Der Nikolaus kommt alleine

Jahresbilanz Das goldene und das schwarze Aufschreibbuch gibt es leider nicht mehr. Aber was würde dieses Jahr hinein gehören? Die Justiz ins schwarze, die Bierbrauer ins goldene Buch
Ausgabe 49/2013

Der Heilige Nikolaus kommt in diesem Jahr an einem Freitag. Und er kommt, das allerdings seit Langem schon, allein. Den Knecht Ruprecht gibt es nicht mehr, die Kinder müssen Schläge von seiner Rute nicht mehr fürchten. Einst war das der Höhepunkt jedes Nikolausfestes. Auch die Aufschreibebücher, das goldene und das schwarze, gibt es nicht mehr. Daraus wurde den Kindern vorgelesen, was sie im zu Ende gehenden Jahr gut gemacht hatten oder schlecht. Auch das gehört nicht mehr zum Instrumentarium unserer Pädagogik. Das ist schade.

Fragen wir doch einmal, was gehört eigentlich gesellschaftlich für das nun zu Ende gehende Jahr in das goldene und was in das schwarze Buch hinein. Beginnen wir mit dem schwarzen: Dahinein gehört die Justiz. Seit Anfang 2013 brachte sie spektakuläre Verfahren in Gang, die bis heute nicht beendet sind. Der frühere Bundespräsident Christian Wulff trat zurück, was richtig war. Der Vorwurf, erst der Bestechlichkeit, kam als Anklage wegen Vorteilsnahme vor Gericht. Darüber verging viel Zeit. Jetzt geht es um etwas mehr als 700 Euro. Und dafür hat der Richter 22 Verhandlungstage angesetzt.

Die frühere Bildungsministerin Annette Schavan trat zurück, weil die Universität in Düsseldorf ihr wegen Plagiatsvorwürfen den Doktortitel entzog. Dagegen klagte sie vor Gericht. Auch dieses Gericht lässt sich Zeit. Die Sache hat die Universität gründlich ausgebreitet. Kein Mensch weiß, wozu und warum. Uli Hoeneß, der Präsident des FC Bayern, zeigte sich Anfang 2013 selbst als Steuerhinterzieher an. Die Selbstanzeige war unvollständig, deshalb ermittelte die Staatsanwaltschaft. Bis zur Anklageerhebung dauerte es mehr als ein halbes Jahr. Jetzt soll im Februar 2o14 verhandelt werden. Würde Hoeneß nicht von mächtigen Wirtschaftsführern und treuen Fußballfans geschützt, wäre er bei solchen Fristen persönlich längst erledigt. Keiner von den dreien durfte seither als unbescholten gelten. Indes, wie lang darf einer gescholten und die Klärung der Scheltensgründe hinausgeschoben werden? Ein Fall für das schwarze Buch!

Aber es gibt auch etwas für das goldene. Nicht der Ausgang der Bundestagswahl. Die interessiert den Heiligen Nikolaus kaum. Auch nicht die Fahrt Christian Ströbeles zu Edward Snowden nach Moskau. Da ist ohnehin Väterchen Frost zuständig. Aber die deutschen Bierbrauer! Die haben bei den Vereinten Nationen in New York beantragt, unser Bier zum Weltkulturerbe zu erklären. Wegen des Reinheitsgebots aus dem Jahr 1522. Das interessiert den Heiligen Nikolaus, wenn er schließlich den Bart abgenommen hat.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden