Von gestern

Sexismus Donald Trumps Sätze sind der Nachhall einer Zeit, in der man sich als reicher, weißer Mann alles leisten konnte
Ausgabe 41/2016
„Frauen dürfen nicht als Objekte betrachtet werden“
„Frauen dürfen nicht als Objekte betrachtet werden“

Bild: Rick Wilking-Pool/Getty Images

Alles soll nur Umkleidekabinengerede gewesen sein? Das ließen Donald Trump selbst Profi-Athleten nicht durchgehen. Die Umkleidekabinen-Experten, sozusagen. Als Reaktion auf das Video von 2005, das am vergangenen Freitag von der Washington Post veröffentlicht wurde und in dem der republikanische Präsidentschaftskandidat damit prahlte, er könne aufgrund seiner Berühmtheit jeder Frau in den Schritt greifen, twitterte Dahntay Jones, Basketballspieler des NBA-Teams Cleveland Cavaliers: „Zu sagen, dass Trumps Kommentare Umkleidekabinengerede sind, zeigt, dass man diese akzeptabel findet. Das sind sie aber nicht.“

Der Basketball-Profi beschrieb damit eine Grenze, die Trump nicht versteht. Trump stammt aus einer Welt von gestern. Einer Welt, in der alles erlaubt ist, wenn man reich, weiß und männlich ist. Vielen Amerikanerinnen reicht es damit endgültig. Unter dem Hashtag #NotOkay teilen sie im Netz nun ihre eigenen Erlebnisse mit sexualisierter Gewalt. Sie wissen, wie wichtig es ist, null Toleranz bei Sexismus und Männer-Witzeleien über Übergriffe einzufordern. Das erinnert an die #Aufschrei-Debatte – und passiert doch in einem anderen Umfeld.

15 Monate führt Trump seinen kontroversen Wahlkampf bereits. Mit dem Prahlen über sexuelle Übergriffe hat er es nun aber geschafft, auch viele konservative Politiker gegen sich aufzubringen, die nicht gerade die Speerspitze des Kampfs um Frauenrechte darstellen. Selbst republikanische Spitzenpolitiker sahen sich nicht mehr in der Lage, sich hinter ihn zu stellen. „Frauen müssen geehrt und verteidigt und nicht als Objekte betrachtet werden“, sagte Paul Ryan, der erzrepublikanische Sprecher des Repräsentantenhauses. Zwar erklärte er nicht wie etwa das republikanische Schwergewicht John McCain, dass er den Wahlzettel lieber ungültig machen würde, als für Trump zu stimmen. Aber auch Ryan will nicht mehr mit dem Kandidaten seiner Partei auftreten.

Der Vize-Kandidat Mike Pence distanzierte sich verbal ebenfalls vom „Trump-Tape“. Pence ist als Gouverneur von Indiana aber Unterzeichner eines der strengsten Abtreibungsgesetze der USA, und auch nach dem schmutzigen TV-Duell am Sonntag stand er weiter loyal zum republikanischen Kandidaten.

Es ist eine Gratwanderung für die Grand Old Party. Verteidigen die Republikaner Trump weiter, vergraulen sie Millionen Wählerinnen und Wähler. Diejenigen Konservativen nämlich auch, die wie Paul Ryan Frauen als Symbol moralischer Reinheit sehen, das verteidigt werden muss. Doch wenn sie in ihrem jeweiligen Wahlkreis für die Wiederwahl Trump-Unterstützer benötigen, die jeden Spruch gegen Mexikaner und Muslime grölend beklatschen, setzen sie mit zu viel Distanz ihre Karriere aufs Spiel. Denn egal ob Trumps Chancen auf die Präsidentschaft gut stehen oder nicht, der Mann hat dem rechten Flügel zu einem starken Aufschwung verholfen. Und seine Unterstützer werden bleiben.

Für Clintons Kampagne ist das Video ein Glücksfall. Es führt drastisch vor, was jeder schon lang sehen konnte. In diesem Wahlkampf stehen sich gegenüber: die hochgebildete, erfahrene Politikerin und ein laut dröhnender Mann, der mit sexistischen und rassistischen Sprüchen erschreckend viel Erfolg hat. Schärft die von Trump unwillentlich angestoßene Sexismus-Debatte nun wenigstens das Bewusstsein für das Sexismus-Problem? So sicher ist das nicht. Wahrscheinlich kehren in der extrem polarisierten US-Gesellschaft alle wieder in ihre jeweiligen Schützengräben zurück, wenn die erste Aufregung vorbei ist.

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