Israelkritik zum Wohle der Welt

Jerusalemer Erklärung Antisemitismus neu definiert

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Die International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), zu Deutsch Internationale Allianz zum Holocaustgedenken besteht seit 1998. Die Vereinigung hat sich zum Ziel gesetzt, Forschung, Aufklärung und Lehre zur Shoa international zu unterstützen.

2016 wurde auf der Vollversammlung der 31 Mitgliedsstaaten über die Begriffsbestimmung des Antisemitismus beraten und schließlich eine Arbeitsdefinition des Antisemitismus beschlossen.

Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.

International Holocaust Remembrance Alliance

Es folgen in weiteren Abschnitten zahlreiche Beispiele für diesen Leitsatz.

So verstehe man unter Antisemitismus beispielsweise

Das Aberkennen des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung, z.B. durch die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen.

oder

Die Anwendung doppelter Standards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das von keinem anderen demokratischen Staat erwartet oder gefordert wird.

Ab 2017 haben Länder wie beispielsweise Großbritannien, Rumänien und Österreich die Definition übernommen, es folgte Deutschland mit einer erweiterten Definition.

Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.

Lockdown

Ende März 2021. Noch immer sind große Teile der westlichen Welt im Corona-Hausarrest, der Unmut steigt. Was liegt da näher, als sich eine Beschäftigung zu suchen, die einem ermöglicht, ein bisschen Dampf abzulassen.

So haben sich 200 internationale WissenschaftlerInnen darangemacht, die Arbeitsdefinition der IHRA zu “verbessern“, nämlich eine alternative Arbeitsdefinition zu entwerfen, die auch IsraelkritikerInnen und BDS-AnhängerInnen zufrieden stellen soll, die die Definition der IHRA in Bezug auf das Recht von Jüdinnen und Juden auf Sicherheit immer irgendwie störte. Ausdifferenzierung sei wichtig, erklärt dazu einer der 200 WissenschaftlerInnen, Michael Brumlik, dem Deutschlandfunk am 26. März. Es heißt, Brumlik korrigierte in den 1980er Jahren nach einer Psychoanalyse seine kritische Haltung zu Israel und dem Zionismus. Er wird also evtl. wissen, wie anspruchsvoll IsraelkritikerInnen und BDS-AnhängerInnen sind, wenn es um die Befriedigung ihrer Obsession geht.

Neuer Versuch

Zur Erinnerung: Die Initiative GG 5.3 Weltoffenheit – Gegreine von ein paar im Kulturbetrieb tätigen subventionierten Empörten darüber, dass BDS-Getreuen die öffentliche Unterstützung entzogen wurde und sie ihre Veranstaltungen doch bitte aus eigenen Mitteln oder Spende finanzieren sollenerregte vor ein paar Monaten nicht die Aufmerksamkeit, die die InitiatorInnen sich vermutlich gewünscht hatten, weshalb das Lamento erneut ansetzte, dieses Mal, weil außer reichlich Hohn und Spott im Internet nichts bewegt wurde.

Die Nächsten wollen jetzt auf Nummer sicher gehen, lassen den Kulturbetrieb außen vor, natürlich auch Herrn Müller und Frau Meier, selbst wenn die beiden sich alle Mühe geben, so von den Juden zu denken und zu reden, wie bislang gefordert. Man setzt auf Wissenschaft und zwar die von Michael Brumlik, Eva Illouz, David Shulman, Michael Stolleis, Moshe Zimmermann oder Moshe Zuckermann usw. Auch Stefanie Schüler-Springorum vom Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung darf nicht fehlen. Das Gesamtergebnis, die Jerusalemer Erklärung findet jede/r selbst im Netz.

Dass jüdische WissenschaftlerInnen daran beteiligt sind beweist einmal mehr, dass nicht alle Jüdinnen und Juden aus der Geschichte ihre Lehre gezogen haben, nämlich die, dass ein sich Anwanzen an AntisemitInnen nicht zwangsläufig lebensrettend sein muss, wenn es hart auf hart kommt.

Dass die weltweite Passion, sich pausenlos mit Jüdinnen und Juden zu befassen auch unter Jüdinnen und Juden verbreitet ist dürfte ebenfalls nichts neues sein. Nicht geklärt ist hingegen bis heute, warum so viele in Amerika oder Deutschland lebende Jüdinnen und Juden, die sich vom Schreibtischstuhl aus wie besessen mit der Politik Israels befassen, so selten auf die Idee kommen, nach Israel umzusiedeln, um dort aktiv in die Politik einzusteigen und die unterdrückte Bevölkerung zu retten, deren Wohlergehen ihnen, Lippenbekenntnissen zufolge, wichtiger zu sein scheint als das Wohlergehen marginalisierter Gruppen im eigenen Land.

Eine Kostprobe aus der Jerusalemer Erklärung liefert dazu ebenfalls keine Erkenntnis.

In Leitlinien Punkt 13 beispielsweise heißt es, dass u.a. erlaubt sein soll:

"Faktenbasierte Kritik an Israel als Staat. Dazu gehören seine Institutionen und Gründungsprinzipien(!), seine Politik und Praktiken im In- und Ausland(!), wie beispielsweise das Verhalten Israels im Westjordanland und im Gazastreifen(!), die Rolle, die Israel in der Region spielt, und jede andere Art und Weise, in der es als Staat Vorgänge in der Welt (!) beeinflusst(!)...usw...usf"

So beschlossen und geschrieben just nachdem man sich in Punkt 2 der Leitlinien hierzu durchgerungen hat:

"Das Spezifikum des klassischen Antisemitismus ist die Vorstellung, Jüd:innen seien mit den Mächten des Bösen verbunden. Dies steht im Zentrum vieler antijüdischer Fantasien, wie etwa der Vorstellung einer jüdischen Verschwörung, in der „die Juden“ eine geheime Macht besäßen, die sie nutzen, um ihre eigene kollektive Agenda auf Kosten anderer Menschen durchzusetzen..." Usw. usf, frei nach dem Motto: was interessiert mich mein Geschwätz von... wann auch immer.

Und natürlich darf in der Erklärung selbst nicht der Hinweis darauf fehlen, wer einem zur Seite steht, nämlich wie bereits erwähnt nicht Frau Müller und Herr Meier aus Sachsen und Hessen oder der deutsche Kulturbetrieb, der für seine Bräsigkeit inzwischen bekannt ist und deshalb für innovative Kooperation nicht taugt, sondern:

"Zu den Unterzeichner:innen zählen internationale Wissenschaftler:innen, die in der Antisemitismusforschung und in verwandten Bereichen arbeiten, darunter Jüdische Studien, Holocaust-, Israel-, Palästina- sowie Nahoststudien. Die Erklärung profitierte auch von der Einbindung von Rechtswissenschaftler:innen..."

Man ahnt, dass dies nicht das letzte Pamphlet dieser Art sein wird, sondern vielmehr zukünftig solche Elaborate proportional zu den Friedensabkommen zwischen Israel und Staaten der arabischen bzw. muslimisch geprägten Welt das Internet überschwemmen werden. Möglicherweise greift Panik um sich bei all diesen AkteurInnen und ChefanklägerInnen, deren vergütetes Machen und Tun auf zahllosen Stellen und Posten bei Organisationen und Initiativen es ist, Jüdinnen, Juden und Israel den Kopf zurecht zu rücken, erklärtermaßen zum Wohle der Welt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Juliane Beer

Schriftstellerin und Aktivistin für ein weltweites Bedingungsloses Grundeinkommen

Juliane Beer

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