Alles zur Unzeit

Verkaufsaspekt Die Adventszeit ist dieses Jahr zu kurz fürs Weihnachtsmarktgeschäft - und wurde kurzerhand nach vorn verängert. Doch nicht nur das Kirchenjahr wird marktkonform gemacht
Der Weihnachtsmarktrummel begann dieses Jahr früher als sonst
Der Weihnachtsmarktrummel begann dieses Jahr früher als sonst

Foto: Johannes Eisele/AFP/Getty Images

Pünktlich zu Anfang Advent war der erste Schnee gefallen. Es wurde winterlich, und jetzt passten auch die Weihnachtsmärkte überall in den Städten ins Bild. Vielerorts hatten sie allerdings schon eine Woche zuvor ihre Buden geöffnet. Und ihr Personal hatte eine Woche in Regen und Schlamm gestanden. Schuld daran waren die Chefs. Weil die Adventszeit 2012 nur drei Wochen umfasst, hatten etliche von ihnen eine Verlängerung nach vorn durchgesetzt, auch noch vor den Totensonntag. Die Kommunalpolitiker hatten es – gern? – aus wirtschaftlichen Gründen gestattet. Zwar mag man sich in den Parteien einig sein, dass man der internationalen Finanzmärkte Herr werden muss, aber die Weihnachtsmärkte zu regulieren, erfordert eben doch mehr Mut.

Wenn sich nun in diesen Tagen die Delegierten der großen Parteien zu ihren Konventen treffen, wird es wieder darum gehen, was die Politik vermag. Oder ob sie nur noch zu Anpassungsleistungen fähig ist. Die werden um so energischer verweigert, je ferner die Probe aufs Exempel ist. Köstlich war die Aufregung über das Wort Angela Merkels, die Demokratie müsse marktkonform werden. Da tanzten die meisten Funktionäre vor Empörung auf den Parteitagsbänken. Dabei haben sie soeben das Kirchenjahr marktkonform gemacht. Und nicht nur das. Die Justiz folgt dieser Empfehlung und bietet betuchten Übeltätern Deals zur Vermeidung eines für alle teuren Prozesses an. Die Familien müssen marktkonform werden: die Kinder in die Kitas, die Frauen in die Produktion, die Männer in die Kliniken für Burn-Out-Patienten. Aber kommt das alles nur von der bösen Politik her, ob Kanzlerin oder Bürgermeister?

Pünktlich zum ersten Advent gab es im Fernsehen (ZDF) das Festliche Konzert aus der Dresdner Frauenkirche – wunderschöner Ort, schöne Musik, hervorragende Musiker (Christian Thielemann). Gespielt wurden Bach und Mozart, wie es sich gehört. Aber auch Mendelssohn Bartholdys „Vom Himmel hoch“ und Händels „Hallelujah“. Das sind jedoch Weihnachtsstücke, und die haben im Advent nichts zu suchen. Adventslieder sind schwermütig, bedrückend, von sehnsüchtigem Warten bestimmt. Weihnachtsmusik ist befreit, beglückt, beseeligt. Weihnachtsklänge im Advent sind geschmacklos. Man spielt ja auch keine Karnevalslieder zu Ostern. Den Mischmasch in der Frauenkirche werden die Veranstalter mit den Kosten für das Event begründen, sollte man sie überhaupt danach fragen. Zwei Festliche Konzerte, erst „Oh, Heiland, reiß die Himmel auf“, dann „Jauchzet, frohlocket “ kämen zu teuer. Wir müsssen alle marktkonform sein.

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