Der Ehrendoktor und sein Apotheker

Waterloo Seit Wochen liegen nun schon in den Buchhandlungen Waterloo-Bücher zum 200. Jahrestag aus. Dabei ist die Schlacht für den Lauf der Geschichte bedeutungslos
Ausgabe 23/2015

Der Monat Juni 2015 wird der Waterloo-Monat. Zum 200. Mal jährt sich der Tag der Schlacht in Belgien, die Napoleon verlor. Es war seine letzte Schlacht. Seit Wochen liegen nun schon in den Buchhandlungen Waterloo-Bücher aus. Wer will, kann einige hintereinander lesen. Wer es tut, wird hernach immer noch nicht wissen, warum Waterloo so berühmt ist. Die Erinnerung daran wird in Frankreich wenn schon nicht als schmerzhaft, so zumindest doch als peinlich empfunden. Als Belgien zum Schlacht-Jubiläum ein Zweieurostück mit Waterloo-Prägung herausbringen wollte, verhinderten das die Franzosen, die das aufgrund irgendeines Vertragsbestandteils tun können. So straft eine große Nation.

Für den Lauf der Geschichte ist Waterloo bedeutungslos. Wenn der Kaiser mit seiner Garde die Schlacht gewonnen hätte, wären Frankreichs Chancen, den Krieg mit ihm gegen England, Preußen, Russland und Österreich doch noch zu gewinnen, kaum gestiegen. Es hätte alles nur ein bisschen länger gebraucht und vielleicht hätten dann – nach weiteren blutigen Gemetzeln – die in Paris einmarschierenden Preußen das getan, was sie sich innig gewünscht hatten, nämlich weite Teile der Stadt in Schutt und Asche zu legen. Die in Waterloo siegreichen Engländer hinderten sie daran – eben auch dadurch, dass jetzt schon der Krieg zu Ende war.

Die Preußen nannten die Schlacht Belle Alliance (Schönes Verbündetsein). Aber das war natürlich Selbsttäuschung. Die Engländer, allen voran ihr Feldherr Wellington, reklamierten den Sieg für sich (die Preußen hatten helfen dürfen), und zum Zeichen dafür setzten sie den Namen Waterloo durch. Doch bei aller Bewunderung für englische Propaganda: Nicht deshalb ist die Schlacht berühmt. Tatsächlich wurde in dieser Schlacht Napoleon zum ersten Mal mit den eigenen Mitteln geschlagen. Es waren die preußischen Generale, allen voran Gneisenau, Blüchers Stabschef, die gelernt hatten, wie Napoleon seine Truppen führt. Bei Waterloo hatte Wellington standgehalten, das war keine geringe Leistung. Aber die preußischen Armeekorps vollzogen die operativen Bewegungen und erzwangen so die Schlacht bei Waterloo, die Napoleons Untergang herbeiführte.

Deshalb studierten die Militärhistoriker die Schlacht unermüdlich. So legten sie den Grund für eine Präsenz im historischen Bewusstsein, die auch das Verblassen der damit verbundenen Erkenntnisse überstand. Wegen des Namens Waterloo blieb Wellington der Ruhm. Blücher und Gneisenau blieb die Anekdote. Als die Universität Oxford Blücher zum Ehrendoktor machte, sagte der: „Dann müsst ihr aber auch Gneisenau zum Apotheker machen.“

Der Autor und Journalist Jürgen Busche schreibt in seiner Kolumne Unter der Woche regelmäßig über Politik und Gesellschaft

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