Die Südamerika-Reise des Papstes hat der katholischen Kirche das Maß an wohlwollender Aufmerksamkeit beschert, das sie sich davon erwartet hat. Der Papst der Armen besucht die Armen. Der heilige Franziskus soll nicht nur dem Namen nach gegenwärtig sein. Begeisterte Zuschauer schwärmen schon von einer Zeitenwende. Der Dogmatiker Benedikt XVI. ist Vergangenheit, der gelehrte Vortrag in Regensburg, der heftige Diskussionen auslöste, Schnee von gestern. Die Gegenwart ist bestimmt von Besuchen des Heiligen Vaters in Armenvierteln der Millionenstädte, bei Gefangenen in menschenunwürdigen Haftanstalten. Das Publikum ist erfreut. Und die Gläubigen jubeln.
So kann es weitergehen. Aber natürlich nur so lange, wie reiche Diözesen – Chicago oder Köln – das Geld beschaffen, mit dem weltweite Auftritte des Stellvertreters Christi finanziert werden. Nur so lange, wie reiche Bistümer in Deutschland gemeinsam die Kirchen in südamerikanischen Ländern so ausstatten, dass ein Netz geistlicher und sozialer Einrichtungen gesellschaftlichen Zusammenhalt und Ansatzpunkte für Hoffnungen bildet, wo der jeweilige Staat längst zukunftsträchtige Projekte abgeschaltet hat. Was die romantische Franziskus-Begeisterung bei vielen ausblendet, ist die Tatsache, dass die Nähe von Staat und Kirche auch in Europa fast immer bedeutete, dass die Kirche an Zusammenhalt und sozialen Leistungen schuf, was der Staat nicht leisten konnte oder wollte. Gleichsam im Gegenzug übernahm dafür der Staat die Aufsicht über die Einhaltung christlicher Moralvorschriften, etwa das Verbot der Abtreibung, für deren Durchsetzung es weltlicher Macht bedurfte.
Dieses Tauschverhältnis ist jetzt dabei, zu kippen. In Europa aus Bequemlichkeit, in Südamerika – aber nicht nur dort – aus schierer Armut. Indem nun die Kirche sich den Armen zuwendet, verkündet sie der großen Mehrheit der Bevölkerung: Bei uns seid ihr besser dran. Solidarität unter Gläubigen ist stärker als staatliche Sozialpolitik. Das liegt in vielen Ländern Südamerikas auf der Hand.
Der bolivianische Staatspräsident Evo Morales hat das begriffen. Als dieser dem Papst ein auf Hammer und Sichel befestigtes Kruzifix als Geschenk überreichte, schickte er seine Ideologie, nicht den Staat ins Rennen.
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