Das Geheimnis des gekonnten Mannschaftsspiels

Handball-EM Manchmal stört ein überragender Einzelspieler in einer ansonsten homogenen Mannschaft eher, als dass er den Erfolg garantiert
Ausgabe 05/2016
"Da ist das Ding!"
"Da ist das Ding!"

Foto: Sascha Klahn/Bongarts/Getty Images

Der Gewinn der Europameisterschaft im Handball hat viele begeistert. Diese Begeisterung wuchs von Spiel zu Spiel bis zum triumphalen Finale. Von Spiel zu Spiel war zuvor eine deftige Niederlage der deutschen Mannschaft erwartet worden, nachdem sie zu Anfang gegen Spanien erwartungsgemäß verloren hatte. Gegen Russland? Schwer, sehr schwer! Gegen Dänemark? Wohl nicht zu gewinnen! Gegen Norwegen? Na ja, das müsste klappen! (Es wurde das schwerste Spiel.) Wieder gegen Spanien? Jetzt ist alles möglich! Genau.

Was die Serie der Begegnungen offenbarte, war ein Geheimnis des gekonnten Mannschaftsspiels. Und dieses Geheimnis ist gelüftet, wenn sichtbar wird, dass ein überragender Einzelspieler in einer ansonsten homogenen Mannschaft eher stört, als dass er den Erfolg garantiert. Die Deutschen fuhren ohne zwei ihrer besten Spieler nach Polen. Einer der beiden, die wegen Verletzung ausschieden, war auch noch Uwe Gensheimer, der Kapitän, der ansonsten in Paris spielt. Während des Turniers fielen noch zwei weitere erstklassige Spieler aus, darunter Steffen Weinhold, der anstelle von Gensheimer die Kapitänsbinde übernommen hatte. Die Folge dieser Ausfälle erwies sich für die Gegner der deutschen Mannschaft als fatal. Sie mussten sich von Spiel zu Spiel auf neue Leistungsträger einstellen. Das konnten sie nicht.

Was machbar ist, wenn man gegen ein Team spielt, das mit seiner Leistungsfähigkeit auf einen überragenden Akteur setzt, zeigte sich bei den Dänen. Sie hatten in Mikkel Hansen einen der besten Werfer des Turniers. Der Rückraum-Spezialist kam aber nicht wie gewohnt zur Wirkung, weil der Trainer der Deutschen, Dagur Sigurðsson, sich eine Taktik ausgedacht hatte, mit der man ihn etwas am Handballspielen hindern konnte. Die Taktik ging auf. Die Dänen hatten zwar noch andere sehr gute und wirkungsvolle Spieler. Aber der Knacks war drin.

Wenn es einen überragenden Spieler gibt in einer Mannschaft, orientieren sich die schwächeren unwillkürlich an ihm. Das ist vernünftig. Wenn sie eine 80-prozentige Chance brauchen, um ein Tor zu erzielen, reicht dem Star eine 50-prozentige. Wenn aber der Star an der Entfaltung seiner Mittel gehindert wird, wenn Anspiele zu ihm wenig bringen, setzt eine allgemeine Verunsicherung ein, die während des gesamten Spiels bleibt. Sigurðsson hatte jeden seiner jungen, gleichwertigen Spieler mit Aufgaben betraut, die dieser allein zur Zufriedenheit seines Trainers lösen musste. Das gelang allen „auf der Platte“, und so war der Sieg auch gegen Spanien fast logisch.

Der Autor und Journalist Jürgen Busche schreibt in seiner Kolumne Unter der Woche regelmäßig über Politik und Gesellschaft

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