sechs Millionen Besucher an.

Iwo-Jima-Denkmäler kleineren Ausmaßes gibt es an vielen Orten der USA, größere zumindest in Texas, Connecticut und Florida. Auf Hawaii ist ein Nachguss eines 1995 errichteten Memorials aus Newington, Connecticut mit "nur" etwa drei Meter großen Helden unter Palmen an der Basis des Marine Corps aufgestellt. Es wurde am 11. September 2002 eingeweiht, dem Jahrestag der Anschläge von New York und Washington. Reliefs und andere kleinere Darstellungen des Flaggehissens sind zu verbreitet, um offiziell gezählt zu werden. Überall, wo das Marine Corps Einrichtungen besitzt, kann man mit großer Wahrscheinlichkeit auch das Rosenthal-Foto in irgendeiner Form materialisiert sehen.


Der Vietnamkrieg Mitte der sechziger Jahre entwickelte sich dann zu einem schmutzigen Krieg, zum unerklärten Krieg, der kommunistische Herrschaft in dieser Weltregion verhindern, ja brechen sollte, was aber trotz aller Bemühungen erfolglos blieb. Das war erneut die Stunde John Waynes. Er nahm sich der Verfilmung einer Sammlung von short stories aus dem Jahre 1965 an, The Green Berets, mit denen Robin Moore einen Kassenschlager über die Tätigkeit dieser Spezialeinheit erzielt hatte. Wayne, der politisch vom Sinn und von der Gewinnbarkeit des Krieges in Südostasien überzeugt war, wählte eine der Stories als Vorlage zu seinem gleichnamigen Film von 1968. Darin spielt er selbst Colonel Kirby, der in seiner Gesetzlosigkeit und Rücksichtslosigkeit den patriotischen Radikalismus der Elitetruppe vorführt. Es war der einzige bedeutende Film über den Vietnamkrieg, der noch während dieses Krieges in die Kinos kam. Der Held aus Sands of Iwo Jima verkörperte nun die Kontinuität von Siegeshoffnungen in schwerem Kampf.

Als nationales Trauma brachte der 1975 beendete Vietnamkrieg jedoch auch andere und neue Bedürfnisse nach kollektiver trauernder Erinnerung hervor, die mit den etablierten Memorialformen nicht zu decken waren. 1979 fand sich eine Gruppe von Veteranen zur Errichtung eines Fonds für ein Mahnmal zusammen. Überraschend wählte die Jury 1981 den Entwurf der Studentin Maya Ying Lin zur Umsetzung aus. Errichtet wurde eine in stumpfem Winkel geknickte Wand aus poliertem schwarzem Stein, 80 Meter lang, in welche die Namen aller der mehr als 58.000 getöteten US-Soldaten in langen Spalten eingraviert sind (die noch weitaus zahlreicheren Namen der getöteten Vietnamesen bleiben ungenannt). Die Mauer selbst ist unter das Bodenniveau abgesenkt, so dass der Besucher in einem sanften Abhang an ihr vorbeigeht, sich selbst in den Namenslisten spiegelnd. Dieses abstrakte und zum Nachdenken anregende Memorial wurde zwei Jahre nach der Einweihung, am Veterans Day 1982, durch eine von Frederic Hart, einem Schüler de Weldons, gestaltete Gruppe dreier Bronzesoldaten ergänzt.

Diese stehen in einiger Entfernung, aber mit Blickkontakt zum Memorial, an dem sie gleichsam seitlich vorbeischreiten. Sie treten in Kriegsausrüstung auf und sind den Gesichtszügen nach als Weißer, Afroamerikaner und Lateinamerikaner zu erkennen, spiegeln also die ethnische Vielfalt der Kämpfer wider. In ihrer Hinzufügung drückt sich das Bedürfnis aus, ganz konkrete Menschen vor sich zu haben. Ihr Gesichtsausdruck entbehrt jedoch aller heldischen Dynamik, und die Figuren bleiben auch anonym. Nach der Einweihung dieser "Fighting Men" fiel bald auf, dass auch amerikanische Frauen im Vietnamkrieg umgekommen waren. Ein Vietnam Women´s Memorial von Glenna Goodacre folgte 1992 in einigem Abstand von der Wand, aber auch von den männlichen Kämpfern. Eine Sanitätssoldatin hält einen verwundeten Kämpfer, so dass die Skulptur wie eine christliche Pietà wirkt.

