Andere Länder, andere Bildung

Bildungspolitik Nicht nur über richtige und falsche Bildung wird viel gestritten. Auch über die wahren Ursachen unterschiedlicher Bildungsniveaus
Ausgabe 35/2014
Andere Länder, andere Bildung

Bild: Alex Wong/Getty Images

Bildungspolitik ist wichtig. Darin sind sich alle einig. Die einen sagen es öfter als die anderen, und diejenigen, die es am häufigsten sagen, halten sich deshalb auch für die besten Bildungspolitiker. So klingt das aus dem Deutschen Bundestag. Aber der Bundestag hat keine Handlungskompetenz für die Organisation von Bildung. Die Bundesregierung darf Geld geben, man streitet darüber, ob sie auch darauf achten darf, ob das Geld sachgemäß ausgegeben wird. Aber wie das Geld zur Hebung des Bildungsangebots eingesetzt wird, da haben weder Bundestag noch Bundesregierung mitzureden. Das ist für die mit Bildung befassten Bundestagsabgeordneten recht komfortabel. Sie können reden und reden, aber die Probe auf ihre Kompetenz bleibt umständehalber aus. Sie haben nichts zu sagen.

Zu sagen in der Bildungspolitik haben nur die Kultusminister der Länder, natürlich auch ihre Chefs, die Ministerpräsidenten, und in den Debatten die Landtage. Die meisten Kultusminister in den 16 Bundesländern stellt die SPD. Aber an der Spitze der Bundesländer beim Bildungsniveau stehen seit langem – und jetzt wieder bestätigt – unionsregierte Länder, das stets genannte Bayern sowie Sachsen und Thüringen und auch Baden-Württemberg, das bis vor kurzem noch von der CDU regiert wurde. Jetzt regiert dort Grün-Rot, und schon gibt es Wetten allenthalben, wann das Ländle aus der Spitzengruppe herausfällt. Am unteren Ende der Skala rangieren die SPD-regierten Länder.

Was misslingt den Sozialdemokraten, wenn es in der Bildungspolitik zur Sache geht? Einfache Antwort: Ihnen misslingt gar nichts. Begründungen für die Diskrepanz, die bisweilen vorgebracht werden, überzeugen kaum. Bildungsferne Migranten gibt es überall in Deutschland, erst recht bildungsferne Familien ohne Migrationshintergrund. Auch das oft gelobte Schulbildungsmodell der alten DDR kann das gute Abschneiden von Sachsen und Thüringen wohl nicht erklären, denn das gab es auch zum Beispiel in Brandenburg. Große Unterschiede, für die kein Minister etwas kann, gibt es bei den Städten. In Berlin oder Bremen ist der Studienrat ein Anonymus. Wo er lebt, wird er selten verantwortlich gemacht für das, was die Schüler im Gymnasium nicht lernen. Das ist in den konservativen Hometowns von hundert- oder hundertfünfzigtausend Einwohnern anders. Wenn dort der Pennäler zu Hause nicht weiß, dass Schiller den Tell, aber nie und nimmer Heidi geschrieben hat, dann bekommt es der Lehrer von den erbosten Eltern auf die Mütze, im Verein, am Stammtisch oder in der Warteschlange beim Metzger. Hier wirkt soziale Kontrolle.

Was aber die Sozialdemokraten wollen, ist etwas ganz Anderes und auch durch soziale Kontrolle nicht in den Griff zu kriegen. Sie wollen möglichst viele Abiturienten, möglichst viele Studierende. Schulen, die bei diesem Konzept auf hohen Leistungsanforderungen beharren, passen nichts ins Bild. Das Wort von der sozialen Herkunft, die immer noch zu sehr über den Schulerfolg entscheide, ist ernst zu nehmen, darf jedoch nicht zur Folge haben, dass an Grundschule und Gymnasium Leistungsanforderungen immer weiter herabgesenkt werden. An den Universitäten ist das notgedrungen schon der Fall – außer bei den naturwissenschaftlichen Fächern, bei denen es ohne Mathematik nicht geht. Und beim Medizinstudium: Kein Bildungspolitiker will auf einem Operationstisch landen, an dem ein Chirurg mit dem in anderen Fächern üblichen Leistungsniveau sein blutiges Handwerk verrichtet.

Eine andere Umfrage beleuchtet auch das Ergebnis leistungsmindernder Bildungspolitik: Bei Bewerbungen achten Arbeitgeber immer weniger auf Zeugnisnoten als vielmehr auf Gesprächseindrücke. Die Schule als der große gesellschaftliche Gleichmacher fällt aus.

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