Nur drei Jahre später, 1995, erhielt auch der von 1950 bis 1953 ausgefochtene Koreakrieg eine Würdigung auf der National Mall. Das Motiv der steinernen Wand wurde ein wenig abgewandelt: In diesem Fall wurde eine gerade Wand aus schwarzem glänzendem Stein errichtet. In sie sind unterschiedliche Menschengestalten und Porträts eingraviert, bei deren Anblick sich der Betrachter spiegelt. Vor dieser Wand eröffnet sich ein ebenes Feld, auf dem Soldatenfiguren aus Bronze feldmäßig voranzumarschieren scheinen, in offener Ordnung, nach allen Seiten spähend, sichernd gleichsam, aber mit einheitlich nachdenklichem Gesichtsausdruck. Hier sind also wiederum konkrete, wenn auch anonyme Krieger der nur Namen tragenden, abstrakten Grabplatten hinzugesetzt. Das Iwo Jima Memorial blieb gestalterischer Referenzpunkt, selbst wenn die Kämpfer bescheidener dimensioniert und nicht auf einen Sockel gehoben wurden.

In dieser Springprozession des Kriegsgedenkens gelangte auch der Zweite Weltkrieg in die Diskussion. Dies hatte mit dem allmählichen Versterben der Veteranengeneration zu tun, aber ebenso mit der Erinnerung der Generation der Söhne. Was 1994 zum 50. Jahrestag der alliierten Landung in der Normandie begann, setzte sich in der breiten Rezeption etwa der Lebensschilderungen von Tom Brokaw fort. Die erste staatliche Initiative für ein Denkmal des Zweiten Weltkriegs gab es schon 1987, und im Mai 1993 unterzeichnete Präsident Bill Clinton ein Gesetz zur Errichtung eines solchen Memorials. Nach erbitterten Auseinandersetzungen wurde 2001 mit dem Bau des Entwurfs von Friedrich St. Florian begonnen. Auf die Frage, ob es nicht schon mit der Iwo-Jima-Gruppe in Arlington eine angemessene Erinnerung an diesen Krieg gebe, hatten Veteranen geantwortet, das sei nur ein Memorial des US Marine Corps - die Nation bedürfe eines anderen Denkmals. Die sektorale Inanspruchnahme durch die Marines hatte die frühere nationale Bedeutung weitgehend verdrängt.

Das neue Memorial wurde an der Mall errichtet und im Mai 2004 eingeweiht. Es liegt direkt neben dem Washington Monument, in Sichtweite zum Lincoln Memorial und nimmt den dort schon vorhandenen Regenbogen-Brunnen in die Mitte. Um die Blickachse der beiden anderen Denkmäler nicht zu verstellen, wurde das neue Bauwerk abgesenkt. Es wird von 56 Granitsäulen umgeben und würdigt die Siege zu Land, zu Wasser und in der Luft. Dabei stehen sich zwei Pavillons gegenüber, an deren Innenseiten die wesentlichen Schlachten und Siege aus dem Atlantischen bzw. Pazifischen Krieg festgehalten sind. Auch Iwo Jima ist dabei, aber als eine Nennung unter anderen. Bronzeadler, -säulen und -kränze gehören ebenso zum Ensemble wie eine mit 4.000 Goldsternen - sie stehen für die Kriegstoten - besetzte Freedom Wall. Im Namen des letzten großen, die Nation einenden Sieges ruft das neue Memorial zu nationaler Geschlossenheit auf.

Mittlerweile ist auch die Geschichte nach 1945 zum Ausgangspunkt einer neuen Denkmalinitiative geworden. Der Krieg, der doch nur der "Kalte Krieg" blieb, soll ein öffentliches Gedenken erhalten. Eine Victims of Communism Memorial Foundation erhielt im Oktober 2005 von der National Capital Planning Commission die Zustimmung für ein solches Denkmal. Es soll nicht direkt an der Mall errichtet werden, sondern an der großen repräsentativen Straße der Botschaften und Stiftungen, der Massachusetts Avenue. Die durch Spenden schon weitgehend gesicherte Statue soll eine Bronze der Goddess of Democracy darstellen, welche chinesische Studenten 1989 auf dem Tiananmen-Platz in Peking kurzzeitig errichtet hatten. Damit wird der Kalte Krieg im Sinne aktueller Operationen gegen den weltweiten Terrorismus auf einen symbolischen Kern reduziert, den Kampf um Freiheit gegenüber kommunistischer Unterdrückung.


Am 11. September 2001 veränderte der Terroranschlag auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington die USA und die Wahrnehmung der Welt insgesamt. In New York kamen Hunderte von Feuerwehrleuten um; sie wurden die ersten Helden des Fight against Terror. Als Zeichen des Überlebenswillens zogen einige an Ground Zero tätige Feuerwehrmänner auf den noch rauchenden Trümmern die US-Flagge hoch - ein bewusster symbolischer Akt. Ein Foto von Thomas E. Franklin hielt das Ereignis in einem Schnappschuss fest, der am folgenden Tag in der kleinen Zeitung The Record erstmals erschien.

Eine Woche später, am 18. September 2001, zierte das Foto den Titel von Newsweek - mit einem darüber gelegten Inschrift-Balken: "God Bless America". Im Bildhintergrund, weiß und konturiert deutlich zu erkennen, türmen sich Trümmerberge des World Trade Center. Die öffentliche Assoziation war sofort deutlich: Iwo Jima in neuem Gewand. Die britische Zeitung Sun stellte diese Deutung wenig später auf ihr Titelbild: groß die Firefighter, klein eingerückt die Flaggenhissung von Iwo Jima.

Wie schon 1945 musste eine Briefmarke her, welche den Helden millionenfache Verbreitung gab. Sie wurde von Juni 2002 bis Ende 2004 insgesamt 132,9-millionenmal verkauft. Der Kongress gab für diese Briefmarke mit erhöhtem Verkaufspreis seine Sondergenehmigung, und der Zuschlagerlös ging an die Federal Emergency Management Agency (FEMA), die auf diese Weise 10,5 Millionen Dollar an Hinterbliebene verteilen konnte. Der Entwurf zu dieser Briefmarke wurde von Präsident Bush und den nun ausfindig gemachten Firefighters im März 2002 im Weißen Haus in ähnlicher Form vorgestellt, wie Truman es mit dem War Bond-Gemälde 1945 getan hatte.

Auch von Franklins Foto sollte es möglichst schnell ein Denkmal geben. Schon am 21. Dezember 2001 wurde ein sechs Meter hohes Modell aus Ton der Öffentlichkeit präsentiert. Der Stadtentwickler Bruce Ratner hatte es als Sponsor in Auftrag gegeben. Die Statue sollte vor dem Feuerwehrgebäude in Brooklyn aufgestellt werden, aus dem die meisten der 343 Opfer unter den Feuerwehrmännern stammten. Auch die Spitze des New York Fire Department war zunächst einverstanden. Aber das Modell stellte nicht die drei namentlich bekannten Firefighter da, sondern in politischer Korrektheit nach den Gesichtszügen einen Weißen, einen Farbigen und einen Lateinamerikaner, pflegte also bewusst die ethnic diversity.

Ein Sturm der Entrüstung war die Folge: Das waren nicht die ursprünglichen Helden. Insbesondere die New Yorker Feuerwehrmänner, überwiegend mit irisch-ethnischem Hintergrund, sahen darin eine Geschichtsfälschung. Teile der US-Öffentlichkeit schlossen sich an: Eine Online-Petition erreichte schnell an die 400.000 Unterschriften zugunsten der künstlerischen Darstellung der originalen drei Firefighter. Der geplante Bronzeguss hatte so keine Chance mehr. Ratner, ein Freund von Präsident Clinton, gab auf; es blieb beim Modell.

Beim Marine Corps Memorial hatten originale Soldaten Modell gestanden, beim Vietnam-Denkmal konnte die ethnische Diversität durch anonyme Figuren hergestellt werden. Auf dem Foto von Ground Zero waren aber auch individuelle Personen zu sehen - diese konnten nun nicht im Zeichen der ethnic diversity wieder anonymisiert werden.

Ein Jahr später fand sich eine Nachbildung des Fotos im Wachsfigurenkabinett von Madame Tussaud in New York. Fotograf Franklin war in eine ähnliche Rolle geraten wie Joe Rosenthal zwei Generationen zuvor. Im Falle des Feuerwehrmänner-Fotos gab es Schwierigkeiten mit dem Urheberrecht. The Record beanspruchte die Rechte und gründete von den eingehenden Lizenzgebühren den North Jersey Media Group Disaster Relief Fund. Die Flagge selbst blieb bis Anfang Oktober 2001 an Ground Zero gehisst und wurde dann in einer Zeremonie dem Schiff USS Theodore Roosevelt im Nahen Osten übergeben. Sie wurde dort feierlich am höchsten Mast gehisst und anschließend auf die Reise geschickt; sie soll den US-Einsatz in Afghanistan begleitet haben. Als sie später nach New York zurückkehrte, fiel auf, dass das Format dieser Flagge nicht mit der Originalen übereinstimmte. Die ursprüngliche Fahne war vier mal sechs Feet groß gewesen, die neue maß fünf mal acht Feet - irgendwie war das Original abhanden gekommen (auch dies erinnert an Iwo Jima 1945).

Doch diesmal ging die mediale Neuinszenierung weiter. Kurz vor dem ersten Jahrestag von "9/11", am 2. September 2002, erschien ein neues Foto von Thomas E. Franklin auf den Titelblättern von Newsweek und The Record: Diesmal hatte er die originalen Feuerwehrleute im Battery Park in New York inszeniert, unter freiem Himmel und mit Blick auf die Freiheitsstaue - als Zeichen für die Unbeugsamkeit des Landes, wie die beiden Magazine schrieben. Der "Krieg gegen den Terror" fand in dem Flaggehissen an Ground Zero seine erste symbolische Verkörperung. Um den Terroristen medial Paroli zu bieten, wurde ihnen das Symbol eines Sieges entgegengehalten, der erst noch zu erringen war. Dies entsprach recht genau der Situation des Iwo-Jima-Fotos von 1945.

Dr. Jost Dülffer ist Professor für Neuere Geschichte am Historischen Seminar der Universität zu Köln.


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